„Hitler, sein tatgewordener Aufbauwille, sie leben hoch, hoch, hoch!“

Textdokumentation: Wie sich 1933 in Brilon unter Propagandaworten des katholischen Bürgermeisters die sogenannte „Volksgemeinschaft“ formierte.

(Gastbeitrag von Peter Bürger, hier auch als PDF)

„Der Nationalsozialismus (siehe Hitler ‚Mein Kampf‘) wünscht Krieg gegen Russland, Krieg gegen Frankreich und Krieg gegen die Randstaaten. – Nun, das wird kein Krieg, sondern eine Jagd. – Aber Sie, Herr von Papen, wird man dann fragen, wer die Bestie aus dem Käfig gelassen!“ (Der wahre Jacob, 1932)

Zu den katholischen Pazifisten, Kapitalismuskritikern oder Zentrumsleuten Südwestfalens, die von den deutschen Faschisten verfolgt oder gar ermordet worden sind, habe ich die Bücher „Sauerländische Friedensboten“ (https://www.lebenshaus-alb.de/magazin/010277.html) und „Sauerländische Lebenszeugen“ (https://www.lebenshaus-alb.de/magazin/011357.html) herausgegeben.

Doch diese Vorbilder bildeten eben nur einen denkbar kleinen Kreis, während sich die Mehrheit der Leute auch im schwarzen Sauerland den nationalsozialistischen Vorgaben fügte oder alsbald lautstark mit den Wölfen heulte. In Brilon formierte sich die sogenannte „Volksgemeinschaft“ auf einer Massenversammlung am 1. Mai 1933, geleitet im Auftrag der NSDAP vom katholischen Bürgermeister. Dessen Ansprache wurde von der vormals schwarzen, jetzt über Nacht stark eingebräunten „Sauerländer Zeitung“ im Wortlaut wiedergegeben, was nachfolgend ebenso wie der Bürgermeisterabschied 1937 – auf Grundlage von Scans der Originalartikel – dokumentiert sei:

Quellendokumentation aus:
Sauerländer Zeitung (Unsere Sauerländische Heimat), Brilon vom 3. Mai 1933.
[Zwischenüberschriften in eckigen Klammern nachträglich, pb]

„„Das Volksfest der nationalen Arbeit in Brilon

Der Festzug

Das äußere Hauptereignis des National-Feiertages in Brilon bildete der Festzug. Um allen Mitbürgern die Möglichkeit zu bieten, sich an ihm und an der Kundgebung in der Schützenhalle zu beteiligen, war zuvorkommend die in früheren Jahren abends 8 Uhr stattfindende Maiandacht auf 4 Uhr nachmittags verlegt worden. So konnte denn auch der Festzug ein Ausmaß annehmen, wie es Brilon wohl nur selten erlebt haben wird. Alle Vereine der Stadt traten an ihren Sammelplätzen an und marschierten dann zum Marktplatz, wo der Zug seine Aufstellung nahm. Unter Vorantritt der Feuerwehrkapelle und des Tambourkorps erfolgte der Abmarsch pünktlich 6 Uhr durch die Straßen der Stadt. Ueberall bildeten die sich nicht an dem Festzuge beteiligenden Mitbürger Spalier, überall, besonders aber am Marktplatz und in dessen Nähe, sah man dichte Menschenmauern. Der Vorbeimarsch des Zuges dauerte ca. 10 Minuten. Man geht wohl nicht fehl, wenn man die Teilnehmerzahl auf etwa 2000 schätzt. Anerkennend und wohltuend wurde es empfunden, daß ein von den Postbeamten gestelltes Postauto im Zuge mitfuhr, um der Bürgerschaft, die aus Gründen der Gebrechlichkeit, des Alters usw. sich sonst nicht hätte am Festzuge beteiligen können, die Teilnahme zu ermöglichen. Und in der Tat waren alle Kreise der Bevölkerung im Festzuge vertreten: Neben dem Arbeiter mit der schwieligen Faust der Geistesarbeiter, alles ohne Unterschied von Klasse, Stand, Beruf, Partei und Bekenntnis. Durch die Straßen der Stadt bewegte sich der Zug zur Schützenhalle, wo er sich auflöste. Die Fahnenabordnungen marschierten in den Saal und nahmen dort Aufstellung. Wie der Marktplatz, die Straßen und Häuser, so trug auch die Schützenhalle reichen Festschmuck, Tannengrün, Guirlanden, Kränze, Wimpel und Fahnen, Embleme usw. Nach einem flott gespielten Marsch der Musikkapelle nahm Herr Bürgermeister Sauvigny das Wort zu folgender Begrüßungsansprache:

[Rede von Bürgermeister Josef Paul Sauvigny (1875-1967)]
„Daß neu geformte Deutschland feiert heute seinen ersten Nationalfeiertag. Frühlingshaft, wie der erste Mai, und der Schmuck unserer festlichen Straßen, jung und kraftvoll wie die Scharen seiner jugendlichen Träger, so steht das neue Reich vor uns. Noch brausen die Stürme der nationalen Revolution über es hinweg, diese Frühlingsstürme, die allen Unrat hinwegfegten, die die Wolken verjagen, die uns bisher die Sonne rauben wollten. Dieser Sturm, der so manchen hart ankommen mag, er wird sich legen, nachdem er die Luft gereinigt hat, von allen giftigen Dünsten, die sich in Jahren mißverstandener Freiheit und ohnmächtiger Selbstzerfleischung angesammelt hatten.

Dann erst wird die schwerste Zeit beginnen, die harte, entsagungsschwerste Arbeit des endlichen Wiederaufstieges. Doch während bisher sich deutsche Kraft und deutsches Aufbaustreben zerspalten und verbluten am Parteigezänk und ewigen Führerwechsel [sic], ist es heute ein Wille, der uns eint, eine Kraft, die uns leitet, ein Führer, der uns ruft. Vergessend des Parteienhasses von gestern, hat das große Sammeln begonnen, die Einigung aller Deutschen, deutschen Blutes zur gemeinsamen Tat, deren Sinnbild der heutige Festtag ist.

Heute liegt nicht nur eine Schicht des Volkes die Hände zum Feiern in den Schoß, eine Schicht, die klassenkämpferisch verhetzt, nur sich allein arbeitend sah. Es ist das ganze schaffende Volk, das ausruhend sich die Hände reicht in Ehrfurcht vor gemeinsamer deutscher Leistung, der deutschen Leistung, die dem Kopfe des Erfinders entspringt, die der deutsche Arbeiter ausführt, der diensttreue Beamte befestigt und unsere Wehrmacht verteidigt.

