Umleitung: vom Lörmecke-Turm zu Politik und Kultur. Satire, Drohungen, Frust und Versagen.

Am Lörmecke-Turm. Hier war mal viel Wald.

Der schmale Grat bei Springer: Spätestens seit „Der Pate“ weiß das jeder: Es gibt Angebote, die kann man einfach nicht ablehnen … charly&friends

Vor 40 Jahren: Antisemitischer Doppelmord … bnr

Mehr als nur eine Drohung! „Ich bin immer noch schockiert über das Geschehene. Erlebt habe ich schon viel an persönlichen Bedrohungen, aber das was ich jetzt schildern werde ist die aktuelle Spitze an Hass auf und gegen mich“ … gedankensplitter

Stadtteilgeschichte und Kultur: Projekt „Wege der Zuwanderung“ zeigt in der Nordstadt, wie kulturelle Vielfalt Dortmund über die Jahrzehnte geprägt hat … nordstadtblogger

Es steht ’ne Waschmaschine vor der Tür – und: Der Ein-Mann-Schwertransport. Zwei kurze Geräte-Geschichten … revierpassagen

Und Nachts kommen die Ratten: „Sorry, ich muss mal Frust los werden. Heute tagt in Voerde der Stadtrat“ … unkreativ

Kreisausschuss statt Kreistag im Hochsauerland: Kreisverwaltung im digitalen Lockdown? … sbl

Possenspiel um Lorenz Jaeger
Wie in Paderborn die kirchliche Beihilfe für den Vernichtungskrieg „aufgearbeitet“ wird

„Herr, dir ist nichts verborgen. Du schaust mein Wesen ganz.
Das Gestern, Heut und Morgen wird hell in deinem Glanz.
Du kennst mich bis zum Grund; ob ich mag ruhn, ob gehen,
ob sitzen oder stehen, es ist dir alles kund.“
Maria Luise Thurmair (1971), nach Psalm 139

(Gastbeitrag Peter Bürger, siehe auch hier im Blog: Kontroverse um Lorenz Jaeger erst am Anfang)

In den Jahren 1941-1944 ist der vormalige Wehrmachtsseelsorger und spätere Kardinal Lorenz Jaeger (1892-1975) als Erzbischof von Paderborn mit glühenden Kriegsvoten hervorgetreten. Im Jahr 2015 beantragte deshalb die Fraktion Demokratische Initiative Paderborn (DIP) im Rat der Bischofsstadt, den Namen des Kardinals aus der Liste der Ehrenbürger zu streichen. Auf Wunsch des damals schon schwerkranken Linkskatholiken Prof. Arno Klönne († 4. Juni 2015) übernahm ich die theologische Beratung der DIP, gestützt in erster Linie auf die bis heute maßgebliche Studie „Hirten unter Hitler“ (1999) von Wolfgang Stüken. Kommunalpolitisch war der Initiative für eine neues Geschichtsgedächtnis im öffentlichen Raum zunächst kein Erfolg beschieden. Doch der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker kündigte plötzlich eine wissenschaftliche Erforschung der Amtszeit Jaegers an.

Mein Lob für diese Antwort der vermutlich reichsten Diözese des Erdkreises war verfrüht (bzw. naiv). Prof. Nicole Priesching (Universität Paderborn) übernahm die Leitung eines umfangreichen Forschungsprojekts, doch ausgerechnet das Teilgebiet der NS-Jahre wurde durch einen Auftrag an die gleichsam bischofseigene Theologische Fakultät ausgelagert. Das Ergebnis liegt seit diesem Jahr vor.[1] Wissenschaftler, die einem pazifistischen Ansatz folgen oder in der kritischen Katholizismus-Forschung hervorgetreten sind, wurden nicht beteiligt. Ein 13 Monate zuvor erschienener aktueller Jaeger-Beitrag[2] aus meiner Werkstatt bleibt ganz unberücksichtigt. Gleichwohl lässt mich der Herausgeber, der offenbar keinerlei Verantwortung für die Konzeption des Werkes übernehmen möchte, in einem Brief vom 18.08.2020 wissen: „Ihren Thesen zu L. Jaeger wird [in unserer Studie] vehement widersprochen; nach Aussagen der Historiker sind sie wissenschaftlich nicht haltbar.“ Das Online-Portal katholisch.de meldet dann zur Bistumsstudie sinnig. „Kardinal Jaeger war weder Nazi noch Widerstandskämpfer.“ Die Münsterische Kirchenzeitung ergänzt: „Die Forderungen [der beteiligten Professoren] richten sich vor allem an den Publizisten Wolfgang Stüken […] und den Theologen Peter Bürger.“

Mit Wolfgang Stüken oder mir hat trotz dieser „hohen Ehre“ kein kircheneigenes Medium gesprochen. Um das neue Bistumsbuch richtig würdigen zu können, müsste die lange Liste der unbequemen Sachverhalte und Bischofsworte, die in ihm auf 466 Seiten ganz ausgespart bleiben, zur Kenntnis genommen werden. Die apologetische Strategie ist offenkundig: Den Kritikern wird unterstellt, sie betrachteten Lorenz Jaeger als einen nationalsozialistischen, braunen Bischof. Diese These, die allerdings niemand vorgetragen hat, lässt sich relativ leicht entkräftigen. Hernach braucht sich keiner mehr eingehend mit den nationalistischen und militaristischen „Hirtenworten“ zu beschäftigen.

