Stadt oder Land? Originelle und weniger originelle Ideen zum demographischen Wandel

KahlerAsten
Kahler Asten im Winter. (foto: zoom)

Was tun gegen die Abwanderung junger Menschen aus dem Hochsauerland? Was tun gegen sinkende Geburtenzahlen, weniger Kindergartenkinder, weniger Schulkinder und schließlich auch weniger Familien? Wie die Leerstände in den Dörfern und die Schließung von Geschäften und kleinen und größeren Firmen stoppen – oder gar umkehren?

Die Winterberger versuchen es mit Computerkursen und Kinonachmittagen für Senioren und Kochkursen von Senioren.

Die Deutsche Bahn verlängert durch Baumaßnahmen die Entfernung zwischen Parkplatz und Bahnsteig an ihren Bahnhöfen in Bigge und Bestwig. So bleiben die Bahnfahrer unter den Hochsauerländern auch im Alter noch fit.

Der Bundestagsabgeordnete des HSK Patrick Sensburg sieht das Ehrenamt „als großen Vorteil gegenüber den Städten“. Sensburg fordert ein entschlosseneres Auftreten der Bevölkerung. „Wenn wir uns nach außen besser verkaufen, dann werden wir auch feststellen, dass die Straßen, die wir bauen, nicht immer nur aus dem Sauerland hinaus führen, sondern auch wieder herein.“ Mit Ehrenamt, Sauerländer Sendungsbewusstsein und PR soll die Abwanderung junger Menschen gestoppt werden.

„Visionen“ ganz anderer Art äußert Roland Klose in dem leserbriefblog bürgerredaktion. Klose schlägt eine Art Wacken-Festival in Schmallenberg vor, ein Festival der Kulturen, kombiniert mit einem sog. „ökumenischen Weltjugendtag auf Stadtebene“.

Denn, so Klose, das „1.797-Einwohner-Dorf Wacken in Schleswig-Holstein veranstaltet jährlich an drei Tagen das weltgrößte Heavy Metal-Festival, die Wacken Open Air, mit 86.000 Besuchern. Es hat Wacken weltberühmt gemacht und dort einen sagenhaften Wirtschaftsboom ausgelöst. Was Wacken kann, das kann Schmallenberg auch, oder?“

In Arnsberg versucht der „visionäre“ Bürgermeister Vogel (CDU) gemeinsam mit der BürgerStiftung Arnsberg ein Netzwerk für eine zukunftsfähige Stadt aufzubauen. Im vergangenen Sommer wurden Arnsberger Jugendliche befragt. In sogenannten „Focusgruppen“, an denen „wichtige gesellschaftliche Mitspieler“ beteiligt sind, sollen laut Bürgerstiftung nun Ideen gesammelt werden. „Menschen, die von der Idee fasziniert sind, können jederzeit noch einsteigen“

Nach Angaben der Initiatoren ist der Prozess offen, die „Basis aller Überlegungen aber sollen die Zukunftswünsche der jungen Menschen in der Stadt sein“, so die Bürgerstiftung. Aus „dem Verfahren (sollen) viele förderungswürdige Einzelprojekte erwachsen, die Arnsberg nach vorne bringen“.

Während also die einen sich abkapseln und überlegen, wie sie ihr Dorf retten können, andere plakativ die vermeintlichen Vorteile des ländlichen Raums propagieren, setzen wieder andere auf den offenen Diskurs der Beteiligten. Ein interessanter Ansatz, der auch im höchsten Hochsauerland Nachahmer finden sollte.

Kommentar: Oversum Eigentümerin „aquasphere“ insolvent – Bürgermeister Eickler begeistert.

Gesellschaften im Oversum Komplex heute.
Dabei sollte doch die Liebe „gelebt werden“. Herzstück aquasphere insolvent. (Grafik auf der Bürgerversammlung der Stadt Winterberg am 25.04.2013. foto: zoom)

Wer den heutigen WP-Artikel über die Insolvenz der aquasphere Winterberg GmbH, Eigentümerin und Vermieterin des Oversum-Komplexes liest, kann sich bei den im Artikel zitierten Äußerungen des Winterberger Bürgermeisters Werner Eickler (im Folgenden hervorgehoben) nur verwundert die Augen reiben:

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewertet Eickler „absolut positiv“: „Das haben wir angestrebt“, zitiert die WP den euphorischen Vertreter Winterbergs. Begründung: „Ab jetzt haben wir es nur noch mit einem einzigen Verhandlungspartner zu tun.“ – Na toll, sonst will man als Kommune auch nichts. Was soll man mit Hallen- und Freibad, Eislaufhalle und Stadthalle anfangen, wenn man stattdessen Insolvenzverhandlungen „mit einem einzigen Verhandlungspartner“ bekommen kann. Bestechende Logik.