Es ist nicht die Schönheit unseres Vaterlandes, die uns in der Welt die Geltung verschafft, die wir fordern. Es ist nicht die Größe vergangener Jahrhunderte, die die anderen Völker vergessen haben. Das, was die Völker der Welt uns zu Freunden wirbt oder zu Feinden zwingt, das ist die Qualität der deutschen Arbeit; der Arbeit, die aus ungebrochenem Lebenswillen ihre Impulse schöpft, die in deutscher Verstandesleistung ihre Qualität besitzt, die in zähester Gründlichkeit und altpreußischer Zucht, ihre unnachahmliche Ausführung erhält. Diese gemeinsame deutsche Arbeit zu feiern, haben wir uns hier in erhebend großer Zahl vereint.

Im Auftrag der National-Sozialistischen Deutschen Arbeiterpartei heiße ich Sie alle auf das herzlichste willkommen. Ich wünsche, daß Sie von aller Arbeit ruhend, ihr zur Ehre ein klassenversöhnendes, aufbaubereitendes Fest begehen. Ich fordere Sie alle auf, wenn der Festjubel verrauscht ist, aufzustehen zur großen Tat, vereint mit Hand anzulegen an das große Befreiungswerk, zu dem wir alle aufgerufen sind, damit deutscher Arbeitswille wieder Raum, deutsche Arbeitsleistung wieder einen Boden findet. Ich bitte Sie sich zu erheben und mit mir einzustimmen in den Ruf: Das arbeitende deutsche Volk, sein ehrwürdiger Reichspräsident, die Verkörperung deutscher Treue, der Kanzler Hitler, sein tatgewordener Aufbauwille, sie leben hoch, hoch, hoch!“

[Anbetung des Kampfzieles im Zeichen der Hakenkreuzfahne]
Mit Begeisterung folgte den Hochrufen das stehend gesungene Deutschlandlied.

Ein SA-Mann (Fritz Tigges) trug ein Gedicht nach eigener Fassung vor, das auf die Bedeutung des Tages hinwies. Recht anmutig wirkte der dann folgende Vortrag des Sprechchores des „Bundes Deutscher Mädchen. Das hohe Lied der Arbeit“ [sic]. Auch der Männergesangverein stand selbstverständlich mit im Dienste des Tages. Das von ihm entbotene Lied wurde mit sehr großem Beifall angenommen. In lautloser Stille lauschte dann die große Menschenansammlung der durch Lautsprecher übertragenen Rede des Herrn Reichskanzlers.

Nach der Uebertragung der Rede des Reichskanzlers sprach, nachdem eine SA-Mannschaft ihn zur Rednerbühne geleitet hatte, der in Brilon als ein alter Kämpfer für Nationale Bewegung bekannte Schulrat Dr. Schmeck. Wohl niemand in Deutschland habe es für möglich gehalten, daß der 1. Mai einmal ein Tag der nationalen Arbeit für das ganze Volk werden würde. Heute wehten Fahnen überall, die alten schwarz-weiß-roten, die neuen des wiedererwachten Deutschlands, in der roten Farbe ein Zeichen des Kampfes u. der Blutopfer, denen es zur Rettung der Nation bedurfte, in der weißen Farbe das Ziel des Kampfes anbetend, Schaffung eines sittlich, geistig, politisch und wirtschaftlich erneuerten Reiches, im Hakenkranz das Symbol sieghafter Auferstehung gebend. Frisches Maiengrün habe Straßen und Häuser geschmückt, ein Zeichen der Hoffnung, des Vertrauens, der beseligenden Maienfreude; leider habe uns unser großer Briloner Wald das frische Grün nicht schenken können. Einer sei immer und immer wieder genannt worden, von groß und klein, jung und alt, Männern und Frauen, von dem fast noch stammelnden Kinde als etwas nur geahntes Großes, von dem Geiste als Erfüllung eines heiß-gehegten Wunsches: der Name Adolf Hitler. Ein Bild sah man immer und immer wieder, sah es besonders schön am Briloner Rathaus: das Bild Adolf Hitlers. Ein Geist, eine Gesinnung, eine Tat scheine im ganzen Volke werden zu wollen, gelehrt von Adolf Hitler im Nationalsozialismus, der heute allein die Rettung unseres Volkes bringen könne. Ein Geist der Arbeit solle alle beseelen, der adelt, eint und führt. Vor uns stehe das herrliche Vorbild unseres Führers Adolf Hitler, von dem jeder Deutsche, besonders aber unsere leider vielfach so verderbte Jugend ein Vierfaches lernen könne: unbeugsame Willenskraft, nimmermüde, fleißige und ganze Tat, den Geist unerschrockenen Kämpfens und Ringens, den Geist kraftvollen, fruchtbaren Siegens über Hemmnisse aller Art. Ein Glück für uns sei es, daß auch in der Schule unseren Kindern endlich wieder einmal ein Vorbild solcher Art gezeigt werden könne. Innenpolitisch seien wir uns des großen Sieges Adolf Hitlers schon bewußt geworden. Wer könne wissen, welche außenpolitischen Wirkungen für Europa und die ganze Welt von der Idee und der Tat Adolf Hitlers unter Umständen ihren Ausgang nehmen könnten. In Brilon, wo der Kampf für die nationale Bewegung schwerer gewesen sei, sei der Tag der nationalen Arbeit würdig gefeiert worden; etwas derartiges habe die Stadt noch nicht erlebt. Beim nächstjährigen 1. Mai dürfe nicht ein Bürger mehr in Brilon sein, der nicht dem Führer im vereinten Deutschland willig, vertrauensvoll, mit aller Kraft mitwirkend folge. Mit einem vierfachen „Sieg Heil!“ auf die nationale Arbeit, auf das in der nationalen Arbeit geeinte Volk und auf den Führer Adolf Hitler schloß der Redner seine von Begeisterungsstarkem glühendem Empfinden getragenen Ausführungen. Stehend sang die große Festschar alle 4 Strophen des Horst Wessel-Liedes.

Nach dem Liede geleiteten SA-Leute den Redner zu seinem Platze zurück. Und nun endlich kamen auch diejenigen zu ihrem Recht, die sich am Feiertage der nationalen Arbeit auf ein Tänzchen gefreut hatten. Es war ein großes Gewoge in der Schützenhalle, das sich noch einige Stunden fortsetzte. Zurückschauend sagen wir: Alles hatte geklappt, alles war gut organisiert, alles tadellos durchgeführt.

