Bericht über einen gelungenen Theaterabend: Macbeth im Hamburger Thalia Theater

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Thalia Theater in Hamburg (fotos: chris)

„Das Leben … ein Märchen ist es, erzählt von ’nem Idioten voll Schall und Wut, ganz ohne Sinn“,
so spricht Macbeth in der Übersetzung von Thomas Brasch.

Der siegreiche, aber  traumatisierte Krieger Macbeth  kehrt aus der Schlacht zurück. Er steht unter Schock, ist apathisch, dann entschlossen, wieder unsicher, ängstlich, weinerlich, er wütet und immer wieder mordet er oder lässt morden.

Der Bühnenboden des Thalia-Theaters ist übersät mit Armeestiefeln, sie mahnen an tote, verletzte und verstümmelte Soldaten. Vertikal hängen in der gesamten Höhe des Bühnenraums Tische in unterschiedlichen Brauntönen, aneinander gebunden. Symbole für Freude, Feiern und Glück.

Macbeth und seine Frau Lady Macbeth sind auf der Suche nach Liebe und Sicherheit, doch stattdessen geraten sie in eine Abwärtsspirale von Gewalt und Mord. König, Gattin und Kinder des Thronfolgers werden ebenso geschlachtet wie der Freund. Obwohl die Morde auf der Bühne nicht sichtbar sind, werden sie durch die Beschreibung der Zeugen vorstellbar und die emotionale Konsequenz der Gewalttaten ist sehr gegenwärtig.

Statt Liebe und Sicherheit finden die beiden Protagonisten Wahnsinn, Einsamkeit und Tod. Statt Macht und Unsterblichkeit zu gewinnen, verlieren sie alles. Ein Tyrann weniger, dem ein neuer, beliebiger Tyrann folgen wird.

In dieser eindrucksvoller Inszenierung von Luk Perceval im Hamburger Thalia Theater spürt der Regisseur den Motiven des ungleichen Paares nach. Was treibt sie zu ihren Taten? Die Schauspieler rücken die Kinderlosigkeit sowie die Angst von Macbeth und Lady Macbeth in den Mittelpunkt.

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Plakat mit Macbeth (Bruno Cathomas) und Lady Macbeth (Maja Schönen)

Hexen, Witches, Schicksalsschwestern

Shakespeares Three Witches bringt Perceval nicht auf die Bühne. Wenn nötig werden deren Worte von Banquo oder Lennox gesprochen. Dadurch entsteht der Eindruck, als seien die Einflüsterungen von Shakespeares weird sisters dem Denken und Wünschen von Macbeth entsprungen und nicht von außen an ihn herangetragen worden. So sind es nicht übernatürliche Kräfte, die Macbeths Machthunger anstacheln. Er selbst wünscht sich weitere Titel. Er selbst strebt die Königskrone an und räumt etwaige Hindernisse aus dem Wege.

Anstelle der drei Hexen stehen im Thalia Theater sieben „Schicksalsschwestern“ auf der Bühne, die sich im schattigen Hintergrund der Bühne langsam, ganz langsam bewegen. Nur wenig Licht fällt auf die unbekleideten Schönen, die nur teilweise vom Schatten und ihrem sehr langen Haar bedeckt werden. Sie strecken und recken Arme und Beine, kauern sich zusammen, sie krallen sich fest, schleichen, kriechen, hocken im Halbdunkel.

Die nackten Frauen erinnern an Roman Polanskys Verfilmung. Dort monologisiert die dem Wahnsinn verfallene Lady Macbeth nackt bei Kerzenschein in ihrem Zimmer. Auch sie wird lediglich durch ihr überlanges Kopfhaar verhüllt.

Das Ende

Leise, aber in dieser ruhigen Umsetzung besonders beeindruckend und dramatisch wird der Tod von Lady Macbeth in den Armen ihres Mannes dargestellt. Genial gelungen ist außerdem der Marsch des Waldes von Birnam auf die Höhen von Dunsinane.

Die Aufführung im Thalia Theater dauert kurzweilige 1 3/4 Stunde, das Stück ist stark verdichtet, die Dialoge und Monologe besitzen eine hohe Intensität. „Macbeth“ im Hamburger Thalia Theater ist für Augen, Ohren, Herz und Verstand ein großartiges Erlebnis. Der Besuch ist unbedingt empfehlenswert und am Ende ist es ja nur a tale told by an idiot, full of sound and fury, signifying nothing.