Selbst im kritischsten Beitrag der ganzen Bistumsstudie wird der Leserschaft suggeriert, vom rassenideologischen Ansatz des NS-„Antibolschewismus“ sei die „katholische“ Position zweifelsfrei zu unterscheiden gewesen.[3] Dies ist mit einem Riesenfundus an Quellen, darunter das berüchtigte Gröber-Handbuch (Eintrag „Bolschewismus“), in keiner Weise zusammenzureimen. Jaeger selbst bediente sich antisemitischer Vorlagen, als er im Februar 1942 predigte: „Ist jenes arme unglückliche Land nicht der Tummelplatz von Menschen, die durch ihre Gottfeindlichkeit und durch ihren Christushass fast zu Tieren entartet sind? Erleben unsere Soldaten dort nicht ein Elend und ein Unglück sondergleichen? Und warum? Weil man die Ordnung des menschlichen Lebens dort nicht auf Christus, sondern auf Judas aufgebaut hat.“

Für mehr als 20 Millionen zivile Sowjetbürger*innen (darunter fast drei Millionen Juden, zigtausende Sinti und Roma) sowie zahllose sowjetische Kriegsgefangene, ermordet durch deutsche Waffenträger beim Feldzug gen „Osten“, und alle Opfer der von Adolf Hitler befehligten Militärmaschinerie war es nicht von Belang, welcher Konfession die christlichen Assistenten des NS-Vernichtungskrieges auf der Kirchenleitungsebene, in Redaktionsstuben, auf Lehrstühlen oder in den Truppen angehörten, ob sie Nationalsozialisten, Deutschnationale (oder/und) Deutschchristen, Bekennende Lutheraner oder Reformierte, Orthodoxe, Katholiken, Ultramontane, Modernisten oder was auch immer waren. An den massenmörderischen Ergebnissen der Kriegsbeihilfe änderte sich durch die unterschiedlichen ‚konfessionellen Neigungen‘ der Mitwirkenden nämlich rein gar nichts. Gerade wenn wir uns nur auf das Feld der kriegsrechtfertigenden und kriegsertüchtigenden Bischofspredigt konzentrieren, bleibt es – mitnichten nur aus pazifistischer Perspektive – unvermeidbar, Lorenz Jaeger eine „Stufe der Kollaboration“ im 3. Reich zu bescheinigen.

Die neue Jaeger-Studie des Erzbistums Paderborn – finanziert durch die Beiträge aller Getauften – ist auf Bistumskosten sogleich auch kostenfrei an alle (800) Kleriker der Diözese versandt worden. Mit großer Leidenschaft versucht Prof. Dr. Joachim Kuropka in dem Auftragswerk, alle kritischen Arbeiten als unwissenschaftlich abzutun und hierbei der Leserschaft u.a. Veröffentlichungen vorzuenthalten, die z.B. auch bei der Nationalbibliothek oder durch Internetrecherche leicht zu ermitteln sind. Wie er sich an den erschütternden Erkenntnissen aus Wolfgang Stükens Standardwerk von 1999 abarbeitet, wirkt auf mich persönlich wie eine schlechte Komödie.

Ein Beispiel sei genannt: 1943 geht es auf der letzten Fuldaer Bischofskonferenz darum, im Sinne des Ordensausschusses und Konrad v. Preysings Solidarität mit jenen zu bezeugen, die mit uns „nicht eines Blutes“ sind. Lorenz Jaeger aber predigt stattdessen vor Tausenden im Fuldaer Dom, die deutschen Bischöfe seien mit ihren deutschen Schwestern und Brüder durch ein gemeinsames Band des Blutes verbunden (sowie: „Deutschland muss leben, auch wenn wir sterben müssen!“). J. Kuropka will diese Passage mit dem terminus technicus für „Arier“ entkräften, indem er aus einer 2 Jahre zurückliegenden Kinderkatechese (!) des Bischofs die Aufforderung zitiert, alle Menschen zu lieben. Sein Fazit zu Jaegers Amtsführung während des Vernichtungskrieges lautet allen Ernstes: „Zusammengefasst: Er hat es gut gemacht.“ (Seite 326)

Schon im Fall der militaristisch-nationalistischen Kriegsvoten des Münsterischen Bischofs Graf von Galen hat J. Kuropka sein apologetisches Verfahren angewandt und u.a. am 7. Oktober 2005 in einem Interview „Seelsorger und Patriot“ mit der Wochenzeitung „Junge Freiheit“, dem Sprachrohr der neuen Rechten, zum Besten gegeben. Es gibt keine explosive Originalquelle, die dieser Zauberer aus Vechta nicht entschärfen könnte. Er gehört übrigens wie ehedem Lorenz Jaeger dem Ritterorden vom Heiligen Grab, der nach dem 2. Weltkrieg – in enger Tuchfühlung mit Gleichgesinnten aus Franco-Spanien – eine demokratiefeindliche „Abendland-Ideologie“ propagierte.

Einen seiner Gipfelpunkte erreicht dieser katholische Historiker, wenn er neben W. Stüken und dem Krankenpfleger theol. P. Bürger den von Lorenz Jaeger zum Priester geweihten und zuletzt vom Bistum Essen gewürdigten Theologieprofessor Heinrich Missalla (1926-2018) verunglimpft (Wortlaut: „… die bekannten Kirchenkritiker Missalla und natürlich der ‚Spiegel‘“; „Stüken kann mit seiner Arbeit in die Reihe einer bestimmten Spezies von Kirchenkritikern wie Denzler, Missalla, Mynarek und Deschner eingeordnet werden“). H. Missalla besuchte nach seiner Zeit als jugendlicher Soldat das von Franz Stock geleitete „Stacheldrahtseminar“ in Chartres, war ein Pionier der katholischen pax christi-Bewe­gung und hat als Theologe schon seit den 1960er Jahren das Feld „Kirche und Weltkrieg“ erforscht. Bezeichnenderweise wird kein einziges seiner wegweisenden Bücher[4] zu diesem Thema im Literaturverzeichnis der neuen Bistumspublikation aufgeführt.