Der 1. Mai 1933 war ein Tag der Volksgemeinschaft, an dem sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Hände reichten. Möchte eine solche Einmütigkeit, wie sie heute so offenkundig in Erscheinung getreten ist, das deutsche Volk stets beherrschen, namentlich, wenn es sich um die Interessen der Arbeiter und der Ehrung der deutschen Arbeit handelt. Wir geben der zuversichtlichen Hoffnung Raum, daß diese gewaltige Veranstaltung dazu beiträgt, die noch bestehenden Gegensätze zwischen den einzelnen Klassen und Ständen zu überbrücken, denn in dem neuen Deutschland soll es keinen Kastengeist mehr geben, sondern nur noch eine wahre Volksgemeinschaft, in der jeder in seinem Nächsten seinen Bruder sieht. Das walte Gott!““

* * *

Textdokumentation II:
Verabschiedung des Briloner Bürgermeisters im Jahr 1937

Der Briloner Bürgermeister Josef Paul Sauvigny, der 1933 Hitler hatte „Hoch, hoch, hoch“ leben lassen, trat 1937 in den Ruhestand. Bei seiner Verabschiedung bescheinigte ihm der Landrat, er habe sich nach der Machtergreifung der NSDAP „entsprechend seiner nationalen Gesinnung sofort eingeschaltet und sein Amt stets im nationalsozialistischen Geiste verwaltet“. Auch hier sei die einschlägige Zeitungsquelle dokumentiert:

„Sauerländer Zeitung:
Aus der Stadt.
Brilon, den 2. Juli 1937.

Bürgermeister Sauvigny nahm Abschied

Der am 1. Juli d.J. in den Ruhestand getretene Bürgermeister Sauvigny hatte am Abend des 30. Juni alle seine Mitarbeiter in der Stadt-, Forst- und Polizeiverwaltung zu einer Abschiedsfeier im Saale des Hotels zur Krone eingeladen. In einer herzlichen Begrüßungsansprache brachte er seinen Dank für die jahrelange treue Mitarbeit zum Ausdruck. Er wollte aber, bevor er scheide noch alle einmal um sich versammeln, die ihm stets mit Rat und Tat geholfen und mit denen er so gern zusammen gearbeitet habe. Nachdem er das Bürgermeisteramt mehr als 20 Jahre verwaltet, durch das Vertrauen seiner Mitarbeiter und der Bürgerschaft getragen, bat er, dieses Vertrauen auch seinem Nachfolger entgegenzubringen.

Oberstadtsekretär Martini hob hervor, daß der nunmehr Scheidende seit etwa 100 Jahren der zweite Bürgermeister der Stadt Brilon ist, der länger als eine Amtsperiode hindurch Bürgermeister war. Aber bei Herrn Sauvigny fiel diese doppelte Amtsperiode in eine besonders ereignisreiche und wechselvolle Zeit, die stets ganze Einsatzbereitschaft erfordere. Erst durch die Maßnahmen des dritten Reiches habe die Arbeit wieder Freude gemacht. So könne er heute das Amt unbesorgt in die Hand seines Nachfolgers übergeben. Es sei ihm eine Ehre, dem scheidenden Vorgesetzten den Dank der Beamten, Angestellten und Arbeiter der Stadtverwaltung auszusprechen. Die Zusammenarbeit mit ihm habe nie in einem Mißton geendet und der Bürgermeister dürfe versichert sein, daß er im Bedarfsfalle ruhig auf die Hilfsbereitschaft aller seiner Mitarbeiter zurückgreifen dürfe. – Weitere Trinksprüche wurden noch u.a. gehalten vom Stadtbaumeister Hellmold, der dem Bürgermeister seine Ernennung zum Ehrenmitgliede der Freiw. Feuerwehr bekanntgab, von Forstmeister Hötte, Gewerbelehrer Kannengießer u.a.m.

Auch Herr Landrat Schramm fand sich zu einem Abschiedsabend noch ein und betonte in einer Ansprache, daß Herr Bürgermeister Sauvigny eine ganz besonders schwierige Amtszeit zurückgelegt habe. Aber nach den schwierigen Zeiten habe er auch den Aufstieg noch miterleben dürfen. Nach der Machtübernahme habe er sich trotz seines vorgerückten Alters, entsprechend seiner nationalen Gesinnung sofort eingeschaltet und sein Amt stets im nationalsozialistischen Geiste verwaltet. Das sei sowohl von der Aufsichtsbehörde wie auch von der politischen Leitung durchaus anerkannt worden. Er spreche ihm dafür den Dank dieser Stellen aus und wünsche ihm noch einen langen Lebensabend in Brilon, als deren [sic] Mitbürger er sich auch ferner am öffentlichen Leben betätigen werde.

Es war eine schön und harmonisch verlaufene Feier im Geiste wahrer Volksgemeinschaft, die gleich ehrend für die Gefolgschaftsführer und Gefolgschaft war. Eine besondere Note erhielt das Fest durch das unerwartete Eintreffen und die Mitwirkung der Musikkapelle Dierkes, durch welche die glänzende Feststimmung naturgemäß noch eine Steigerung erfuhr.“

Kein Pausenbild: Wer ist das?

Grabsteine von Alexej Tschainiko und – na? (Photo von Hans Schiebener vom 2.1.2021)

„Wo ist Sensen-Willi?“ heißt ein Spiel in den Siedlinghauser Heimatstuben, und ich beginne hiermit mit einem neuen Spiel:

Wo ist Petr Glasurenko, geboren am 25.11.1915 in Lwow, gestorben am 3.10.1941 in Siedlinghausen, „Erkennungsmarke Nr. Stalag 326 Nr. 10913“, beigesetzt am 4.10.1941 auf dem Katholischen Friedhof?

Zu einfach?
Ist die Frage zu einfach oder braucht ihr einen Hinweis?

https://collections.arolsen-archives.org/archive/2-2-2-2_02020202-oS/?p=1&doc_id=76747240

https://collections.arolsen-archives.org/archive/76747239/?p=1&s=Glasurenko%20Petr&doc_id=76747239

https://obd-memorial.ru/html/info.htm?id=300144705

Weitere Informationen auf

https://www.schiebener.net/wordpress/siedlinghausen/

(http://www.hpgrumpe.de/ns_verbrechen_an_zwangsarbeitern_suttrop,_warstein,_meschede/Artikel_von_Nadja_Thelen-Khoder.pdf, Datei 241-250)

Nadja Thelen-Khoder
Jugend forscht im ITS (siehe Datei 182)

In Memoriam Frank Zappa – *21.12.1940 · †04.12.1993

Frank Zappa …

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Video-Link: https://www.youtube.com/watch?v=UD5y5SbQaos

.
» ‚Frank didn’t adhere to any movements‘: behind the Zappa documentary
The Guardian | 25.11.2020

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Video-Link: https://www.youtube.com/watch?v=U4F0rT0F6OQ&feature=emb_logo

Anmerkungen zu Peter Bürgers „Possenspiel um Lorenz Jaeger“ [1]

„Verschwörung“ ist ein diskreditiertes Wort, das meist nur noch als Kompositum „Verschwörungstheorie“ in Erscheinung tritt. Die Originalausgabe des Buches von 1995 heißt denn auch „Das Geheimnis der Ritter vom Heiligen Grabe“, und schon 2002 erschien dem Orbis-Verlag das Wort wohl „reißerischer“.

