Was können BloggerInnen vom Universalcode lernen I: Fotografie

Die Rückseite des Sammelbandes mit den Portraits der Autorinnen und Autoren (foto: zoom)
Die Rückseite des Sammelbandes mit den Portraits der Autorinnen und Autoren. Heike Rost: untere Zeile, zweite von rechts. (foto: zoom)

Dieser Artikel ist der erste von hoffentlich mehreren Auseinandersetzungen mit dem Buch von Christian Jakubetz u.a. (Hrsg.), Universalcode. Journalismus im digitalen Zeitalter, 2011. Wir wollen uns anschauen, ob das Kompendium, welches sich an die Profis im Gewerbe wendet,  auch für AmateurbloggerInnen einen Nutzen haben könnte. Den ersten Aufschlag hat heute Chris Klein, die seit letzem Jahr sehr intensiv im Blog mitarbeitet.

Unter dem Titel “Ins richtige Bild gerückt”* beschäftigt sich Heike Rost mit Irrtümern rund um die Fotografie. Die Autorin muss es wissen, ist sie doch seit mehr als zwei Jahrzehnten freiberuflich als Fotografin und Bildjournalistin tätig.

Gleich zu Beginn schreibt Rost, worum es ihr nicht gehe: Sie informiere nicht über die technische Seite des Fotografierens und biete keinen Schnellkurs Fotografie an.

Stattdessen handelt sie sieben zentrale Irrtümer in zügiger und anschaulicher Weise ab. Ihre Vorstellungen von professioneller Fotografie lassen sich mit folgenden Begriffen zusammenfassen: Vorbereitung, Ordnung, Ruhe, Neugier, Interesse und Empathie.

So kritisiert Rost beispielsweise Fotografen, die ihre Grenzen nicht erkennen wollen (Irrtum 4). Anschaulich schildert sie zwei Kollegen, die während eines Klavierkonzerts Aufnahmen machten:

„Einer betrat während des Konzerts den Saal. Türen knallten zu, er dröhnte festen Schritts mit metallbeschlagenen Stiefelabsätzen über den Steinboden des Mittelgangs. Ausgerechnet in den Pianissimo-Passagen und kurzen Pausen der Musik betätigte er deutlich vernehmbar den Auslöser. Der andere Kollege hatte keinerlei Ahnung: Fragte nach der Violine des Künstlers, der im richtigen Lebens übrigens Trompete spielt. Brauchte mangels durchdachter Bildideen (…) geschlagene dreieinhalb Stunden Fototermin zur Inszenierung.“ (S.297)

Die Autorin zeigt, dass es auch anders geht: Bei einer Konzertprobe desselben Musikers tritt sie leise auf und hat für den Anlass Mokassins mit weicher Sohle gewählt. Sie beobachtet den Künstler, trinkt Kaffee, macht weitgehend unbemerkt ihre Bilder und gewinnt so das Vertrauen des Musikers.

Die beschriebene Arbeitsweise entspricht ihrem eigenen Anspruch, den sie zu Beginn des Aufsatzes formuliert: Beobachtung und Konzentration aufs Geschehen, vor Ort und mit Zeit. „No posing“, denn wer als Fotograf in das Geschehen eingreife, der inszeniere seine eigene Realität.

Der kleine Aufsatz steckt voller Anregungen zum Weiterdenken. Heike Rost untersucht die Veränderungen der Tätigkeit von Fotografen durch die neuen Medien. Sie beschäftigt sich mit den Anforderungen von Zeitungsredaktionen. Sie stellt Frage nach dem Verhältnis von  handwerklicher Professionalität und künstlerischer Kreativität.

Auf den letzten beiden  Seiten ihres Beitrages gibt die Autorin weiterführende Literaturhinweise.

Rost schließt ihren Artikel mit dem Zitat eines Freundes, der ihr rät, sich nicht nur mit Fotografie zu beschäftigen.  Er fordert sie auf, sich mit vielen Themen zu befassen, zu lesen, zu hören und zu denken. „Aus allem entsteht Charakter und Persönlichkeit, dann Bilder, erst im Kopf, später mit der Kamera.“ (S.306)

Bloggerinnen und Blogger, die nebenberuflich publizieren und fotografieren, werden das hohe Maß an handwerklicher Professionalität von Heike Rosts Bildern kaum erreichen können, aber die von Rost empfohlene Aufgeschlossenheit und Offenheit gegenüber der Welt würde sicher uns allen gut tun.

Meine Empfehlung: Lesen, verstehen und nachahmen so gut es geht. Der Bebilderung vieler Blogartikel täte es gut.