Die WP berichtet weiter, dass Werner Eickler die Eröffnung des Insolvenzverfahrens als „wichtigen Meilenstein“ sehe, um die Berge von Verträgen (WP: „das Vertragskonvolut“) zu entwirren.

Soll wohl heißen: der Bürgermeister hofft, endlich zu entwirren, was ihn bisher nur verwirrt.

Außerdem solle das „vereinbarte, synergiebringende Gesamtkonzept des Oversums mit seiner Angebotsvielfalt und seinen vielen Chancen“ starten.

Damit meint Eickler vermutlich das zwischen ihm und Wolfram Wäscher „vereinbarte“ Konzept,  welches durch den Abriss bzw. die Schließung der städtischen Infrastruktur wie Eissporthalle, Freibad, Stadthalle und Kurverwaltung als „synergiebringende(s) Gesamtkonzept“ realisiert wurde.

Als beeindruckendes Beispiel für die Chancen des Oversums nennt die WP ein Benefizkonzert des Heeresmusikkorps Kassel mit „Optimisten-Marsch“ und Bürgermeister Eickler als Besucher.

Über die zu erwartenden jährlichen Kosten derart spektakulärer Musikveranstaltungen sowie der leidlichen Nebenkosten des Oversum-Desasters schweigt der Bürgermeister weiterhin. Die WP fragt wie gewöhnlich nicht nach. Eins jedoch scheint sicher: weder Bürgermeister Werner Eickler noch der ehemalige Investor Wolfram Wäscher werden das Oversum bezahlen.

Hier im Blog berichteten wir vor drei Tagen über die Insolvenz der aquasphere.

CDU-Fraktion Winterberg schaut in die Zukunft, George Bernard Shaw soll helfen

Oversum
Oversum in Winterberg, ohne Vergangenheit aber mit Zukunft? (foto: zoom)

In Winterberg ist es seit einiger Zeit populär, offizielle oder halboffizielle Schreiben oder Reden mit Zitaten großer Männer zu schmücken.

Zitate und Aphorismen, also Sinnsprüche, stehen mehr oder weniger zusammenhanglos da und sollen etwas sagen, was der Autor nicht direkt sagen möchte.

Hier ein aktuelles Beispiel:
Andreas Pieper, Fraktionsvorsitzender der CDU-Winterberg, zitiert in seiner Haushaltsrede den irischen Schriftsteller George Bernard Shaw:

Wir werden nicht durch die Erinnerung an unsere Vergangenheit weise, sondern durch die Verantwortung für unsere Zukunft. 

In dem von A. Pieper verwendeten Zusammenhang soll das Zitat den Wunsch der CDU-Winterberg unterstreichen, doch bitte die Vergangenheit ruhen zu lassen um nach vorne zu blicken. O-Ton Pieper:

“Ich habe bewusst auf einen detaillierten Rückblick der bald zu Ende gehenden Ratsperiode verzichtet. Wichtiger ist mir der Blick in die Zukunft.”

Die Zukunft ist uns allen wichtig, aber gerade was die Winterberger Ratspolitik angeht und insbesondere die Entscheidungen des Bürgermeisters, könnte ein Blick in die Vergangenheit einen erheblichen Zuwachs an Weisheit bringen.

Shaw war übrigens Sozialist (wussten Sie das, Herr Pieper?) und war sicher nicht der Meinung, man könne seiner Verantwortung für die Zukunft ohne die Kenntnis der Vergangenheit gerecht werden.

We are made wise not by the recollection of our past, but by the responsibility for our future.

Ich verstehe dies Zitat so, dass nur derjenige Weisheit erlangt, der mit dem Wissen um die Vergangenheit seiner Verantwortung für die Zukunft gerecht wird. Das Gegenteil von: die Vergangenheit verdrängen und sich seiner Verantwortung entziehen.