Der in Peter Bürgers Beitrag erwähnte „Ritterorden vom Heiligen Grab“ heißt genau „Orden der Ritter vom Heiligen Grab zu Jerusalem“, lateinisch „Ordo Equestris Sancti Sepulcri Hierosolymitani“, Ordenskürzel „OESSH“, und benennt auf seiner Internetseite http://www.oessh.net heute noch den Schlachtruf von 1099 als sein Motto: „Deus lo vult“ („Gott will es“).

(Artikel als PDF:  Anmerkungen zu Peter Bürgers Artikel Possenspiel)

Die deutsche „Statthalterei“ wurde im Dezember 1933 in Köln gegründet. Am 9.5.1954 wurde Friedrich August Freiherr von der Heydte zusammen mit Hans Filbinger von Lorenz Jaeger in Freiburg investiert; drei Jahre später war mein Freiherr [2] „Statthalter der deutschen Statthalterei“.

Seit 1951 war er im CEDI aktiv, war Mitglied der „Abendländischen Akademie“, Mitbegründer der Organisation „Rettet die Freiheit“ und neben sehr vielem anderen auch Professor für Völkerrecht sowie bayerisches Staatsrecht an der Universität Würzburg. Er war es auch, der durch seine Anzeige wegen „Landesverrat“ die „Spiegel-Affäre“ genannte Staatsaffäre auslöste, daraufhin von seinem Verteidigungsminister zum Brigadegeneral der Reserve ernannt wurde und den dann wegen seiner Lügen „zurückgetretenen“ Franz-Josef Strauß ein Jahr später mit nach Spanien nahm, wo er vor Franco und vielen anderen „katholischen“ Militärs und ihrer Regierungen im CEDI über „Europa in der NATO“ sprach.

Immer, wenn ich jemanden auf das „Centro Europeo de Documentación e Información (CEDI)“ anspreche, ernte ich fragende Blicke – selbst in Spanien, wo seine Mitglieder sich alljährlich mit Vorliebe im Escorial (!) und im Vaille le los Caídos versammelten – , und auch Friedrich August Freiherr von der Heydte ist wenigen Demokraten bekannt. Wie ist das möglich, bei solch geballter Macht, bei solchen Versammlungen der Mächtigen an solchen Orten?

Lorenz Jaeger war von 1950 bis 1965 Großprior der deutschen Statthalterei der Ritter vom Heiligen Grab zu Jerusalem, Friedrich August Freiherr von der Heydte von 1958 bis 1965 der Statthalter der Deutschen Statthalterei. 1965 wurde Lorenz Jaeger Kardinal. Der Freiherr zeigt in seinen überaus lesenswerten Memoiren „Muß ich sterben, will ich fallen“ – gewidmet „Dem Vorkämpfer für die Einheit eines christlichen Europas Dr. Otto von Habsburg in Treue und Ergebenheit“ (Otto von Habsburg war als letzter Thronerbe Ehrenvorsitzender des CEDI auf Lebenszeit) – auch das Photo „Im Gespräch mit Kardinal Jäger, dem früheren Erzbischof von Paderborn, in Rom“. Der Freiherr veröffentlicht seine Lebenserinnerungen zur „Spiegelaffäre“, der Geburtstagsfeier mit Franz-Josef Strauß in Angola, seiner Lehrtätigkeit in Südafrika u.v.a.m. 1987 und erhält im gleichen Jahr das Bundesverdienstkreuz. Viele andere Photos sind auch darin, z.B. „Der griechische Koordinationsminister, Oberst N. Makarezos, begrüßt meine Frau und mich zu einem Dinner der ,Auberge’ am 28.5.1970 in Athen“ und „Der Sohn Tschiang Kai-scheks, Oberbefehlshaber der National-Chinesischen Armee, bei einer Parade zu meinen Ehren“.

„Anmerkungen zu Peter Bürgers „Possenspiel um Lorenz Jaeger“ [1]“ weiterlesen

Umleitung: vom Lörmecke-Turm zu Politik und Kultur. Satire, Drohungen, Frust und Versagen.

Am Lörmecke-Turm. Hier war mal viel Wald.

Der schmale Grat bei Springer: Spätestens seit „Der Pate“ weiß das jeder: Es gibt Angebote, die kann man einfach nicht ablehnen … charly&friends

Vor 40 Jahren: Antisemitischer Doppelmord … bnr

Mehr als nur eine Drohung! „Ich bin immer noch schockiert über das Geschehene. Erlebt habe ich schon viel an persönlichen Bedrohungen, aber das was ich jetzt schildern werde ist die aktuelle Spitze an Hass auf und gegen mich“ … gedankensplitter

Stadtteilgeschichte und Kultur: Projekt „Wege der Zuwanderung“ zeigt in der Nordstadt, wie kulturelle Vielfalt Dortmund über die Jahrzehnte geprägt hat … nordstadtblogger

Es steht ’ne Waschmaschine vor der Tür – und: Der Ein-Mann-Schwertransport. Zwei kurze Geräte-Geschichten … revierpassagen

Und Nachts kommen die Ratten: „Sorry, ich muss mal Frust los werden. Heute tagt in Voerde der Stadtrat“ … unkreativ

Kreisausschuss statt Kreistag im Hochsauerland: Kreisverwaltung im digitalen Lockdown? … sbl

Possenspiel um Lorenz Jaeger
Wie in Paderborn die kirchliche Beihilfe für den Vernichtungskrieg „aufgearbeitet“ wird

„Herr, dir ist nichts verborgen. Du schaust mein Wesen ganz.
Das Gestern, Heut und Morgen wird hell in deinem Glanz.
Du kennst mich bis zum Grund; ob ich mag ruhn, ob gehen,
ob sitzen oder stehen, es ist dir alles kund.“
Maria Luise Thurmair (1971), nach Psalm 139

(Gastbeitrag Peter Bürger, siehe auch hier im Blog: Kontroverse um Lorenz Jaeger erst am Anfang)

In den Jahren 1941-1944 ist der vormalige Wehrmachtsseelsorger und spätere Kardinal Lorenz Jaeger (1892-1975) als Erzbischof von Paderborn mit glühenden Kriegsvoten hervorgetreten. Im Jahr 2015 beantragte deshalb die Fraktion Demokratische Initiative Paderborn (DIP) im Rat der Bischofsstadt, den Namen des Kardinals aus der Liste der Ehrenbürger zu streichen. Auf Wunsch des damals schon schwerkranken Linkskatholiken Prof. Arno Klönne († 4. Juni 2015) übernahm ich die theologische Beratung der DIP, gestützt in erster Linie auf die bis heute maßgebliche Studie „Hirten unter Hitler“ (1999) von Wolfgang Stüken. Kommunalpolitisch war der Initiative für eine neues Geschichtsgedächtnis im öffentlichen Raum zunächst kein Erfolg beschieden. Doch der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker kündigte plötzlich eine wissenschaftliche Erforschung der Amtszeit Jaegers an.