Hier werden Sie abgezockt: Pinkeln am Dammtor Bahnhof in Hamburg

Wir berichteten vor einiger Zeit über die Wucherpreise für die Nutzung öffentlicher Toiletten im Bahnhof Dortmund. Noch besser abgezockt werden Sie jedoch am Bahnhof Dammtor in Hamburg:
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Weihnachtlich geschmücktes WC-Center der Deutschen Bahn am Dammtor Bahnhof in Hamburg (foto: chris)

Wer diese optisch einladende und festlich dekorierte Toilettenanlage am Hamburger Bahnhof  Dammtor benutzen möchte, muss einen Euro zahlen. Dafür erhält der bedrängte Gast neben Erleichterung einen Wert-Bon von 0,50 € für die Geschäfte des „Einkaufsbahnhofs“.

Der Besitzer des Vouchers eilt nach Nutzung des WC-Centers zum nächsten Geschäft und will seinen Gutschein bei dem Kauf einer Flasche Almdudler für 2,30 Euro einlösen. Das freundliche Verkaufspersonal weist ihn allerdings darauf hin, dass dies keinesfalls möglich sei. Auf der Rückseite des Wert-Bons stehen die „Einlösebedingungen“, die da sind:

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* Pro Einkauf nur 1 Wert-Bon einlösbar

* Mindesteinkaufswert 2,50 €

Der Almdudler ist zu billig, um sich für das Einlösen des Wert-Bons zu qualifizieren. Diese Regelung habe die Deutsche Bahn zu verantworten, heißt es in dem Geschäft. Ob das stimmt? Fest steht jedoch: Am Dammtor Bahnhof ist das Pinkeln verdammt teuer.

Mahatma Gandhi: „Die Sieben Todsünden der Modernen Welt“

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Gandhi bei Madame Tussauds in London (foto: chris)

Mahatma Gandhi war ein furchtloser, friedliebender und dennoch kompromissloser Gegner von Rassismus und Unterdrückung in Südafrika und Indien. Sein Name ist eng mit dem Kampf der Inder für ihre staatliche Unabhängigkeit verbunden.

Mahatma, “ die große  Seele“, Gandhi , so nannten ihn seine Unterstützer. Kurz vor seinem gewaltsamen Tod im Jahr 1948 brachte der charismatische und entschlossene Politiker die folgenden „Sieben Todsünden der modernen Welt“ zu Papier. Sie sind noch heute ausgesprochen aktuell.

  • Wealth without Work

  • Pleasure without Conscience

  • Science without Humanity

  • Knowledge without Character

  • Politics without Principle

  • Commerce without Morality

  • Worship without Sacrifice

Reichtum ohne Arbeit * Genuss ohne Gewissen * Wissenschaft ohne Menschlichkeit * Wissen ohne Charakter *  Politik ohne Prinzipien * Geschäft ohne Moral *  Religion ohne Opferbereitschaft

Engl. Text zitiert nach: http://en.wikipedia.org/wiki/ Seven_Blunders_of_the_World

Auf den Schock erstmal eine rauchen…

Es ist schon einige Zeit her, dass ich geraucht habe. Damals gab es auf den Zigarettenpackungen weder Drohungen wie „Rauchen macht alt“ noch „Rauchen tötet“. Ich habe trotzdem irgendwann aufgehört.

Eine bekennende Raucherin hat uns gestern dieses Foto aus Spanien geschickt. Abgebildet ist eine Packung Zigaretten:

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Spanische Zigarettenschachtel: Rauchen verstopft die Arterien und verursacht Herzleiden und Versagen der Hirngefäße (foto: annerose)

Dieses Bild ist in der Tat ziemlich widerlich und abstoßend. Hält es Raucher wirklich vom Rauchen ab?

In den USA müssen sich beispielsweise jugendliche Fahranfänger Filme und Fotos von Autounfällen ansehen. Es wird nicht mit gruseligen Details wie verstümmelten Leichen und Leichenteilen gespart. Die jungen Männer und Frauen sollen durch Abschreckung zu einer defensiven Fahrweise erzogen werden.

Wie wirkt diese Werbung, die doch schockieren soll?

Als Aufklärung getarnte Abschreckung stumpft die Wahrnehmung der Menschen ab. Die einen sind tatsächlich schockiert und verdrängen die möglichen Folgen ihres Lasters. Die anderen behaupten, die Werbung berühre sie nicht, sie kommentieren das Gesehene erst ironisch dann zynisch und alle machen so weiter wie bisher.