In einem empfehlenswerten Reclam-Band „Die Wehrmacht“ (2019) der Bundeswehr-Historiker Michael Epkenhans und John Zimmermann kann heute jeder „Laie“ den Schauplatz kennenlernen, auf dem die deutschen Hirten einen Kampf ihrer Gläubigen bis zum letzten Tropfen Blut wünschten. Im Sinne eines Offenen Briefes[5], den Heinrich Missalla kurz vor seinem Tod verfasste, hat die Bischofskonferenz in diesem Jahr endlich ein Schuldbekenntnis zur Kriegsbeihilfe der deutschen Bischöfe ab 1939 vorgelegt.[6] In eklatantem Gegensatz zu den Erläuterungen des Vorsitzenden der Bischofskonferenz verfolgt die Auftragsstudie des Erzbistums Paderborn jetzt auf den allermeisten Seiten noch das Kirchenverteidigungs-Muster des letzten Jahrhunderts.[7] Was versprechen sich die Verantwortlichen an der Pader von solchem Anachronismus?

Wolfgang Stueken ist infolge der kirchensteuerfinanzierten Jaeger-Apologie vor einigen Wochen aus der „Körperschaft Kirche“ ausgetreten. Magdalene Bußmann hat u.a. wegen der Passagen zu ihrem verstorbenen Ehemann Heinrich Missalla einen von vielen Christen namentlich unterstützten Brief an den Erzbischof von Paderborn geschrieben und als Antwort ein wirklich nichtssagendes Schreiben des Buch-Herausgebers erhalten.

Die Blindheit und Schwerhörigkeit der Paderborner Apologeten sind frappierend. Mit riesigem Aufwand hat man den Nachlass gesichtet und auch eine Rekonstruktion von Jaegers Bibliothek versucht. Doch alle auffindbaren Spuren reduzieren sich auf einige Dutzend Blätter, ohne dass die kirchengenehmen „Jaeger-Forscher“ das irgendwie auffällig finden. Insbesondere konnte kein Dokument mit deutlicher Kritik des katholischen Erzbischofs am deutschen Faschismus aufgefunden werden.

Für die seriöse Forschung gibt es, z.T. versteckt in den Fußnoten, aber doch einige neue Erkenntnisse. Der Kreis der NS-Täter und weltanschaulichen Kollaborateure, für die Jaeger sich ab 1945 eingesetzt hat, fällt deutlich größer aus als bislang angenommen. Ein echtes Alleinstellungsmerkmal von Lorenz Jaeger im Kollegium der Ortsbischöfe ist seine positive Einstellung zu Feldbischof Justus Rarkowski, dessen Verehrung von Adolf Hitler nicht einmal die konservativsten Forscher in Frage stellen oder gar rechtfertigen. Das Märchen, Lorenz Jaeger selbst sei wegen Regime-Kritik 1939 förmlich in die Militärseelsorge geflüchtet, lässt sich mit dem neuen Quellenstand übrigens nicht stützen.

Zu den grundlegenden bürgerlichen Kulturtechniken, die wir im Zeitalter der Fake-News besonders hochschätzen sollten, gehört das Lesen von Primärquellen (dies sind bei unserem Thema in erster Linie keine Geheimdokumente, sondern: Kirchliche Amtsblätter u.ä.). Mit der römisch-katholischen Apologetik zu disputieren, ist hingegen fast immer vertane Zeit, denn diese ist trotz gelehrter Maskerade eine Spielart von Fundamentalismus. Mit Blick auf das traurige Gedenken 22.6.1941 – 22.6.2021 wollen wir im Aufklärungs- und Editionsprojekt „Kirche & Weltkrieg“ (https://kircheundweltkrieg.wordpress.com/) vor allem auch Voten der Kirchenleitungen zugunsten des Rasse- und Vernichtungskrieges für jede/n leicht zugänglich machen. Wer das Projekt durch Textspenden – vorliegende Forschungsbeiträge, bereits erfasste Quellen oder Schreibarbeiten – unterstützen möchte, kann sich an den Verfasser dieses Beitrages wenden. Speziell auch für das Erzbistum Paderborn werden bezogen auf die Zeit des 2. Weltkrieges noch weitere Abgründe zu vermitteln sein, die schon aus der Zeitschrift der Theologischen Fakultät und der Kirchenzeitung „Leo“ zusammengetragen worden sind. Es bleibt dabei: Wer lesen kann, erfährt mehr.

Anmerkungen:

[1] Josef Meyer zu Schlochtern / Johannes W. Vutz (Hg.): Lorenz Jaeger. Ein Erzbischof in der Zeit des National­sozialismus. Münster: Aschendorff 2020.

[2] Zuerst als Beitrag zum Sammelband „Im Sold der Schlächter“ (2019), ISBN 978-3-7481-0172-7. Vgl. inzwischen den frei abrufbaren digitalen Sonderdruck „Lorenz Jaeger – Kriegsbischof der deutschen Blutsgemeinschaft“ (https://www.ikvu.de/fileadmin/user_upload/IKvu_Sonderdruck_Lorenz_Jaeger_2020-08-07.pdf ).