Im Internet finden sich zahllose Shaw-Zitate. Genau wie bei diesem Zitat fehlen oft Quellenangaben, so dass die von Herrn Pieper zitierten Zeilen nicht zweifelsfrei G.B. Shaw zugeordnet werden können. Das gilt auch für folgendes Zitat:

„The more I see of the moneyed classes, the more I understand the guillotine.“

Stellungnahmen und Rückmeldungen zum neuen Nellius-Gutachten vom 27. Januar 2014

nelliuswordlePeter Bürger, gemeinsam mit Werner Neuhaus Verfasser des Nellius-Gutachtens, hat folgende Rückmeldungen zu der wissenschaftlichen Studie „Georg Nellius (1891-1952), Völkisches und nationalsozialistisches Kulturschaffen, antisemitische Musikpolitik, Entnazifizierung“ vom 27. Januar 2014 erhalten (siehe auch hier im Blog).

Mit Erlaubnis des Autors veröffentlichen wir nachfolgend diese Rückmeldungen:

Stellungnahmen und Rückmeldungen zum neuen Nellius-Gutachten vom 27.1.2014

Das Christine Koch-Mundartarchiv (www.sauerlandmundart.de) hat das nun vorliegende neue Nellius-Gutachten vor seiner Drucklegung Wissenschaftlern und Aktiven aus der Heimatbewegung vorgelegt. Bislang sind bis zum 29.01.2014 folgende Stellungnahmen und Voten bei uns eingegangen:

Roswitha Kirsch-Stracke, Vorsitzende des Kreisheimatbundes Olpe:
„Straßenumbenennungen sind in lebendigen, selbstkritischen Kommunen normale Vorgänge. In zahlreichen Städten und Gemeinden Deutschlands finden sie statt, wenn Tatsachen offenkundig werden, die eine Ehrung der Namensgeber nach neuerlicher Prüfung nicht mehr rechtfertigen. Solche Umbenennungen zeigen Lernfähigkeit und angenommene Verantwortung für das Erinnern an die (deutsche) Geschichte.

Der Rat der Stadt Sundern hat im letzten Jahr einstimmig beschlossen, die Nelliusstraße umzubenennen. Dass die Bürgerinitiative „Nelliusstraße bleibt Nelliusstraße“ diesen Beschluss nun rückgängig machen will, ist nicht nachzuvollziehen, wenn man sich mit den jüngsten Erkenntnissen zur Person Georg Nellius befasst: Die aktuellen, umfassenden Forschungen von Peter Bürger und Werner Neuhaus, die in Zusammenarbeit mit Michael Gosmann vom Stadtarchiv Arnsberg durchgeführt wurden und jetzt für jedermann einsehbar vorliegen, ergeben ein erschreckendes Bild des Sauerländers Georg Nellius. Insbesondere seine als Kulturfunktionär der NS-Zeit verfolgte rassistische Judenfeindschaft wird anhand von bislang unbekannten Originalquellen belegt. Ich bin sicher, dass durch die neue Veröffentlichung auch die Bürgerinitiative „Nelliusstraße bleibt Nelliusstraße“ zu dem Schluss kommen wird, dass ein Straßenschild mit dem Namen eines Antisemiten und frühen Anhängers von Hitler absolut nichts mit Heimatliebe zu tun hat und untragbar ist.“

Prof. Dr. Robert Jütte, Stuttgart:
„Wie ich erfahren habe, soll in Sundern die Umbenennung der Nellius-Straße durch eine Bürgerinitiative verhindert werden. Als ehemaliger Vorsitzender und jetziges Beiratsmitglied der Gesellschaft zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland, aber auch als geborener Sauerländer kann ich nicht verstehen, dass es dort noch eine Straße gibt, die nach einem als Antisemit eindeutig hervorgetretenen Musikpolitiker benannt ist. Ich appelliere an den Gemeinderat, für die Umbenennung der Nellius-Straße zu stimmen.“