Der leidenschaftliche Raucher hält es wie Mark Twain:  „To cease smoking is the easiest thing I ever did, I ought to know because I’ve done it a thousand times.“

Alfred Hrdlickas unvollendetes Denkmal in Hamburg

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NS-Denkmal für das Hamburger Infanterieregiment am Dammtor (fotos: chris)

Wer in Hamburg am Bahnhof Dammtor, einem der vier Fernbahnhöfe der Hansestadt, aussteigt und über die Fußgängerbrücke in Richtung  ‚Planten un Blomen‘ geht, der steht unversehens vor diesem Denkmal, welches die Hamburger wenig liebevoll auch den ‚Klotz‘ nennen.

Es ehrt das Infanterieregiment 76, welches im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 sowie dem Ersten Weltkrieg kämpfte. Die Nationalsozialisten weihten 1936 den monumentalen Quader ein, welcher die markige Inschrift trägt „Deutschland muss leben und wenn wir sterben müssen“ .

Alfred Hrdlicka
'Cap Arcona' und 'Feuersturm' von Alfred Hrdlicka

Um das von vielen Hamburgern damals als Provokation empfundene NS-Denkmal zu entschärfen, entschied die Hamburger Kulturbehörde Anfang der 80er Jahre, ein „Gegendenkmal“ errichten zu lassen. Die Wahl fiel auf den Entwurf des Wiener Künstlers, Kommunisten und Katholiken Alfred Hrdlicka. Er plante ein aus vier Teilen bestehendes Mahnmal.

Der „Feuersturm“, hier rechts im Bild und unten im Detail, stellt das Leid der Zivilbevölkerung Hamburgs durch die Bombardierung der Hansestadt 1943 dar.

Die Menschengruppe oben links auf dem Bild erinnert an die 7 500 KZ-Häftlinge, die am 3. Mai 1945 auf tragische Weise starben. Die SS hatte die Überlebenden des KZ- Neuengamme nach dessen Räumung an die Lübecker Bucht evakuiert und anschließend auf den dort liegenden Schiffen eingepfercht. Als britische Piloten fünf Tage vor der Niederlage Nazideutschlands die ‚Cap Arcona‘ sowie zwei kleinere Schiffe mit Jagdbombern angriffen, wussten sie nicht, dass auf diesen rund 10 000 KZ-Häftlinge auf ihre Befreiung hofften.

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Detail aus dem 'Feuersturm'

Seine Pläne zum Thema „Soldatentod“ und „Frauenbild im Faschismus“ hat Hrdlichka nicht realisiert. Auseinandersetzungen zwischen der Hamburger Behörde und dem Künstler führten schließlich zum Abbruch der Arbeiten. Es ging dabei auch um Geld.

Nun steht Hrdlickas Kunst unvollendet dem Klotz gegenüber. Von den vorbeieilenden Passanten werden beide Denkmäler kaum wahrgenommen. Wer sich jedoch ein wenig Zeit nimmt, ist erstaunt über die Details und beeindruckt von der Intensität, mit der Hrdlicka Verzweiflung, Furcht und Zerstörung darstellt. Seine Kunst macht neugierig. Wie hätte der eigenwillige und einfühlsame Bildhauer Soldatentod und Frauenbild der Nazis künstlerisch umgesetzt? Bedauerlich, dass er dazu in Hamburg keine Gelegenheit hatte.

Kurt Tucholsky 1930 über Nazis, Gewalt, staatliche Kumpanei und Widerstand: Deutschland Erwache!

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Hamburg Barmbek nach zehn Jahren Nazi-Diktatur 1943 (archiv: chris)

Deutschland erwache!

Daß sie ein Grab dir graben,
daß sie mit Fürstengeld
das Land verwildert haben,
daß Stadt um Stadt verfällt …
Sie wollen den Bürgerkrieg entfachen –
(das sollten die Kommunisten mal machen!)
daß der Nazi dir einen Totenkranz flicht -:
Deutschland, siehst du das nicht -?

Daß sie im Dunkel nagen,
daß sie im Hellen schrein;
daß sie an allen Tagen
Faschismus prophezein …
Für die Richter haben sie nichts als Lachen –
(das sollten die Kommunisten mal machen!)
daß der Nazi für die Ausbeuter ficht -:
Deutschland, hörst du das nicht -?

Daß sie in Waffen starren,
daß sie landauf, landab
ihre Agenten karren
im nimmermüden Trab …
Die Übungsgranaten krachen …
(das sollten die Kommunisten mal machen!)
daß der Nazi dein Todesurteil spricht -:
Deutschland, fühlst du das nicht -?