[3] Vgl. viel ausführlicher in der ersten Stellungnahme/Rezension „Bistums-Studie zu Lorenz Jaeger“ vom 8.9.2020 (http://upgr.bv-opfer-ns-militaerjustiz.de/uploads/Dateien/Links/pb-zu-jaegerstudie20200908.pdf )

[4] „Gott mit uns“. Die deutsche katholische Kriegspredigt 1914-1918. München 1968; Für Volk und Vaterland. Die Kirchliche Kriegshilfe im Zweiten Weltkrieg. Königstein 1978; „Wie der Krieg zur Schule Gottes wurde“. Hitlers Feldbischof Rarkowski. Oberursel: Publik 1997; Für Gott, Führer und Vaterland. Die Verstrickung der katholischen Seelsorge in Hitlers Krieg. München 1999; Erinnern um der Zukunft willen. Wie die katholischen Bischöfe Hitlers Krieg unterstützt haben. Publik-Forum 2015.

[5] Zugänglich auch in: https://www.lebenshaus-alb.de/magazin/media/pdf/Arbeitshilfe_Bisch%C3%B6fe_und_Hitlerkrieg.pdf

[6] Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.): Deutsche Bischöfe im Weltkrieg. Wort zum Ende des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren. Bonn 2020. https://dbk.de/fileadmin/redaktion/diverse_downloads/presse_2020/2020-075d-DB_107-Deutsche-Bischoefe-im-Weltkrieg.pdf

[7] Vgl. zu Verlauf, Kontroversen und Erkenntnissen der Forschung: Olaf Blaschke, Die Kirchen und der Nationalsozialismus. Stuttgart: Reclam 2014.

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Mit freundlicher Genehmigung des Netzwerkes IKvu und des Verfasser aus: Ökumenisches Netzwerk Initiative Kirche (Hg.): Querblick 40 (Dezember 2020), S. 31-34.

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Peter Bürger, geb. 1961 (Eslohe/Sauerland), Kriegsdienstverweigerer (Zivildienst), Theologiestudium in Bonn, Paderborn, Tübingen (Diplom 1987), examinierter Krankenpfleger, psycho-soziale Berufsfelder, ab 2003 freier Publizist (Düsseldorf, www.friedensbilder.de). Seit dem 18. Lebensjahr Mitglied der internationalen katholischen Friedensbewegung pax christi, später auch: Versöhnungsbund, DFG-VK, Solidarische Kirche im Rheinland. Mitarbeit im Ökumenischen Institut für Friedenstheologie.

Pausenbild: Funkturm, Covid-19, Brandenburgische Konzerte, Tago Mago und Amos Oz – und was macht ihr so im Lockdown?

Der Funkturm auf dem Kreuzberg in Winterberg

Ich verrate jetzt, was ich im kommenden Lockdown anders mache als in den vorangegangenen Wochen und Monaten: Nichts.

Nach wie vor gehöre ich zu den „Drosten-Ultras“ (Vorsicht, grobschlächtige Ironie!), führe ein sozial verarmtes Leben und treffe auf meinen Spaziergängen meist Fichten, lebendig (grün) oder tot (braun).

Trotz aller Unkenrufe in den Lebensberatungsspalten funktioniert unser Familienleben weiterhin gut. Klar, ich vermisse Cafés, Großstädte, Reisen, Restaurants, Musseen, Theater, Konzerte, Freunde und das Schwimmbad. Klar, ich ärgere mich über die Politiker*innen, die den Menschen Lockerungen über die Weihnachtsfeiertage versprochen hatten, wenn sie nur ihren sogenannten „Lockdown Light“ mitmachten. Klar, die Kultusminister*innen habe es verstanden, den Föderalismus ins Lächerliche zu ziehen.

Der faschistoide Charakter der sogenannten „Querdenker-Bewegung“ zeigt erschreckend, wie viel Dummheit und Hass in Deutschland wieder möglich sind. Wir brauchen gar nicht mit dem Finger auf Trump zu zeigen und uns über „die USA“ lustig zu machen.

Ich leide unter Covid-19-Lockdown-Ermüdung und muss doch noch ein paar Monate durchhalten und alles dafür tun, aber auch hoffen, dass das Virus mich nicht erwischt. Wie viel Glücksspiel ist dabei? Risiko-Gruppe, kein gutes Gefühl.

Derweil lege ich Scheiben aus der Studentenzeit auf, Brandenburgische Konzerte, Tago Mago kunterbunt durcheinander. Wer hat eigentlich die Unterscheidung zwischen E- und U-Musik erfunden?

In Amos Oz Autobiografie und Familiengeschichte, A Tale of Love and Darkness, lerne ich einiges über die Kultur und (Vor-)Geschichte Israels, jüdische Geschichte, Shoa, Holocaust. Es hat gedauert, bis ich mich hineingelesen hatte. Viele Namen, Familienmitglieder, Generationen, Länder und Kulturen, aber mit der Gründung des Staates Israel hat es mich jetzt auch emotional gepackt. Amos Oz‘ Buch – eines der Freunde, die jahrelang geduldig auf dich im Bücherregal warten, bis ihr Augenblick gekommen ist. Habt ihr auch solche Bücher?

„Aumgn“ singt Kenji ‚Damo‘ Suzuki auf der dritten Seite der Doppel-LP. Das Schlagzeug-Solo setzt ein. Ich bin dann mal weg.

Umleitung: Sechs nach Drei – vom Fake Blues Donald über Covid-19 zu Verschwörungsfragen und hin zu Annie Ernaux.