Prof. Hubertus Halbfas (Mitglied im Sauerländer Heimatbund):
„Im Rahmen der aktuellen Straßennamendebatte haben Peter Bürger und Werner Neuhaus in Zusammenarbeit mit Michael Gosmann vom Stadtarchiv Arnsberg das nationalsozialistische Kulturschaffen von Georg Nellius minutiös untersucht. Die vorgelegte Forschungsarbeit bestätigt ein erschreckendes Bild antisemitischer Kulturpolitik. Dies ist der geistige Hintergrund, aus dem heraus die massenmörderische Judenverfolgung und Judenvernichtung des NS-Staates möglich wurde. Die Bürgerinitiative „Nelliusstraße bleibt Nelliusstraße“ sollte gerade angesichts der neuen Forschungserkenntnisse den Hinweis von Heinrich Lübke bedenken, „dass Menschlichkeit aus der Verantwortung für die Vergangenheit erwächst. Deshalb erweist uns keiner von denen einen Dienst, die unserem Volk zureden, es müsse nun endlich einmal Schluss gemacht werden mit dieser Schattenbeschwörung aus den Tagen einer furchtbaren Vergangenheit. Nicht wir beschwören die Schatten, die Schatten beschwören uns, und es liegt nicht in unserer Macht, uns ihrem Bann zu entziehen“.“

Prof. Dr. Dr. Reinhard Hesse, Warstein:
„Ich kann mir nicht gut vorstellen, dass die nunmehr zu Nellius vorliegenden Dokumente die Initiatoren der Bürgerinitiative nicht dazu veranlassen werden, von ihrem Anliegen Abstand zu nehmen und der Stadt Sundern somit die Ausrichtung eines teuren Bürgerbegehrens zu ersparen.“

Frau Prof. Dr. Anat Feinberg (Honorarprofessorin an der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg):
„Mit Betroffenheit habe ich erfahren, dass in Sundern die Umbenennung der Nellius-Straße durch eine Bürgerinitiative verhindert werden soll. Als jemand, der ein Buch über die Rückkehr jüdischer Musiker in das Nachkriegsdeutschland geschrieben hat und zur Zeit an einem Buch über die Remigration jüdischer Kunstschaffender nach 1945 schreibt, bin ich entsetzt, dass es im Sauerland, das ich aus zahlreichen Besuchen kenne, noch eine Straße gibt, die nach einem bekennenden antisemitischen Musikpolitiker benannt ist. Als jemand, der als kulturelle Vermittlerin zwischen Israel und Deutschland für sein langjähriges Engagement zugunsten der israelischen Kultur und der deutsch-israelischen Beziehungen vom Bundespräsidenten das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen, appelliere ich an die zuständigen politischen Gremien, diesen Schandfleck rasch zu beseitigen und umgehend den Weg für eine Umbenennung der Nellius-Straße frei zu machen.“

Der Historiker Dr. Ulrich F. Opfermann (Aktives Museum Südwestfalen Siegen, Rom e.V. Köln) schreibt dem Autorenteam:
„Ihnen […] ist mit Ihrem akribischen Nellius-Gutachten ein wertvoller Beitrag zur aktuellen Benennungsdiskussion gelungen, mit Bedeutung über den in Rede stehenden Ort hinaus. Man kann nur hoffen, dass ein sachliches Wort wie dieses noch durchdringt. Ich sage Ihnen das als ein, wie Sie wissen, langjähriger landschaftlicher Nachbar aus dem Siegerland, der manchen Beitrag schrieb. Auch nach meinem Umzug bewegt mich weiterhin die Regionalgeschichte. Das schließt den Blick übers Kölsche Heck selbstverständlich mit ein. Also, noch einmal: ein herzliches Dankeschön für die gute, beispielgebende Arbeit.“

Prof. Dr. Volker Honemann (Münster und Berlin) teilt den Autoren mit:
„Ihnen […] sei sehr herzlich für Ihre mühevolle Forschungsarbeit in Sachen Georg Nellius gedankt. Daß deren Ergebnisse Nellius nun in noch schlimmerem Lichte erscheinen lassen, als man vorher wußte, zeigt, wie nötig es ist, unsere Dritte Reichs-Vergangenheit auch >vor Ort< weiterhin so nüchtern und gründlich aufzuarbeiten, wie Sie es getan haben, und wie ich es vor kurzem für die Germanistik der Westfälischen Wilhelms Universität Münster versucht habe. Tun wir dies nicht, dann wird uns diese Vergangenheit immer von neuem heimsuchen. Es ist sehr zu hoffen, daß die Sunderner Bürgerinitiative sich durch Ihre umfassende, strikt wissenschaftliche Dokumentation überzeugen läßt, daß Georg Nellius keine Ehrung durch einen Straßennamen gebührt.“

Prof. Dr. Josef Wiesehöfer (Universität Kiel) lässt uns in knapper Form wissen:
„Herzlichen Dank für diese überaus wichtige und überfällige Darstellung.“

Das Elend der Raucher

Zigarette
Entspanntes Rauchen. (foto: privat)

Rauchen ist gesundheitsschädlich, Rauchen verkürzt das Leben. Wer in geschlossenen Räumen raucht, schädigt nicht nur sich selbst, sondern auch andere.