Und es braust aus den Betrieben ein Chor
von Millionen Arbeiterstimmen hervor:
Wir wissen alles. Uns sperren sie ein.
Wir wissen alles. Uns läßt man bespein.
Wir werden aufgelöst. Und verboten.
Wir zählen die Opfer; wir zählen die Toten.
Kein Minister rührt sich, wenn Hitler spricht.
Für jene die Straße. Gegen uns das Reichsgericht.
Wir sehen. Wir hören. Wir fühlen den kommenden Krach.
Und wenn Deutschland schläft -:

Wir sind wach!

Kurt Tucholsky, Gesammelte Werke Band 8, 1930, Hamburg 1975, S. 107

Urbanes Wohnen II: Frankfurt am Main

In loser Folge veröffentlichen wir Fotos aus städtischen Wohnquartieren in Metropolen rund um die Welt.

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Eigentlich kein städtisches Wohnquartier – das Frankfurter Bankenviertel (fotos: chris)

 

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Momentan im Herzen Frankfurts – Camp der ‘Occupy’ Bewegung

 

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Hinterhofidyll im Frankfurter Ostend – Autos gehören immer dazu, gern auch auf Fuß- und Radwegen.

Originalfassungen (OmU) sind einfach besser!

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Filme auf DVD - aber bitte im Original (foto: chris)

Kürzlich sah ich mir im Kino die deutsche Version eines britischen Films an. Normalerweise tue ich das nicht. Normalerweise sehe ich mir die Originalfassungen (häufig mit Untertitel) an, die englischen, französischen, spanischen, russischen, chinesischen, koreanischen Filme. Die meisten dieser Sprachen verstehe ich nicht.

Wenn ich sage, dass ich Filme möglichst im Original sehe, gelte ich leicht als arrogant und überheblich. Dabei gibt es für mich einen simplen Grund für meine Vorliebe: Ich finde Originalfassungen einfach besser.

Wenn ich mir Filme ansehe, dann möchte ich zumindest für kurze Zeit in eine andere Welt versetzt werden. Ich möchte mich mit anderen Problemen, Sorgen, Freuden und Gedanken befassen als sonst. Wenn der Schauplatz des Films ein fremdes Land ist, dann möchte ich, dass im Film die Sprache des Landes gesprochen wird.

Kein Regisseur würde einen Münchner Bayern friesisches Platt sprechen lassen.

Es ist doch völlig bescheuert, wenn zwei Pariserinnen die Champs-Élysées entlangbummeln und dabei deutsch sprechen oder wenn in einem englischen Haushalt die Familienmitglieder sich untereinander auf deutsch unterhalten.

Deutsch klingt nicht wie Französisch, Englisch, Russisch, Chinesisch oder Koreanisch. Der Klang der Sprache erzeugt Bilder, Assoziationen, Bezüge. Wenn alle Welt deutsch spricht, dann wird jede Kultur deutsch.

Ich finde es toll, wenn beispielsweise die wunderbare Penélope Cruz englisch und spanisch spricht. Dann bin ich in Mexiko, Spanien oder den USA – ohne dieses Land kennen zu müssen. Wenn sie hingegen deutsch spricht, dann sitze ich in Deutschland und bleibe dort.

Mal angenommen, in einem Film würden die Bilder nicht stimmen – die Kleidung, die Einrichtung, die Frisur oder die Accessoires – dann wäre die Kritik zu Recht groß:  Das sei nicht authentisch, würde der Vorwurf  lauten. Aber bei der Sprache sind sich in Deutschland viele (nicht alle!) einig: Die falsche Sprache zum Film ist kein Problem. Dabei käme  kein Regisseur auf die Idee, einen Münchner Bayern friesisches Platt sprechen zu lassen.

Sprachenerwerb und Weltoffenheit durch Originalfassungen?

Abgesehen von meinem ganz egoistischen und eskapistischen Bedürfnis nach Authentizität könnte die Abschaffung der Synchronisation zu einem wahren Bildungsschub in Deutschland führen:

Jugendliche würden mit den englischen Versionen ihrer Lieblingsfilme aufwachsen. Von Teletubbies über Nemo und Hannah Montana, Harry Potter und Twilight. Und immer auf Englisch.

Die Deutschen würden ihre Fremdsprachenkenntnisse verbessern und vielleicht mehr Neugier auf andere Kultur und mehr Weltoffenheit entwickeln.

Ich werde mir jedenfalls nicht wieder synchronisierte Filme im Kino anschauen. Ich finde Originalfassungen einfach besser.

Zu empfehlen ist der sehr lesenswerten Artikel von Günter Rohrbach in der Süddeutschen Zeitung, in dem sich der Film- und Fernsehautor ausführlich mit dem Problem der Autentizität sowie den historischen Ursachen der in Deutschland üblichen Synchronisation von Filmen befasst.