Der Bergsee am Meisterstein, ein ehemaliger Steinbruch; heute Kletter- und Tauchparadies.
Fake-Blues: Donald Seltsam oder wie ich lernte, die Polit-Bombe zu lieben … endoplast

Mit Transusen gegen das Virus: Die Corona-Pandemie offenbart die Handlungs- und Führungsschwäche der Ministerpräsidenten … postvonhorn

Corona-Chaos in Bussen: Hagens OB nimmt Schulen in Pflicht … doppelwacholder

Unerfreulicher Spitzenwert: Einen unerfreulichen Spitzenwert hat der HSK im Vergleich mit den acht umliegenden Kreisen erreicht … sbl

Verschwörungsfragen: Die Schlümpfe und der Luther – Hermeneutik statt Verdrängung … scilogs

Welthaltige Selbsterkundung: „Die Scham“ von Annie Ernaux … revierpassagen

Kontroverse um Lorenz Jaeger erst am Anfang

Lorenz Jaeger vor seiner Wahl zum Paderborner Bischof als Militärgeistlicher in Hitlers Wehrmacht; über dem Kreuz der Kappe und an der Brust prangt das Hakenkreuz der „Feinde Christi“. (Umschlagcover)

Wegen seiner Hirtenworte zugunsten des nationalsozialistischen Vernichtungskrieges war Erzbischof Lorenz Jaeger 2015 erneut „Gegenstand“ einer Paderborner Kontroverse. Nach Auskunft aus den Priester- und Solidaritätsgruppen wird die aktuelle Rechtfertigungsstudie des Erzbistums Paderborn auf Kosten der Kirchensteuerzahler*innen an alle 800 Kleriker der Diözese versandt.

(Gastbeitrag Peter Bürger, siehe auch hier im Blog: Lorenz Jaeger – Kriegsbischof der deutschen Blutsgemeinschaft)

Das Buch enthält u.a. Verunglimpfungen von Vertretern der katholischen Friedensbewegung wie dem verstorbenen Theologieprofessor Heinrich Missalla (1926-2018).

Ebenfalls enthalten ist auf Seite 326 wörtlich folgendes Fazit von Prof. Joachim Kuropka zum Bischofsdienst von L. Jaeger im Nationalsozialsozialismus: „Zusammengefasst: Er hat es gut gemacht.“

In der Anlage (PDF) finden Sie meine erste, vorläufige Rezension zu dem Werk, ebenso unten noch einen Link zum zugehörigen Sonderdruck meines letzten Aufsatzes zu L. Jaeger vom Juli 2029 (im Bistumsbuch – trotz ISBN – übergangen).

Die neue kirchliche Publikation überspannt den Bogen des apologetischen Paradigmas aus meiner Sicht so extrem, dass sie auf paradoxe Weise der geschichtswissenschaftlichen und kirchlichen Debatte einen großen Dienst erweist.

PDF-Anlage Peter Bürger: Bistums-Studie zu Lorenz Jaeger.
Warum jetzt eine ganz neue Paderborner Kontroverse „Kirche im Nationalsozialismus“ ansteht – eine erste Stellungnahme (Textstand 08.09.2020; der Text enthält den Emailkontakt zum Verfasser)
http://upgr.bv-opfer-ns-militaerjustiz.de/uploads/Dateien/Links/pb-zu-jaegerstudie20200908.pdf

Dazu der Sonderdruck (zuerst Juli 2019): Peter Bürger: Lorenz Jaeger – Kriegsbischof der deutschen Blutsgemeinschaft. IKvu-Digitalfassung, 07.08.2020. [67 Seiten]
https://www.ikvu.de/kontexte/texte-personen/kommentar2020-03-buerger.html
Direkt zum PDF:
https://www.ikvu.de/fileadmin/user_upload/IKvu_Sonderdruck_Lorenz_Jaeger_2020-08-07.pdf

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HIER EINE AKTUELLE PRESSEINFORMATION DER PADERBORNER LINKSFRAKTION AUS DEM INTERNET
https://www.linksfraktion-paderborn.de/?q=tags/pressemitteilungen
https://www.linksfraktion-paderborn.de/?q=inhalt/kontroverse-um-lorenz-jaeger-erst-am-anfang

Kontroverse um Lorenz Jaeger erst am Anfang

Linke Ratsfraktion sieht den kriegsfördernden Kardinal durch die neue Bistumsstudie noch stärker belastet
09.09.2020

Im August hat das Erzbistum in Buchform das Ergebnis einer Auftragsstudie zu Lorenz Jaeger vorgestellt. Anlass des Projektes war 2015 der DIP-Antrag im Paderborner Rat, den Namen des Kardinals aus der Liste der Ehrenbürger zu streichen.
Reinhard Borgmeier, Fraktionsvorsitzender der Linksfraktion im Paderborner Rat: „Aus Sicht der Linksfraktion steht mit der Veröffentlichung der Studie jetzt erst recht eine neue Kontroverse um den Erzbischof zur Zeit des Nationalsozialismus an. Dazu haben wir heute eine weitere Stellungnahme des Publizisten und Theologen Peter Bürger auf unsere Internetseite gestellt. Das Dossier enthält alle nötigen Quellenverweise.“

Verunglimpfung friedensbewegter Katholiken?
Bürger, der schon vor 5 Jahren die Kritiker der bischöflichen Ertüchtigungen zum Hitlerkrieg beraten hat, ist wenig erfreut über eine Verunglimpfung von pazifistischen Katholiken. Der verstorbene pax christi-Pionier und Theologieprofessor Heinrich Missalla, von Lorenz Jaeger zum Priester geweiht, werde z.B. mit militanten Atheisten in einen Topf geworfen. Das gehöre sich nicht für ein von allen Kirchensteuerzahler*innen finanziertes Buchprojekt.