Mein Lob für diese Antwort der vermutlich reichsten Diözese des Erdkreises war verfrüht (bzw. naiv). Prof. Nicole Priesching (Universität Paderborn) übernahm die Leitung eines umfangreichen Forschungsprojekts, doch ausgerechnet das Teilgebiet der NS-Jahre wurde durch einen Auftrag an die gleichsam bischofseigene Theologische Fakultät ausgelagert. Das Ergebnis liegt seit diesem Jahr vor.[1] Wissenschaftler, die einem pazifistischen Ansatz folgen oder in der kritischen Katholizismus-Forschung hervorgetreten sind, wurden nicht beteiligt. Ein 13 Monate zuvor erschienener aktueller Jaeger-Beitrag[2] aus meiner Werkstatt bleibt ganz unberücksichtigt. Gleichwohl lässt mich der Herausgeber, der offenbar keinerlei Verantwortung für die Konzeption des Werkes übernehmen möchte, in einem Brief vom 18.08.2020 wissen: „Ihren Thesen zu L. Jaeger wird [in unserer Studie] vehement widersprochen; nach Aussagen der Historiker sind sie wissenschaftlich nicht haltbar.“ Das Online-Portal katholisch.de meldet dann zur Bistumsstudie sinnig. „Kardinal Jaeger war weder Nazi noch Widerstandskämpfer.“ Die Münsterische Kirchenzeitung ergänzt: „Die Forderungen [der beteiligten Professoren] richten sich vor allem an den Publizisten Wolfgang Stüken […] und den Theologen Peter Bürger.“

Mit Wolfgang Stüken oder mir hat trotz dieser „hohen Ehre“ kein kircheneigenes Medium gesprochen. Um das neue Bistumsbuch richtig würdigen zu können, müsste die lange Liste der unbequemen Sachverhalte und Bischofsworte, die in ihm auf 466 Seiten ganz ausgespart bleiben, zur Kenntnis genommen werden. Die apologetische Strategie ist offenkundig: Den Kritikern wird unterstellt, sie betrachteten Lorenz Jaeger als einen nationalsozialistischen, braunen Bischof. Diese These, die allerdings niemand vorgetragen hat, lässt sich relativ leicht entkräftigen. Hernach braucht sich keiner mehr eingehend mit den nationalistischen und militaristischen „Hirtenworten“ zu beschäftigen.

Selbst im kritischsten Beitrag der ganzen Bistumsstudie wird der Leserschaft suggeriert, vom rassenideologischen Ansatz des NS-„Antibolschewismus“ sei die „katholische“ Position zweifelsfrei zu unterscheiden gewesen.[3] Dies ist mit einem Riesenfundus an Quellen, darunter das berüchtigte Gröber-Handbuch (Eintrag „Bolschewismus“), in keiner Weise zusammenzureimen. Jaeger selbst bediente sich antisemitischer Vorlagen, als er im Februar 1942 predigte: „Ist jenes arme unglückliche Land nicht der Tummelplatz von Menschen, die durch ihre Gottfeindlichkeit und durch ihren Christushass fast zu Tieren entartet sind? Erleben unsere Soldaten dort nicht ein Elend und ein Unglück sondergleichen? Und warum? Weil man die Ordnung des menschlichen Lebens dort nicht auf Christus, sondern auf Judas aufgebaut hat.“

Für mehr als 20 Millionen zivile Sowjetbürger*innen (darunter fast drei Millionen Juden, zigtausende Sinti und Roma) sowie zahllose sowjetische Kriegsgefangene, ermordet durch deutsche Waffenträger beim Feldzug gen „Osten“, und alle Opfer der von Adolf Hitler befehligten Militärmaschinerie war es nicht von Belang, welcher Konfession die christlichen Assistenten des NS-Vernichtungskrieges auf der Kirchenleitungsebene, in Redaktionsstuben, auf Lehrstühlen oder in den Truppen angehörten, ob sie Nationalsozialisten, Deutschnationale (oder/und) Deutschchristen, Bekennende Lutheraner oder Reformierte, Orthodoxe, Katholiken, Ultramontane, Modernisten oder was auch immer waren. An den massenmörderischen Ergebnissen der Kriegsbeihilfe änderte sich durch die unterschiedlichen ‚konfessionellen Neigungen‘ der Mitwirkenden nämlich rein gar nichts. Gerade wenn wir uns nur auf das Feld der kriegsrechtfertigenden und kriegsertüchtigenden Bischofspredigt konzentrieren, bleibt es – mitnichten nur aus pazifistischer Perspektive – unvermeidbar, Lorenz Jaeger eine „Stufe der Kollaboration“ im 3. Reich zu bescheinigen.

Die neue Jaeger-Studie des Erzbistums Paderborn – finanziert durch die Beiträge aller Getauften – ist auf Bistumskosten sogleich auch kostenfrei an alle (800) Kleriker der Diözese versandt worden. Mit großer Leidenschaft versucht Prof. Dr. Joachim Kuropka in dem Auftragswerk, alle kritischen Arbeiten als unwissenschaftlich abzutun und hierbei der Leserschaft u.a. Veröffentlichungen vorzuenthalten, die z.B. auch bei der Nationalbibliothek oder durch Internetrecherche leicht zu ermitteln sind. Wie er sich an den erschütternden Erkenntnissen aus Wolfgang Stükens Standardwerk von 1999 abarbeitet, wirkt auf mich persönlich wie eine schlechte Komödie.