*Heike Rost, Ins richtige Licht gerückt: Fotografie in: Christian Jakubetz u.a. (Hrsg.), Universalcode. Journalismus im digitalen Zeitalter, 2011, S.287-308.

Gute Vorsätze – wir wollen auch dieses Jahr nicht beschissen werden: Die Invasion der Gänse vom Niederrhein nach Neuwerk.

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Leuchtturm auf Neuwerk von 1310 (fotos: rose)

Neuwerk ist eine Insel im Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer. Sie liegt nordwestlich von Cuxhaven und gehört zu Hamburg. Neuwerk ist drei Quadratkilometer groß und locker in einer Stunde zu umrunden. Ca. 40 Leute wohnen hier.

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Gänse auf Neuwerk

Jedes Jahr zwischen April und Mai nutzen etwa 6.000 Gänse die kleine Insel vor Ihrem Weiterflug in die sibirischen Brutgebiete als Zwischenstopp. Als wir im letzten Jahr die Aufnahmen machten, mussten wir im wortwörtlichen Sinne aufpasssen, nicht beschissen zu werden.

Jetzt allerdings, im Winter, halten sich viele der Wildgänse am Niederrhein bis weit hinein in die Niederlande auf. Entwarnung für Neuwerk.

Wenn man sich überlege, so ein alter Joke unter Gänsefreunden, dass die Neuwerker Tiere nur einen kleinen Teil der Überwinterungsgänse in Holland ausmachen, könne man nachvollziehen, warum so viele Holländer die Winter im Hochsauerland, statt beispielsweise in Nijmegen, verbringen.

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Gänseflug von Neuwerk nach Sibirien

Wer will schon gerne von denen da oben „beschissen“ werden.

Johnson gegen Scholz 1962 in Berlin

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Boxkampf im Berliner Olympiastadion am 23. Juni 1962 (fotoarchiv chris)

Zwischen den Feiertagen blieb ein wenig Zeit, um im Keller zu wühlen: Beim Durchforsten alter Kisten und Kartons entdeckten wir diese drei Fotos eines Boxkampfes zwischen Gustav ‚Bubi‘ Scholz und dem US-Amerikaner Harold Johnson.

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Berliner Olympiastadion während der Boxweltmeisterschaft im Halbschwergewicht 23. Juni 1962 (fotoarchiv chris)

Damals, 1962, fuhren mein Vater (er fotografierte) und mein Großvater nach Berlin. Ich habe mit ihnen nie über den Besuch dieses Sportereignisses gesprochen.

Die Kulisse ist beeindruckend, der Spiegel berichtete damals ausführlich über den bevorstehenden Kampf. Der US- Amerikaner Johnson siegte nach Punkten.

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Max Schmeling als Zuschauer des Kampfes zwischen Johnson und Scholz (fotoarchiv chris)

Boxlegende Max Schmeling gehörte zu den illustren Gästen, aber auch andere Größen der damaligen Zeit wie der regierende Bürgermeister von Berlin Willy Brandt und der Schauspieler Curd Jürgens kamen ins Olympia-Stadion. Schließlich handelte es sich um den ersten Weltmeisterschaftskampf im Boxen, der auf deutschem Boden ausgetragen wurde.

„Menschen mit Migrationshintergrund“ – vom Schwachsinn eines Begriffs

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Deutsche Großstadt: Menschen ohne und mit Migrationshintergrund (foto: zoom)

2010 hatten 15,75 Mio. in Deutschland lebende Menschen einen Migrationshintergrund, so das Ergebnis eines Mikrozensus des Statistischen Bundesamts (Destatis).  Auf 400 Seiten erläutert das Amt sein Vorgehen und nennt sein Zahlenmaterial.  „Jeder Fünfte hat einen Migrationshintergrund“, fasst die Welt im September 2011 das Ergebnis zusammen.

Was oder wer ist jedoch ein Mensch mit „Migrationshintergrund“? Das Statistische Landesamt zählt zu dieser Gruppe

alle nach 1949 auf das heutige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Zugewanderten, sowie alle in Deutschland geborenen Ausländer und alle in Deutschland als Deutsche Geborenen mit zumindest einem zugewanderten oder als Ausländer in Deutschland geborenen Elternteil.

Zwei Beispiele:

Mein Nachbar zog vor rund 40 Jahren aus Ostanatolien in eine deutsche Großstadt (zunächst Ausländer, inzwischen Deutscher mit Migrationshintergrund). Er heiratete ein deutsche Frau (kein Migrationshintergrund), wurde Vater von drei Töchtern (Deutsche mit Migrationshintergrund ohne Migrationserfahrung) und inzwischen hat er zwei Enkel (beide sind Deutsche, aber nur einer ist ohne Migrationshintergrund- siehe unten).  Die drei Töchter besuchten ein deutsches Gymnasium, zwei waren auf der Fachhochschule, eine studierte an der Universität. Eine Tochter heiratete einen Japaner (Ausländer mit Migrationshintergrund), eine ist mit einem Deutschen liiert. Alle leben noch heute in einer deutschen Großstadt.