Die meisten Seiten der Rechtfertigungs-Studie enthielten das genaue Gegenteil des von der deutschen Bischofskonferenz in diesem Jahr vorgelegten Schuldbekenntnisses zur kirchlichen Kriegsbeihilfe ab 1939. An der Pader sollten offenbar weiterhin die Konzepte des letzten Jahrhunderts gelten.

Gelobt wird allerdings die mit anderen Themenschwerpunkten beauftragte kirchliche Kommission für Zeitgeschichte, weil sie zur fairen Diskussion auf einen Sonderdruck der Kritiker hinweist.

Abenteuerliche Thesen zur Jaeger-Kontroverse

Die Bistumsstudie der Fakultät handelt Bürger zufolge einige zentrale Fragen der Debatte auf abenteuerliche Weise ab. So werde z.B. phantasiert, die Behörden hätten Jaegers freie Ansprache zum staatlichen Treue-Eid irgendwie diktiert.

Fast der wichtigste Punkt sei aber die Fuldaer Dompredigt über eine Blutgemeinschaft „deutscher Schwestern und Brüder“, die 1943 den Bischofsappell enthielt: „Deutschland muss leben, auch wenn wir sterben müssen.“ Keiner der Buchautoren erfasse auch nur ansatzweise den brisanten Kontext dieser „Blutbande“-Rede.

Im Fastenhirtenwort 1942 habe Jaeger Russland als Tummelplatz von „fast zu Tieren entarteten“ Menschen bezeichnet – auf „Judas“, nicht auf Christus gebaut. Zuvor schon konnte die Theologische Fakultät des Bistums ein übles Gemisch von Antibolschewismus und Judenhass drucken lassen. Dass auf fast 500 Seiten niemand Jaegers „Judas-Predigt“ in diesen Zusammenhang stelle, sei ein beschämendes Zeugnis und schier unglaublich.

Die neue Bistumsstudie belastet Lorenz Jaeger
Andererseits entdeckt Peter Bürger im aktuellen Bistums-Buch, das einige sehr interessante Beiträge enthalte, neue Erkenntnisse, die Lorenz Jaeger schwer belasten. Aufgezeigt werde z.B. seine Verbundenheit mit Franz Justus Rarkowski, der auch bei bürgerlichen Historikern als „Hitlers Feldbischof“ gelte.

Jaegers einziger enger Freund seit Studientagen war der hochrangige Militärgeistliche Heinrich Joseph Henneke. Mit dessen Entnazifizierungsverfahren musste sich der Ausschussvorsitzende Johannes Gronowski (CDU) in Paderborn noch 1948 abmühen. Da hatte Jaeger seinen Vertrauten längst zum Domherrn gemacht.

Der Hauptvorwurf lautet nach wie vor: Predigt zugunsten des nationalsozialistischen Vernichtungskrieges im Osten mit mehr als 20 Millionen Mordopfern. Der militaristische und nationalistische Kardinal könne nicht als Nazi bezeichnet werden. Das sei in diesem Zusammenhang aber auch gar nicht von Belang.

Zukünftige Initiativen – neue Diskussion
Nach Ende der Corona-Schutzzeit wird der in Düsseldorf lebende Publizist erneut zum Vortrag nach Paderborn eingeladen. Weitere kommunalpolitische Initiativen sollen inhaltlich intensiv vorbereitet werden und den Blick insgesamt auf das Thema „Kirche, Bistum und Nationalsozialismus“ richten. Dies sei schon immer der richtige Ansatz des Paderborner Journalisten Wolfgang Stüken gewesen. Der Plan bis Ende 2021: Alle maßgeblichen Quellen sollen frei im Netz abrufbar sein, damit sich jede/r ohne Bevormundung ein eigenes Bild verschaffen kann.

Vor allem Prof. Joachim Kuropka, der wie ehedem Lorenz Jaeger dem Ritterorden vom Heiligen Grab angehört, habe den Bogen jetzt eindeutig überspannt. Seine These zur NS-Zeit: Der Erzbischof hat seine Sache gut gemacht. Für diese Dreistigkeit müsse man ihm fast dankbar sein. Denn sie zeige vielen Menschen, dass die eigentliche Debatte um den Kardinal noch bevorsteht.

Umleitung: „Wer das liest ist Dorf“ – Lesehinweise über die Dorfgrenzen hinaus …

Wahlplakat mit Humor und Ironie in Holthausen von DIE PARTEI Schmallenberg. (foto: hannah)

Wolfgang Uhlmann – eine Schachlegende lebt nicht mehr: Wolfgang Uhlmann wurde 1956 Internationaler Meister und 1959 Großmeister. Schon zu dieser Zeit gehörte er zu den besten Schachspielern in Europa und maß sich mit diesen in Zonenturnieren, die als Qualifikationen für die Weltmeisterschaften galten … dsb

Erwin Herbert Wagenknecht (1913–1945): Ein Antifaschist aus Hamburg-Winterhude … harbuch

Wuppertal, Künstliche Intelligenz und warum das leider alles nicht so überzeugend ist: „Vor ein paar Tagen habe ich hier ein Video gepostet, das eine Mitfahrt in der Wuppertaler Schwebebahn aus dem Jahr 1902 zeigt. Dieses tolle Video ging mittlerweile um die Welt.“ … schmalenstroer

Virtual Reality real: Die Verschwörungstheorie als Glaubenssystem der Verlorenen … endoplast