Das ist schlecht, und deshalb werden öffentliche Räume für Raucher immer enger.

Rauch stinkt, Raucher stinken, alles, was in einem Raum mit einem Raucher war, stinkt.

Ich rauche seit vielen Jahren nicht mehr, ich fühle mich gesünder, huste nicht mehr und bin fit. Klamotten, Wohnung und Atem stinken nicht mehr nach Zigarettenrauch. Alles ist gut.

Ich habe mich über arrogante Vorgesetzte geärgert, die selbstverständlich und ungefragt in Besprechungen geraucht haben. Ich ärgerte mich über Qualm in Eisdielen, wenn kleine Kinder dort saßen. Und genervt hat es mich, nach jeder Party und jedem Kneipenbesuch alle Klamotten komplett in die Waschmaschine packen zu müssen. Alles wahr, alles richtig. Und dennoch:

Kürzlich ging ich bei einer Feier vor die Tür, um mitten in der Gruppe von Rauchern ein wenig „passiv zu rauchen“. Es war wie früher, als die vermeintlich netteren und interessanteren Gespräche unter Rauchern stattfanden, zuerst in den kleinen Pausen zwischen den Unterrichtsstunden, später in den kurzen Pausen, die die Arbeit unterbrachen.

In diesen sieben Minuten, die es dauert eine Zigarette zu rauchen, konnten wir politisieren, debattieren, quatschen, tratschen und labern. Es war nicht nur die Zigarette, es war soziales Miteinander, ein Zusammentreffen unter Gleichgesinnten. Wir waren Raucher, wir hatten sieben Minuten Zeit und in dieser Zeit stand nichts anderes an: keine Arbeit, kein Unterricht, keine Pflichten, nichts.

Inzwischen ist alles anders: Rauchen ist an vielen öffentlichen Orten verboten, Raucher müssen sich Schlupflöcher suchen. Rauchen hat heute etwas Subversives. Während der Arbeit suchen sich Raucher versteckte Ecken in Kellerräumen, auf Dächern oder Balkonen. Heimlich schleichen sie sich an die Orte ihres sündigen Tuns und häufig frönen sie allein und einsam ihrer Sucht. Während in den Ländern der Peripherie das Rauchen noch immer ein soziales Ereignis ist, an dem viele gemeinsam teilnehmen, haben wir das Rauchen als gesellschaftlich verbindende Droge abgeschafft.

Was haben wir dafür bekommen? Ein gesünderes, längeres Leben, damit wir gesünder, länger und intensiver arbeiten können? Dient die ganze, seit Jahren andauernde Anti-Raucherkampagne letztendlich nicht dazu, uns noch dienstbarer, noch produktiver zu machen?

Ich habe darüber nachgedacht, ob ich nicht wieder mit dem Rauchen anfangen soll. Aber dann müsste ich mich ja auch in Kellerräumen verkriechen und im Winter mit klammen Fingern auf den Balkonen von Freunden sitzen oder vor den Türen von Kneipen stehen. Was für ein freudloser Genuss, was für eine freudlose Zeit.

Schwadronieren statt informieren: Was der Winterberger Bürgermeister in seiner Neujahrsansprache zum Oversum sagt.

schuetzenhalle
Die Schützenhalle Siedlinghausen, wohin der Winterberger Bürgermeister zum Neujahrsempfang am 10. Januar 2014 geladen hatte. (foto:zoom)

Immer wieder hören wir von Herrn Eickler, Winterberger Bürgermeister, dieselben Floskeln, wenn es um das gescheiterte Leuchtturmprojekt Oversum geht. Dies gilt leider auch für seine Neujahrsansprache 2014.

Man habe „nach europaweiter Ausschreibung“ „Wirtschaftlichkeitsanalysen und Gutachten“, „intensiver Diskussionen“ und „Abwägungsprozesse(n)“ im Winterberger Rat „einstimmig“ entschieden.