Meine Freundin hat ein gemeinsames Kind mit einem Italiener, sie ist Deutsche. Timo ist zwar Deutscher, aber auch er hat einen Migrationshintergrund.

Dies sind Beispiele. Wer in einer deutschen Großstadt lebt, dem fallen sicher weitere ein.

Warum die Zuordnung des ‚Migrationshintergrunds‘?

Es stellt sich die Frage, wozu ein Bundesamt eine solche Unterscheidung und Erfassung überhaupt vornimmt. Da werden Gelder für die Erhebung und Auswertung von Daten ausgegeben, deren einziges Ziel es zu sein scheint, Differenzen aufzuzeigen, die von den Betroffenen gar nicht als solche wahrgenommen werden.

Die Unterscheidung der in unserem Land lebenden Menschen nach ihrem „Migrationshintergrund“ findet sich leider nicht nur in den Datensätzen des Statistischen Bundesamtes. Sie findet sich in der politischen Diskussion, den Medien, den Publikationen der Bundeszentrale für Politischen Bildung und in Politikschulbüchern. „Migrationshintergrund“ wird als Fachbegriff verwendet, und ist doch nur die elende Fortführung der Unterscheidung der in diesem Land lebenden Menschen nach Blutsverwandtschaft.

California here I come: Reisebericht Teil VIII – Joshua Tree und Big Sur

Unser Autor berichtet von seiner Fahrt durch Kalifornien. Heute geht es weiter durch den Joshua Tree Park und die Pazifikküste entlang in Richtung Monterey. Doch, Christopher hat auch die Stadt der Engel besucht. Ein ausführlicher Bericht aus Los Angeles  folgt in Kürze.

Joshua Tree

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Palmen, genannt Joshua Tree (fotos: christopher weber)

Auf der Fahrt zum Joshua Tree Park spielte das Radio zweimal U2-Hits von 1987, „Where the streets have no name“ und „I still haven’t found what I’m looking for“, immerhin. Ansonsten hat weder die Landschaft noch der Menschenschlag noch die Politik viel mit Irlands saftigen Weiden und knorrigen, traditionsverbundenen Menschen zu schaffen, wie sie H. Böll im „Irischen Tagebuch“ beschreibt, oder der unseligen Geschichte des britischen Kolonialismus und des IRA-Terrorismus zu tun, außer vielleicht dass Arnold Schwarzenegger, weil er kalifornischer Gouverneur und Hollywoodstar ist, auch wie U2 der Popkultur entstammt.

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Das Tal vom Joshua Tree Park

Der Joshua Tree Park ist skurril. Wie der Name besagt, ist die Hauptattraktion diese durch Siedler einer protestantischen Sekte angepflanzte Palmenart, eben der biblisch benannte Joshua Tree, der bizarr mit seinen Ästen Raum greift. Diese Palmen stehen in einem weiten Tal, das viele verschiedene Steinschichtungen und Steintempel für den Touristen bereithält. Die US-Amerikaner lieben ja das Freiklettern an senkrechten Felswänden wie im Hidden Valley und von diesem Extremsport profitiert der Nationalpark ganz ungemein.

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Die San Andreas Spalte

Von Ryan Mountain (1664m) aus kann man hoch über dem Tal die wunderschöne Aussicht genießen und wenn man das Tal durchquert hat, steht man auf der anderseitigen Anhöhe der Little San Berardino Mountains auf Keys View (1581m), unter welcher das gewaltige Tal der Sankt Andreas-Falte auf Meereshöhe verläuft. Jedes Jahr driftet hier das übrigbleibende schmale Stückchen von West-Kalifornien westlich der Falte mit der pazifischen Kontinentalplatte 5m weiter in den Pazifik weiter ‚gen Westen, wohingegen es den US-amerikanischen Kontinent nach Osten zieht.

Big Sur

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Typische Küstenlandschaft am Pazifik

Big Sur heißt die Küstenstraße, die sich von Santa Mónica nach Norden schlängelt, Richtung San Francisco, und recht gut das Lebensgefühl der Red Hot Chili Peppers zu bebildern scheint. Die pazifische Serpentine ist schön zu fahren und gewährt von etwa 100 bis 300m Höhe spektakuläre Ausblicke auf die Küstenlinie mit ihren steilabfallenden Hängen der nahebei stehenden Berge, die zum Strand hin ausrollen.