Ein Beispiel sei genannt: 1943 geht es auf der letzten Fuldaer Bischofskonferenz darum, im Sinne des Ordensausschusses und Konrad v. Preysings Solidarität mit jenen zu bezeugen, die mit uns „nicht eines Blutes“ sind. Lorenz Jaeger aber predigt stattdessen vor Tausenden im Fuldaer Dom, die deutschen Bischöfe seien mit ihren deutschen Schwestern und Brüder durch ein gemeinsames Band des Blutes verbunden (sowie: „Deutschland muss leben, auch wenn wir sterben müssen!“). J. Kuropka will diese Passage mit dem terminus technicus für „Arier“ entkräften, indem er aus einer 2 Jahre zurückliegenden Kinderkatechese (!) des Bischofs die Aufforderung zitiert, alle Menschen zu lieben. Sein Fazit zu Jaegers Amtsführung während des Vernichtungskrieges lautet allen Ernstes: „Zusammengefasst: Er hat es gut gemacht.“ (Seite 326)

Schon im Fall der militaristisch-nationalistischen Kriegsvoten des Münsterischen Bischofs Graf von Galen hat J. Kuropka sein apologetisches Verfahren angewandt und u.a. am 7. Oktober 2005 in einem Interview „Seelsorger und Patriot“ mit der Wochenzeitung „Junge Freiheit“, dem Sprachrohr der neuen Rechten, zum Besten gegeben. Es gibt keine explosive Originalquelle, die dieser Zauberer aus Vechta nicht entschärfen könnte. Er gehört übrigens wie ehedem Lorenz Jaeger dem Ritterorden vom Heiligen Grab, der nach dem 2. Weltkrieg – in enger Tuchfühlung mit Gleichgesinnten aus Franco-Spanien – eine demokratiefeindliche „Abendland-Ideologie“ propagierte.

Einen seiner Gipfelpunkte erreicht dieser katholische Historiker, wenn er neben W. Stüken und dem Krankenpfleger theol. P. Bürger den von Lorenz Jaeger zum Priester geweihten und zuletzt vom Bistum Essen gewürdigten Theologieprofessor Heinrich Missalla (1926-2018) verunglimpft (Wortlaut: „… die bekannten Kirchenkritiker Missalla und natürlich der ‚Spiegel‘“; „Stüken kann mit seiner Arbeit in die Reihe einer bestimmten Spezies von Kirchenkritikern wie Denzler, Missalla, Mynarek und Deschner eingeordnet werden“). H. Missalla besuchte nach seiner Zeit als jugendlicher Soldat das von Franz Stock geleitete „Stacheldrahtseminar“ in Chartres, war ein Pionier der katholischen pax christi-Bewe­gung und hat als Theologe schon seit den 1960er Jahren das Feld „Kirche und Weltkrieg“ erforscht. Bezeichnenderweise wird kein einziges seiner wegweisenden Bücher[4] zu diesem Thema im Literaturverzeichnis der neuen Bistumspublikation aufgeführt.

In einem empfehlenswerten Reclam-Band „Die Wehrmacht“ (2019) der Bundeswehr-Historiker Michael Epkenhans und John Zimmermann kann heute jeder „Laie“ den Schauplatz kennenlernen, auf dem die deutschen Hirten einen Kampf ihrer Gläubigen bis zum letzten Tropfen Blut wünschten. Im Sinne eines Offenen Briefes[5], den Heinrich Missalla kurz vor seinem Tod verfasste, hat die Bischofskonferenz in diesem Jahr endlich ein Schuldbekenntnis zur Kriegsbeihilfe der deutschen Bischöfe ab 1939 vorgelegt.[6] In eklatantem Gegensatz zu den Erläuterungen des Vorsitzenden der Bischofskonferenz verfolgt die Auftragsstudie des Erzbistums Paderborn jetzt auf den allermeisten Seiten noch das Kirchenverteidigungs-Muster des letzten Jahrhunderts.[7] Was versprechen sich die Verantwortlichen an der Pader von solchem Anachronismus?

Wolfgang Stueken ist infolge der kirchensteuerfinanzierten Jaeger-Apologie vor einigen Wochen aus der „Körperschaft Kirche“ ausgetreten. Magdalene Bußmann hat u.a. wegen der Passagen zu ihrem verstorbenen Ehemann Heinrich Missalla einen von vielen Christen namentlich unterstützten Brief an den Erzbischof von Paderborn geschrieben und als Antwort ein wirklich nichtssagendes Schreiben des Buch-Herausgebers erhalten.

Die Blindheit und Schwerhörigkeit der Paderborner Apologeten sind frappierend. Mit riesigem Aufwand hat man den Nachlass gesichtet und auch eine Rekonstruktion von Jaegers Bibliothek versucht. Doch alle auffindbaren Spuren reduzieren sich auf einige Dutzend Blätter, ohne dass die kirchengenehmen „Jaeger-Forscher“ das irgendwie auffällig finden. Insbesondere konnte kein Dokument mit deutlicher Kritik des katholischen Erzbischofs am deutschen Faschismus aufgefunden werden.

Für die seriöse Forschung gibt es, z.T. versteckt in den Fußnoten, aber doch einige neue Erkenntnisse. Der Kreis der NS-Täter und weltanschaulichen Kollaborateure, für die Jaeger sich ab 1945 eingesetzt hat, fällt deutlich größer aus als bislang angenommen. Ein echtes Alleinstellungsmerkmal von Lorenz Jaeger im Kollegium der Ortsbischöfe ist seine positive Einstellung zu Feldbischof Justus Rarkowski, dessen Verehrung von Adolf Hitler nicht einmal die konservativsten Forscher in Frage stellen oder gar rechtfertigen. Das Märchen, Lorenz Jaeger selbst sei wegen Regime-Kritik 1939 förmlich in die Militärseelsorge geflüchtet, lässt sich mit dem neuen Quellenstand übrigens nicht stützen.

Zu den grundlegenden bürgerlichen Kulturtechniken, die wir im Zeitalter der Fake-News besonders hochschätzen sollten, gehört das Lesen von Primärquellen (dies sind bei unserem Thema in erster Linie keine Geheimdokumente, sondern: Kirchliche Amtsblätter u.ä.). Mit der römisch-katholischen Apologetik zu disputieren, ist hingegen fast immer vertane Zeit, denn diese ist trotz gelehrter Maskerade eine Spielart von Fundamentalismus. Mit Blick auf das traurige Gedenken 22.6.1941 – 22.6.2021 wollen wir im Aufklärungs- und Editionsprojekt „Kirche & Weltkrieg“ (https://kircheundweltkrieg.wordpress.com/) vor allem auch Voten der Kirchenleitungen zugunsten des Rasse- und Vernichtungskrieges für jede/n leicht zugänglich machen. Wer das Projekt durch Textspenden – vorliegende Forschungsbeiträge, bereits erfasste Quellen oder Schreibarbeiten – unterstützen möchte, kann sich an den Verfasser dieses Beitrages wenden. Speziell auch für das Erzbistum Paderborn werden bezogen auf die Zeit des 2. Weltkrieges noch weitere Abgründe zu vermitteln sein, die schon aus der Zeitschrift der Theologischen Fakultät und der Kirchenzeitung „Leo“ zusammengetragen worden sind. Es bleibt dabei: Wer lesen kann, erfährt mehr.

Anmerkungen:

[1] Josef Meyer zu Schlochtern / Johannes W. Vutz (Hg.): Lorenz Jaeger. Ein Erzbischof in der Zeit des National­sozialismus. Münster: Aschendorff 2020.