Zur Erinnerung: Die Demokratie lebt vom Dissenz und inhaltliche Auseinandersetzungen sollten nicht nur an Stammtischen und in geschlossenen Ratssitzungen stattfinden.

Insbesondere von der Opposition erwarten viele Bürger, dass sie opponiert, dass Sie eine eigene Position vertritt und nicht zum Sprachrohr der stärksten im Rat vertretenen Partei verkümmert.

Weiter im Text der Neujahrsansprache:

Das Oversum an sich gut.

Was bitte ist an einem Schwimmbad „gut“, welches ein knappes Jahr betrieben wurde und nun seit rund neun Monaten geschlossen ist? Was bedeutet „an sich“ in diesem Zusammenhang?

„Verhandlungspaket“ und “Verträge ermöglichen eine riesige Angebotsvielfalt und viele Chancen – nur sie werden (noch) nicht gelebt“, so der Bürgermeister.
Worin besteht das Angebot? – Freibad? Nein. Eislauffläche? Nein. Schwimmbad? Nein. Wahrlich eine „riesige Angebotsvielfalt“, aber faktisch reichlich tot.

Die Phrase „noch nicht gelebt“ wird von Herrn Eickler immer und immer wieder strapaziert. Was wären das für Chancen, die zu leben sind? Könnten wir das endlich einmal konkret erfahren? Was meint der BM, wenn er sagt, die Stadt würde „alle vertraglichen Inhalte nach wie vor vollständig leben“?

Wir arbeiten seit Monaten intensiv und hoch professionell an einem Zukunftskonzept und es wird auch eine Lösung geben.

Kein Wort darüber, wie dieses Konzept aussehen könnte, welche Lösung dem BM vorschwebt.

Der Weg, um dies zu erreichen, ist aber schwierig, hängt er doch von so vielen Beteiligten ab, die mitreden, vor allem aber auch bereit sein müssen, sich einzubringen. Auch deswegen gibt es eine von Rat und Verwaltung getragene Doppelstrategie: Ob wir über die Juristerei oder über den von uns immer präferierten Verhandlungsweg zum Ziel kommen, ist offen.

Wer bei dem Wort ‚Beteiligte‘ noch dachte, hier wären auch die Winterberger Bürgerinnen und Bürger gemeint, wird sofort eines Besseren belehrt. Die ‚Beteiligten‘ sind die Stadt mit Vertretern der Nachfolgefirmen von Herrn Wäschers GmbHs, die juristisch oder im Hinterzimmer „zum Ziel kommen“.

Was bleibt dem Bürger?

Auf eins können sich unsere Bürger verlassen: Wir werden erst dann im Rat gemeinsam einer Lösung zustimmen, wenn diese das Beste für unsere Stadt und unsere Bürger ist. Erst dann.

Liebe Mitbürgerinnen und Bürger, nun können wir froh und zufrieden sein, denn für uns wird das Beste getan. Damit es auch wirklich zum Besten kommt, darf niemand aufmucken.

Und deshalb ist es wichtig, dass Sie uns auch in dieser Phase vertrauen, dass weiterhin Bürgerschaft, Politik und Verwaltung fest zusammenstehen und sich auch nicht durch äußere Einflüsse entzweien lassen.

Hätte Herr Eickler uns nicht Bürger, sondern Untertanen genannt, wäre das Bild stimmig gewesen:

Wir werden nicht informiert, wir werden nicht politisch beteiligt, wir dürfen uns nicht äußern. Wir sollen den Mund halten, weil wir sonst alles kaputt machen würden. Rat und Bürgermeister werden es schon richten.

Gegen Homophobie – für Aufklärung. Gegenpetition zu: Kein Bildungsplan 2015 unter der Ideologie des Regenbogens

gegenpetitionIch habe heute den Brief eines Kollegen erhalten, der bestürzt darüber ist, dass bereits mehr als 95.000 Menschen eine Online-Petition unterzeichnet haben, die sich gegen Homosexualität als Unterrichtsthema wendet und weiterhin darüber, dass der Initiator für seine intoleranten homophoben Ansichten in der Presse und im Fernsehen eine große Plattform erhält.

Diese Petition zeige, dass die Pläne der baden-württembergischen Landesregierung,  die „Akzeptanz sexueller Vielfalt“ an Schulen durch den neuen Bildungsplan zu fördern, wichtig seien.