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Pazifikstrand

Es ist im eigentlichen Sinn keine Steilküste, wie sie bei der Panamericana Sur ab der chilenischen Atacama-Wüste bis hinunter nach Santigao de Chile zu finden ist, wo das Gelb der Wüste wunderschön dem Azurblau des Ozeans konstrastiert. Dafür aber taucht die langsam untergehende, vergleichsweise nördliche und deshalb schief einstrahlende Sonne die Umgebung in ein weiches Licht, in ein seltsam strahlendes Grün der Flechten, in bordeaux-rotes Büschelmoos an den Hängen.

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Ein romantischer Sonnenuntergang am Pazifik (gerade ohne Sonne)

Die Big Sur endet bei Monterey, einer schmucken, hübschen Kleinstadt, deren Attraktion das Monterey Bay Aquarium ist. Für Familien sicherlich ein Muss, da die Ausstellung v.a. didaktisch für Kinder aufbereitet ist. Dadurch allerdings wirken manche Säle z.B. zur menschen-mitverursachten Klimaerwärmung eher penetrant wie von Greenpeace gestaltet als von einem privat-kommerziellen Anbieter zum Vergnügen des zahlenden Publikums. Man fühlt sich jedenfalls belehrt, wenn man das Aquarium verlässt. Dafür entschädigt ein ästhetisches Gegengewicht zum Biologieunterricht mit der Gallerie, wo asiatische, feuerspeiende Seedrachen, bunt-glitzernde Quallen und possierliche Seepferdchen in den Aquarien schweben – wirklich eine schöne andere Welt.

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Chinesischer Seedrache im Aquarium

Aus aktuellem Anlass: Gedanken über Maria, die Vollkommene …

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Entrückte Maria mit Jesuskind, Brust, Milch und vermutlich trinkender St. Bernhard (foto: chris)

Vor einigen Jahren reiste ich mit einer Freundin durch Frankreich. In einer kleinen Ortschaft, deren Namen ich vergessen habe, pausierten wir und besuchten die örtliche Kirche.

An den Wänden hängen mehrere Marienbilder. Maria hält ihr Jesuskind auf dem Arm, ihre linke Brust ist entblößt. Ihre nackte Brust nutzt sie jedoch nicht, wie zu erwarten gewesen wäre, um ihr Kind zu stillen. Nein,  Maria sendet einen weißen Strahl in Richtung des auf dem Boden knienden ebenfalls weißen Herrn. Der Strahl zielt direkt auf den Mund des mit Bischofsstab und Heiligenschein dargestellten Mannes.

In der kleinen französischen Kirche hängen mehrere Darstellungen dieser Art. Sie lassen uns schmunzeln. Einen laserähnlichen Strahl zu erzeugen ist anatomisch unmöglich. Doch dies ficht den Maler offensichtlich nicht an. Er wird sich wohl gedacht haben,  dass diejenige, die auf wundersame Weise ein Kind empfängt auch einen strichförmigen Milchstrahl erzeugen kann.

Nun zum Nutznießer der jungfräulichen Milch: Voller Verzückung kniet der Empfänger, blickt auf zur angebeteten Maria. Was er in diesem Moment wohl denken mag, wir vermögen es nur zu ahnen. Reine religiöse Ehrerbietung? Na klar. Wollust? Nein, auf keinen Fall.

Maria dominiert das Bild, sitzt oberhalb von dem Heiligen und blickt hinab. Sie ist dem Himmel näher als der Erde. Und sie bedient sie alle: Das Kind, den Verehrer. Sie ist Jungfrau, Mutter, Dienerin und dabei so unendlich rein und unbefleckt.

Welche lebende, reale Frau kann dieser Maria das Wasser reichen? Trägt ein derart entrücktes und verzücktes Frauenbild nicht  schnell zur Verachtung der Frauen auf Erden bei?

Oceanblick: Pazifikküste in Oregon

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Riding along highway 101: Canon Beach (foto: chris)

Haystack Rock.  Im Oregon Handbook* steht über diesen imposanten ‚Heuhaufen‘:

„Haystack Rock ist der dritthöchste Küstenmonolith auf der Welt (über die anderen beiden steht hier nichts) mit einer Höhe von 235 feet (rund 72 m). ‚Oldtimer‘ erzählen davon, dass der Pfad zur Spitze von Haystack durch die Regierung mit Dynamit präpariert wurde, um Menschen von dem Vogel-Felsen und dem Leben in den Gezeitenpools fernzuhalten. Diese Maßnahme reduzierte ebenfalls die Zahl der unerschrockenen Kletterer, die, von der Flut überrascht, auf dem Felsen festsaßen.“

* S. Warren, T. Long-Ishikawa, Oregon Handbook, published by Moon Publications, USA.