Trump und Konsorten: Viele US-Präsidenten strebten eine zweite Amtszeit an. Doch kaum einer wollte so wie Trump auf Biegen und Brechen im Amt bleiben. Dass er sogar die Wahl manipulieren will, lässt vermuten, es gehe ihm nicht nur darum, vier weitere Jahre Politik zu machen … postvonhorn

SPD – wofür steht sie? Schon seit Jahren versucht der eine oder die andere politisch Interessierte, bei der SPD im HSK so etwas wie ein eigenes inhaltliches Profil zu entdecken – vergeblich. Nun hätte man ja erwarten können, dass in einer Kreistagssitzung, die etwa eine Woche vor einer Kommunalwahl stattfindet, so etwas erkennbar wird … sbl

Kindheit im Ruhrgebiet – Erinnerung an versunkene Zeiten: Oh ja, so war es. Wirklich und wahrhaftig: Genau solche kurzen Lederhosen haben wir Jungs („My Generation“) damals Tag für Tag getragen. Robuster ging’s nimmer … revierpassagen

Lorenz Jaeger – Kriegsbischof der deutschen Blutsgemeinschaft

Lorenz Jaeger vor seiner Wahl zum Paderborner Bischof als Militärgeistlicher in Hitlers Wehrmacht; über dem Kreuz der Kappe und an der Brust prangt das Hakenkreuz der „Feinde Christi“. (Umschlagcover)

In den 1990er Jahren erforschte die katholische Kirchenhistorikerin Antonia Leugers die Bemühungen des mit Bischof Konrad von Preysing eng verbundenen „Ordensausschusses“, die deutsche Bischofskonferenz zur NS-Zeit zu einer klaren Bezeugung des christlichen Dogmas von der Einheit des Menschengeschlechts (Humani generis unitas) – in Wort und Tat – zu bewegen.

(Vorwort von Peter Bürger zum  Sonderdruck Lorenz Jaeger)

Hierbei zeigte sie auf, dass der Paderborner Erzbischof Lorenz Jaeger – in markantem Gegensatz zu diesem Anliegen – auf der letzten Fuldaer Bischofskonferenz vor Kriegsende auf ein gemeinsames ‚Band des Blutes‘ zwischen den deutschen Bischöfen und „ihren“ deutschen Gläubigen abhob, in der Predigt sodann noch sein vordringliches Anliegen verlautbaren ließ: „Deutschland muß leben, auch wenn wir sterben müssen!“ (Die erzbischöfliche Rezeption des terminus technicus für „Arier“ wird im Titel der vorliegenden Veröffentlichung auf schmerzhafte Weise in Erinnerung gerufen.)

Die Abgründe der Amtsführung von Lorenz Jaeger während des 2. Weltkrieges wurden hernach im Buch „Hirten unter Hitler“ (1999) des Paderborner Katholiken Wolfgang Stueken – unter zahllosen seriösen Belegen – vermittelt. Doch eine kirchlichenamtliche Rezeption blieb diesem unbequemen Werk, das man als Christ oder Christin nur unter Erschütterung und Traurigkeit lesen kann, auf viele Jahre hin versagt.

Erst eine kommunalpolitische Eingabe der Demokratischen Initiative Paderborn (DIP) im Jahr 2015 bewirkte eine neue „Jaeger-Debatte“.

Damals bat mich der schon sterbenskranke Arno Klönne, die DIP aus einer katholisch-pazifistischen Perspektive heraus zu beraten. Die hier nun im Kontext der aktuellen Debatte als „Sonderdruck“ vorgelegte Arbeit (zuerst 2019) vermittelt noch weitaus besser als das 2015 eingebrachte kleine Dossier, an welchen Schatten und Abgründen sich kein beteiligter Forscher vorbeimogeln darf.

Ein erstes Hoffnungszeichen bezogen auf die Aufarbeitung der kirchlichen Kriegsbeihilfe bringt in diesem Jahr eine Erklärung der deutschen Bischöfe.[1]

Leider hat man auf vielen Seiten dieser Stellungnahme doch wieder Vertretern der apologetischen Schule die Redaktion überlassen, so dass das gute Anliegen fast verdunkelt wird.

Die Hofgeschichtsschreiber des kirchlichen Selbstlobkollektivs bemühen sich gegenwärtig eifrig um eine „Historisierung“ der katholischen Kriegsassistenz. Was die Klerikerkirche sonst selten kennt, das wird nun plötzlich im Übermaß eingefordert: Einfühlung, Verzicht auf Werturteile und sehr viel Verständnis für menschliches Versagen.

Säkulare, kirchenferne Geschichtsforscher sollten sich gut überlegen, ob sie diesem Vorgehen wirklich Beifall zollen können. Dass moralische Verurteilungen keine seriöse Forschung, Faktenermittlung usw. ersetzen können, ist allen Seiten bekannt. Dem wertfreien „Historisieren“ der bischöflichen Unterstützung für Hitlers Krieg stehen jedoch zwei Umstände entgegen:

a) Die Bischöfe beanspruchten gegenüber den sogenannten „Laien“ Weisungsbefugnis sowie einen privilegierten Wahrheitszugang, als sei ihre „Salbung mit Heiligem Geist“ wesenhaft eine andere als die der anderen Getauften. An diesem dogmatischen Anspruch der Hierarchie sind Versagen, irrige Weisungen und bischöfliche Kollaboration mit einem massenmörderischen Komplex zu messen. Wer darauf verzichtet, arbeitet der klerikalen Machtideologie zu und sabotiert Lernprozesse der kirchlichen Gemeinschaft.

b) Die zur Entgegennahme bischöflicher Weisungen angewiesenen‚ Laien‘ und Leutepriester ‚unten‘ gingen in vielen Fällen nicht mit der Kriegsassistenz der Bistumsleitungen ‚oben‘ konform, sondern folgten einem authentischen Christentum – indem sie der Hierarchie ungehorsam waren. Wie soll man diesem gerade für das Paderborner Bistum gut belegten Befund gerecht werden, wenn wir in der historischen Darstellung auf Vergleiche und Bewertungen verzichten?