“ … Initiator Gabriel Stängle, der auch Leiter des Referats Erziehung, Bildung und Schulpolitik im baden-württembergischen Realschullehrerverband ist, (..propagiert..) hier ganz offen homophobes Gedankengut. So kritisiert er unter anderem, dass laut Bildungsplan im Unterricht künftig „verschiedene Formen des Zusammenlebens von/mit Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender, Transsexuellen und Intersexullen (LSBTTI)“ thematisiert werden sollten, wobei die „negativen Begleiterscheinungen eines LSBTTIQ-Lebensstils“ (das Q steht noch zusätzlich für das englische „queer“) vernachlässigt würden. Als solche benennt der Lehrer beispielsweise eine „höhere Suizidgefährdung unter homosexuellen Jugendlichen“ und eine „erhöhte Anfälligkeit für Alkohol und Drogen.

Stängle, der in einer christlichen Gemeinschaft aktiv ist, musste seine Äußerungen auf Anweisung der Betreiber der Petitionsplattform „Open Petition“ bereits entschärfen. Auch eine Strafanzeige wegen Verunglimpfung und Volksverhetzung ging gegen ihn ein. Diese ist zwar vom Tisch: Der zuständigen Staatsanwaltschaft in Tübingen zufolge sind Stängles Äußerungen in der jetzigen Form von der Meinungsfreiheit gedeckt. Doch die Diskussion um schulische Toleranzlehre hat vor dem Hintergrund des Coming-outs von Ex-Fußballprofi Thomas Hitzlsperger gerade erst begonnen….“
http://www.sueddeutsche.de/bildung/petition-gegen-homosexualitaet-im-unterricht-wider-die-toleranz-1.1859429

Die Gegenpetition hat folgenden Wortlaut:

Ich wende mich gegen die Petition „Zukunft – Verantwortung – Lernen: Kein Bildungsplan 2015 unter der Ideologie des Regenbogens“ (www.openpetition.de/petition/online/zukunft-verantwortung-lernen-kein-bildungsplan-2015-unter-der-ideologie-des-regenbogens), da ich die Umsetzung der „Akzeptanz sexueller Vielfalt“ nur unterstützen kann. Bei Schüler_innen ein Bewusstsein zu schaffen, wonach Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, Transsexuelle und Intersexuelle (LSBTTI) nichts „Abnormales“ sind, halte ich für wichtig und richtig.

Die Argumentation, LSBTTI sei gefährlich, halte ich für falsch und vollkommen verquer. Es verhält sich – meiner Ansicht nach – vielmehr so, dass sich bei LSBTTI deshalb ein erhöhtes Suizidverhalten zeigt, weil Teile der Gesellschaft ihnen immer noch – und eben u.a. gerade durch solche Petitionen – das Gefühl geben, abnormal zu sein, sodass es schwierig wird, sich selbst zu akzeptieren. Daraus, weil nicht kleine Teile der Gesellschaft einem das Gefühl geben „falsch“ zu sein, resultiert die erhöhte Suizidrate, nicht durch die Zugehörigkeit zu den oben genannten Gruppen. Und genau deshalb ist es so wichtig, zukünftigen Generationen zu vermitteln, das LSBTTI keinesfalls „falsch“ sind und dass sie offen leben dürfen, was sie sind, ohne sich dessen schämen zu müssen oder von anderen beschimpft oder angegafft zu werden.

Dies ist mir ein wichtiges Anliegen, das hoffentlich viele teilen.

Hier kann man die Gegenpetition unterstützen:
https://www.openpetition.de/petition/online/gegenpetition-zu-kein-bildungsplan-2015-unter-der-ideologie-des-regenbogens

Die Gegenpetition hat nach 4 Tagen bereits mehr als 30.000 Unterstützer.

‚Awesome‘ oder grausam? Trailer für die Bob und Skeleton WM 2015 in Winterberg

Kürzlich sah ich im Winterberger Kino diesen Trailer, der für die Bob und Skeleton WM in über einem Jahr wirbt.

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
Video-Link: http://youtu.be/twIHnuNGxh0

Mein erster Gedanke: Den werde ich wohl noch häufiger zu sehen bekommen. „It’s awesome!“ ruft der Kommentator begeistert. Schnelle Schnitte, extreme Nahaufnahmen, dynamische und mitfiebernde Athleten. Alle wirken ein wenig hyper.