[2] Zuerst als Beitrag zum Sammelband „Im Sold der Schlächter“ (2019), ISBN 978-3-7481-0172-7. Vgl. inzwischen den frei abrufbaren digitalen Sonderdruck „Lorenz Jaeger – Kriegsbischof der deutschen Blutsgemeinschaft“ (https://www.ikvu.de/fileadmin/user_upload/IKvu_Sonderdruck_Lorenz_Jaeger_2020-08-07.pdf ).

[3] Vgl. viel ausführlicher in der ersten Stellungnahme/Rezension „Bistums-Studie zu Lorenz Jaeger“ vom 8.9.2020 (http://upgr.bv-opfer-ns-militaerjustiz.de/uploads/Dateien/Links/pb-zu-jaegerstudie20200908.pdf )

[4] „Gott mit uns“. Die deutsche katholische Kriegspredigt 1914-1918. München 1968; Für Volk und Vaterland. Die Kirchliche Kriegshilfe im Zweiten Weltkrieg. Königstein 1978; „Wie der Krieg zur Schule Gottes wurde“. Hitlers Feldbischof Rarkowski. Oberursel: Publik 1997; Für Gott, Führer und Vaterland. Die Verstrickung der katholischen Seelsorge in Hitlers Krieg. München 1999; Erinnern um der Zukunft willen. Wie die katholischen Bischöfe Hitlers Krieg unterstützt haben. Publik-Forum 2015.

[5] Zugänglich auch in: https://www.lebenshaus-alb.de/magazin/media/pdf/Arbeitshilfe_Bisch%C3%B6fe_und_Hitlerkrieg.pdf

[6] Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.): Deutsche Bischöfe im Weltkrieg. Wort zum Ende des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren. Bonn 2020. https://dbk.de/fileadmin/redaktion/diverse_downloads/presse_2020/2020-075d-DB_107-Deutsche-Bischoefe-im-Weltkrieg.pdf

[7] Vgl. zu Verlauf, Kontroversen und Erkenntnissen der Forschung: Olaf Blaschke, Die Kirchen und der Nationalsozialismus. Stuttgart: Reclam 2014.

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Mit freundlicher Genehmigung des Netzwerkes IKvu und des Verfasser aus: Ökumenisches Netzwerk Initiative Kirche (Hg.): Querblick 40 (Dezember 2020), S. 31-34.

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Peter Bürger, geb. 1961 (Eslohe/Sauerland), Kriegsdienstverweigerer (Zivildienst), Theologiestudium in Bonn, Paderborn, Tübingen (Diplom 1987), examinierter Krankenpfleger, psycho-soziale Berufsfelder, ab 2003 freier Publizist (Düsseldorf, www.friedensbilder.de). Seit dem 18. Lebensjahr Mitglied der internationalen katholischen Friedensbewegung pax christi, später auch: Versöhnungsbund, DFG-VK, Solidarische Kirche im Rheinland. Mitarbeit im Ökumenischen Institut für Friedenstheologie.

Pausenbild: Funkturm, Covid-19, Brandenburgische Konzerte, Tago Mago und Amos Oz – und was macht ihr so im Lockdown?

Der Funkturm auf dem Kreuzberg in Winterberg

Ich verrate jetzt, was ich im kommenden Lockdown anders mache als in den vorangegangenen Wochen und Monaten: Nichts.

Nach wie vor gehöre ich zu den „Drosten-Ultras“ (Vorsicht, grobschlächtige Ironie!), führe ein sozial verarmtes Leben und treffe auf meinen Spaziergängen meist Fichten, lebendig (grün) oder tot (braun).

Trotz aller Unkenrufe in den Lebensberatungsspalten funktioniert unser Familienleben weiterhin gut. Klar, ich vermisse Cafés, Großstädte, Reisen, Restaurants, Musseen, Theater, Konzerte, Freunde und das Schwimmbad. Klar, ich ärgere mich über die Politiker*innen, die den Menschen Lockerungen über die Weihnachtsfeiertage versprochen hatten, wenn sie nur ihren sogenannten „Lockdown Light“ mitmachten. Klar, die Kultusminister*innen habe es verstanden, den Föderalismus ins Lächerliche zu ziehen.

Der faschistoide Charakter der sogenannten „Querdenker-Bewegung“ zeigt erschreckend, wie viel Dummheit und Hass in Deutschland wieder möglich sind. Wir brauchen gar nicht mit dem Finger auf Trump zu zeigen und uns über „die USA“ lustig zu machen.

Ich leide unter Covid-19-Lockdown-Ermüdung und muss doch noch ein paar Monate durchhalten und alles dafür tun, aber auch hoffen, dass das Virus mich nicht erwischt. Wie viel Glücksspiel ist dabei? Risiko-Gruppe, kein gutes Gefühl.

Derweil lege ich Scheiben aus der Studentenzeit auf, Brandenburgische Konzerte, Tago Mago kunterbunt durcheinander. Wer hat eigentlich die Unterscheidung zwischen E- und U-Musik erfunden?

In Amos Oz Autobiografie und Familiengeschichte, A Tale of Love and Darkness, lerne ich einiges über die Kultur und (Vor-)Geschichte Israels, jüdische Geschichte, Shoa, Holocaust. Es hat gedauert, bis ich mich hineingelesen hatte. Viele Namen, Familienmitglieder, Generationen, Länder und Kulturen, aber mit der Gründung des Staates Israel hat es mich jetzt auch emotional gepackt. Amos Oz‘ Buch – eines der Freunde, die jahrelang geduldig auf dich im Bücherregal warten, bis ihr Augenblick gekommen ist. Habt ihr auch solche Bücher?

„Aumgn“ singt Kenji ‚Damo‘ Suzuki auf der dritten Seite der Doppel-LP. Das Schlagzeug-Solo setzt ein. Ich bin dann mal weg.

Umleitung: Vom Lügengebäude von Polit-Architekten bis zu Moden und Marotten im Journalismus

Dezembernachmittag

Lügengebäude von Polit-Architekten: Warum The „Real Donald Trump“ irreal ist … endoplast

Länderchefs: Hilflos – Es ist nicht selbstverständlich, dass in Deutschland Probleme zur Kenntnis genommen werden … postvonhorn

Querdenken in Düsseldorf: Kessel für Hogesa-Anhänger … bnr

Warum die Hirnforschung den Menschen nicht erklären kann: Um die noch um das Jahr 2010 als neue Superwissenschaft vom Menschen gefeierte Hirnforschung ist es auffällig still geworden … scilogs

Ein historischer Wahl-o-Mat zur Reichstagswahl 1919: ein wirklich wunderbares Tool, um in die Parteienlandschaft der Weimarer Republik einzusteigen … schmalenstroer

Moden und Marotten im Journalismus: Themen verstecken – So gehen (manche) Schlagzeilen heute … revierpassagen

Dezember 1970: Van der Graaf Generator veröffentlicht „H to He, Who Am the Only One“-LP

H to He, Who Am the Only One ist das dritte Album der Progressive-Rock-Band Van der Graaf Generator.