Vermutlich werden öffentliche Ehrungen Jaegers dereinst nicht aufgrund seiner nationalistischen und militaristischen Schatten aufhören, sondern wegen der systematischen Verschleierung der sexualisierten Klerikergewalt im Erzbistum. Gleichwohl wird es der apologetischen Schule kaum gelingen, wie in früheren Zeiten die dem Hitlerkrieg zugeneigten Ideologien und Handlungen dieses hochrangigen Klerikers unsichtbar zu machen.

Düsseldorf, den 6. August 2020 Peter Bürger

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[1] SEKRETARIAT DER DEUTSCHEN BISCHOFSKONFERENZ (Hg.): Deutsche Bischöfe im Weltkrieg. Wort zum Ende des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren. Bonn 2020.

Download des Sonderdrucks als PDF:

https://www.schiebener.net/wordpress/wp-content/uploads/2020/08/schie_Sonderdruck-Lorenz-Jaeger-2020-08-07.pdf

Umleitung: Sechs nach Fünf

Blick auf die rechte Lahnseite in Marburg (Foto: Erwin Francke)

Geschichte als politisches Kampffeld der Neuen Rechten: Rechtspopulisten und Neurechte greifen aus ideologischen Gründen den entstandenen Geschichtsdeutungskonsens an. Sie wollen die Geschichte umdeuten und damit instrumentalisieren … bnr

Die erste technologische Anwendung der Quantenphysik: Als vor 75 Jahren die Atombombe zum Einsatz kam … scilogs

Hitlers Hunde, Görings Löwen und die Kartoffelkäfer: aufschlussreiches Buch „Tiere im Nationalsozialimus“ … revierpassagen

Aus Anlass des 150. Geburtstages der Postkarte im deutschen Postangebot: Das Harburger Jugendheim 1925 bis 1933 … harbuch

Lindner: Posieren statt regieren … postvonhorn

SBL stellt Anfrage zu den hohen Nitratwerten im Raum Marsberg: Immer wieder machen Bürgerinnen und Bürger aus dem Raum Marsberg darauf aufmerksam, dass auf Marsberger Stadtgebiet viele und sehr große Schweinemastanlagen betrieben werden. Die Nitratwerte sind hier sehr hoch … sbl

Jenseits von Facebook: Buch 9 der “Challenge”- Marcel Reich-Ranicki, Mein Leben

„Dieses Buch gehört zu den großen Geschichtserzählungen unseres Jahrhunderts.“ (foto: Buchcover vorn)

Zitat aus dem ersten Beitrag der “Challenge”:

“Moin Mario, ich mache solche “Challenges” grundsätzlich nicht, aber ein paar Bücher kann ich posten. Geht es um solche, die mich beeindruckt haben?”

“Hallo Hans, ja, ganz genau. Bin sehr gespannt.”

Hier mein Tag 9: Die ersten Zeilen des Buchs: „Was sind Sie denn eigentlich? Es war Ende Oktober 1958 auf einer Tagung der ‚Gruppe 47‘ in der Ortschaft Großholzleute im Allgäu.Von den hier versammelten Schriftstellern kannte ich nur wenige – kein Wunder, denn ich lebte erst seit drei Monaten wieder in dem Land, aus dem mich die deutschen Behörden im Herbst 1938 deportiert hatten.“

Rezensionsschnipsel auf der Rückseite:

„Nur herzlose Leser werden sich diesem Drama in Prosa entziehen können.“ Ehem – auch Leserinnen. (foto: Rückseite)

Umleitung: Sieben nach Neun – von Sars-CoV-2 über die Eisenbahn zu Gerichtszeichnungen und mehr

„UFO-Station“ am Twistesee in Nordhessen (foto: zoom)

Sars-CoV-2: Wie das Virus den Körper verwüstet … spektrum

Philosoph Hösle: Trump zeigt „klassische Strategie eines Diktators“ … dw

Positionierung gegen den demokratischen Staat: Von „eigentümlich frei“ bis zur Hayek-Gesellschaft – partielle Übereinstimmungen von rechten Libertären und der Neuen Rechten … bnr

ADHS: “Die Kinder werden zum Problem erklärt” … scilogs

Auf der Eisenbahn: Zwischen Köln und der Stadt K. sass Sigrid (Name geändert) neben mir. Ein bisschen tüttelig, umständlich, unsicher, noch nicht so richtig alt, dachte ich kurz, während ich Nabokov las. Linkisch … paralipomena

So schlimm war es noch nie: Immer, wenn es irgendwo in Deutschland einen Gewaltausbruch oder Krawalle gibt, fallen in den Medien solche Sätze. Sie sind wirkungsvoll und die Botschaft ist klar: Noch nie war es so schlimm wie jetzt und es wird immer schlimmer. Die Barbaren stehen vor den Toren und die Jugend von heute… schrecklich, Else! Da muss doch jemand was tun! … schmalenstroer

Mit schnellem Stift Momente im Prozess skizzieren: Gerichtszeichnungen als rares Ausstellungsthema in Hamm … revierpassagen