Doch plötzlich kippt ein Bob um und rutschte eine ganz Weile auf der Seite durch den Eiskanal. Werbung für den Bobsport? Schließlich kann man dabei sterben.

Das wäre ja so, als würde man Skirennen mit spektakulären Stürzen bewerben. Gut, der Bob richtet sich wieder auf, von Verletzungen sehen wir nichts. Doch ich bin irritiert. Meine Kinonachbarin auch. Fehlt uns die nötige Begeisterung für den Bobsport, oder ist dies kleine Filmchen geschmacklos?

Lesetipp! Stuttgarter Zeitung berichtet: „Mängel im Bäderpark in Leimen – PPP-Firma zu Schadenersatz verurteilt“

Die Stuttgarter Zeitung berichtete in einem sehr lesenswerten Artikel von Johanna Eberhardt am 09.12.2013 über das Public-Private-Partnership Projekt in Leimen.

Hier einige Auszüge aus dem informativen Text:

Das „Landgericht Heidelberg (hat) jetzt Schadenersatzforderung der Stadt gegen die Nachfolgerin des früheren Generalunternehmers des Projekts, die s.a.b. Friedrichshafen, bestätigt. Konkret ging es in der ersten Prozessrunde um einen Streitwert von 145 000 Euro.“

„Ein Ende der Probleme dort ist auch noch nicht abzusehen. ,Ich rechne damit, dass wir noch fünf bis sechs Jahre lang mit der Beseitigung von Mängeln beschäftigt sein werden‘, erklärte der Leiter der Leimener Stadtwerke, Rudi Kuhn. Dabei werde die Auseinandersetzung um Haftungsfragen erheblich dadurch erschwert, dass die frühere Partnerfirma ,immer neue Gesellschaften gegründet hat – denen rennen wir jetzt hinterher‘, erläutert er.“

„Die Firma hat dagegen bereits Berufung angekündigt. In [sic!] Leimener Rathaus prüft man indessen, ob man nicht auch strafrechtlich gegen die frühere Partnerin vorgehen kann.“

„Statt Geld nachzuschießen, entschied der Rat allerdings im April 2009, den bestehenden PPP-Vertrag aufzuheben und die Bäder wieder in eigener Regie zu betreiben. ,Schon kurz danach ist der Streit losgegangen‘, erklärt Stadtwerkeleiter Kuhn heute. ,Wir hatten Mängel durch alle Gewerke hindurch: in der Lüftungsanlage, an den Gebäuden, an den Außenanlagen. Das reichte vom undichten Dach über schadhaftes Mauerwerk bis zu falschen Türen und Kleiderhaken.’“

Der vollständige Artikel mit weiteren Informationen über ein gescheitertes PPP-Projekt ist hier zu finden:

http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.maengel-im-baederpark-in-leimen-ppp-firma-zu-schadenersatz-verurteilt.a7dafbc0-0924-428c-85f2-92471da398be.html

Finde den Fehler. Update: Schneefreies Winterberg

Schnee
Screenshot des Schneeberichts vom Sahnehang auf der Website der Stadt Winterberg vom 26.12.2013.
Sahnehang
Der Sahnehang am 25.12.2013 (foto: jh)

Update: Diese Piste heißt tatsächlich ‚Sahnehang‘. Wenn die Sonne scheint und Schnee liegt, wird diese Abfahrt am Kahlen Asten ihrem Namen durchaus gerecht.
Momentan ist Winterberg jedoch schneefrei. Der Sahnehang wurde vor einigen Wochen beschneit, von dem Kunstschnee ließ das milde Wetter jedoch kaum etwas übrig. Die ‚Talabfahrt‘ ist allenfalls für Mountain-Biker ‚frei‘, für Skiläufer hieße es: abschnallen und zu Fuß gehen.

BlickVomKahlenAsten
Blick vom Kahlen Asten (25.12.2013, jh)
Des einen Leid ist des anderen Freud: Dank der milden Temperaturen sind die Wanderwege von den Bergen bis in die Täler passierbar. Warum also nicht mal ein wenig bei herbstlichen Temperaturen durch das winterliche Sauerland wandern? Spart den Skipass und erlaubt das ein oder andere Foto am Wegesrand.