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Video-Link: https://www.youtube.com/watch?v=XQR6e_wpeiY

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Kurz: Ich mag die Scheibe sehr. Sie steht seit Dekaden in der „für die Insel“-Abteilung des heimischen Vinyl-Regals.

Zum „Volkstrauertag“ – Der Prozeß in der Siedlinghausener Schützenhalle

Beschriftung in einer Sauerländer Schützenhalle: „Glaube. Sitte. Heimat.“
Diesem Leitspruch folgt der Sauerländer Schützenbund. (foto: zoom)

„Die Zwangsarbeiter/innen wurden in allen notwendigen Bereichen eingesetzt, in der Waffenproduktion, in der Landwirtschaft und – wie in Siedlinghausen – auch in Steinbrüchen.

(Auszug aus dem aktuellen Recherchebericht, insgesamt 28 Seiten.)

In einem der beiden Steinbrüche behandelte man die jungen Menschen laut mehrerer Zeugenaussagen so schlecht, dass sie an den Strapazen früh verstarben oder auf der Flucht erschossen wurden. Die Menschenverachtung ging sogar so weit, dass man sie außerhalb des Dorfes in der Nähe der Müllkippe verscharrte. Ihre sterblichen Überreste wurden erst später auf dem Friedhof in einem eigenen Gräberfeld beigesetzt.“

Zunächst war ich nicht sicher, ob er vielleicht einen anderen Friedhof meinte und habe ihn gefragt. Aber mit „außerhalb des Dorfes in der Nähe der Müllkippe“ meinte er den „Friedhof Röbbecken“.

„Laut mehrerer Zeugenaussagen“ – was mögen das für „Zeugen“ gewesen sein? Wo haben Menschen „Aussagen“ zum Steinbruch der „Fa. Krämer & Co.“ gemacht?

Carl Caspari schreibt in „Unser Dorf Siedlinghausen“: „Im Jahr 1948 fand ein großer Prozeß gegen Dietrich Krämer, wohnhaft in Dortmund, in unserer Schützenhalle statt. Die Gerichtsverhandlung gegen ihn und noch einige andere Männer war am 20.6.1948 in der Schützenhalle. Die Verhandlung wurde von dem englischen Militärgericht aus Arolsen geleitet. Aber wie dieser Prozeß endete, konnte ich leider nicht mehr in Erfahrung bringen.“

Nun muß natürlich nicht alles stimmen, was geschrieben steht. So schreibt Carl Caspari in „Unser Dorf Siedlinghausen“ auch: „Auf dem Viehfriedhof wurde bei 4 russischen Soldaten kein Name auf die Holztafel geschrieben, auch der Sterbetag ist unbekannt. Die Toten hatte man wohl, kurz bevor die beiden Gefangenenlager aufgelöst wurden, dort eingegraben. Den Verantwortlichen blieb sicher keine Zeit mehr, die Gräber zu registrieren und eine Holztafel mit Namen aufzustellen.“

Und diese vier „Unbekannt“ sind es ja nun nicht mehr – waren es eigentlich nie -, und sie starben am 4.12.1941 (Stepan Üschakow, geb. 28.3.1914), am 2.2.1942 (Andrej Borodanow, geb. 30.4.1918), am 16.5.1942 (Kiril Nowikow, geb. 26.4.1920, gestorben am gleichen Tag im gleichen „Arbeitskommando“ „tot aufgefunden“, an dem Iwan Safronow „auf der Flucht erschossen“ wurde) und am 8.12. (oder – laut Sterbeurkunde – am 24.12.) 1942 (Karapet Tschuwadjan, geboren 1904).

Aber auch Franz Mickus spricht von „Zeugenaussagen“, und „ein großer Prozeß gegen Dietrich Krämer … in unserer Schützenhalle … am 20.6.1948 … von dem englischen Militärgericht aus Arolsen geleitet“ ist eine sehr konkrete Spur, zu der manche Dokumente der „Arolsen Archive“ passen, in denen von „Murder and mistreatment of forced laborers and Allied POW’s in Germany“ and „Place of Offence: Siedlinghausen, Germany. Date: 1941-1944. Offence: Murder of Russian Ps/W.“ geschrieben ist.

In einem Dokument stehen besondere Hinweise auf die Anzahl und die Namen der Toten:

„He remembers five Russians buried in the town-cementery and some twenty-four buried in the field, two of which were sent up from a firm Huttemann in Olsberg. (An actual count of the graves on the field gave a total of twenty-six or twenty-seven, therefore thirty-one or thirty-two graves altogether.) The names of the buried PW’s and the dates of their death can be ascertained at the Police Administration in Bigge.“

Und so stellt sich mir wieder die Frage: Was bedeutet die 26. Angabe in der Friedhofsliste zum „Friedhof Röbbhecken“ von 1970, die vorne „25 Gräber“ angibt, und was ist mit diese Lücke zwischen den Grabsteinen von „Sabronow“ und „Boltutschow“?

Und so ist es für mich höchst wahrscheinlich, daß es stimmt, was Carl Caspari in „Unser Dorf Siedlinghausen“ schrieb:

„Im Jahr 1948 fand ein großer Prozeß gegen Dietrich Krämer, wohnhaft in Dortmund, in unserer Schützenhalle statt. Die Gerichtsverhandlung gegen ihn und noch einige andere Männer war am 20.6.1948 in der Schützenhalle. Die Verhandlung wurde von dem englischen Militärgericht aus Arolsen geleitet. Aber wie dieser Prozeß endete, konnte ich leider nicht mehr in Erfahrung bringen.“

Zwar ist sein Buch ja von 1999 und unter den o.a. Dokumenen ID 120848333 120848335 der „Arolsen Archigves“ steht „Declassified per Executive Order 12356, Section 3.3, NND 775032 by RB/Brust NARA, Date Jan. 21, 1993“. Aber erst seit wenigen Monaten werden die Dokumente online gestellt, und so konnte Carl Caspari vieles wohl noch nicht „in Erfahrung bringen“.

Heute ist vieles anders als noch bis vor ein paar Jahren. Am schönsten und kürzesten sagt es die Direktorin Floriane Azoulay: „Es kann doch nicht sein, dass nach 75 Jahren immer noch so viele Namen nicht digital erfasst sind. Die Archive gehören uns nicht, die Namen müssen raus in die Welt!“

[…]

Alles lesen, mit Bildern, Anmerkungen und Quellenverweisen (28 Seiten PDF)