Ein Besuch am Stammtisch der SPD Winterberg

Am Kopfende des SPD-Stammtisches: Bürgermeisterkandidatin Anja Licher-Stahlschmidt mit Genossen und interessierten Bürgern. (foto: zoom)

Als ich heute Abend um kurz vor 7 das Rhinos in Winterberg betrat, wurden gerade die Stehtische für den offenen politischen Stammtisch der SPD zusammengeschoben. Mehr als 20 interessierte Frauen und Männer, GenossInnen und unorganisierte Bürger*innen drängelten sich um die Gesprächsrunde.

Ich hatte damit gerechnet, in einem muffigen Hinterzimmer mit Einführungsreferat und reglementierter Diskussion zu landen. Alles falsch. Wir saßen mitten im Kneipenleben, umgeben von den normalen Gästen.

Den großen Fragenkatalog „an die Kandidatin“ habe ich stecken lassen und mich mit den Menschen unterhalten, mit denen ich gerade zufällig zusammen hockte.

Links neben mir Fritz Kelm aus Niedersfeld, rechts Christoph Stötzel, Nachbar aus meinem Ort. Frauen saßen ebenfalls am Tisch und nicht nur die eine, wie das Bild suggeriert. Pi mal Daumen ein Viertel weibliche Teilnehmerinnen, aber ich bin ihnen heute nicht nahe genug gekommen, um sie ausfragen zu können.

Zuerst ein alkoholfreies Weizen und dann die Themen.

Die gestrige Ratssitzung: vier Anträge hätte die SPD-Ratsfraktion durchbekommen:

  1. Klimaschutzziele müssten demnächst bei allen Ratsbeschlüssen mit überprüft werden, so wie es jetzt schon bei der Demografie sei.
  2. Städtische Gebäude sollen um den Einsatz erneuerbarer Energien gecheckt werden.
  3. Die oft düsteren Bushaltestellen und Wartehäuschen sollen mit LED-Technik ausgerüstet werden.
  4. Eine Resolution an das Land sei verabschiedet worden, die Flüchtlingsarbeit vor Ort finanziell angemessen zu unterstützen.

Bewunderung meiner Gesprächspartner für einen CDU-Antrag. Für jedes in Winterberg geborene Kind solle zukünftig ein Baum im Stadtgebiet gepflanzt werden.

Dann das Gespräch über den voraussichtlichen CDU-Bürgermeisterkandidaten und jetzigen Tourismusdirektor Michael Beckmann.

Anerkennung, wie er seinen Job als Verkäufer des Produkts „Tourismus-Destination Winterberg“ erledigt. Aber kann er auch Bürgermeister? Da haben wir lange hin und her diskutiert. Ende offen.

Ich bestelle mir noch eine Flasche Mineralwasser.

Eine Vorteil hätte Beckmann gegenüber Anja Licher-Stahlschmidt. Er sei durch seine Arbeit in der Winterberger Touristik und Wirtschaft GmbH ein seit Jahren bekanntes Gesicht.

Das werde sich, so Ratsmitglied Christoph Stötzel, in den nächsten Wochen und Monaten ändern. Anja werde sich in den Ortsteilen vorstellen und auf den Festen und Veranstaltungen zugegen sein. Danach werde jeder Bürger und jede Bürgerin Anja Licher-Stahlschmidt kennen.

Welche Ziele sie als Bürgermeisterin für Winterberg habe? Das könne ich zuerst auf der Website der SPD nachlesen:

https://spd-winterberg.de/unsere-kandidaten-2020/

Anderthalb Stunden im Rhinos, und anderthalb Stunden links und rechts gequatscht. Eine halbe Stunde davon sind jetzt hier im Blog protokolliert. Den Rest behalte ich für mich. Das muss sich erst einmal setzen. So viele Details. Mir platzt der Kopf.

Im Auto zurück nach Siedlinghausen habe ich mir mit der Hand vor die Stirn geschlagen: Mist! Vergessen, zu fragen, was die GenossInnen von Sigmar Gabriels „Move“ in den Aufsichtsrat der Deutschen Bank halten.

Während den sechs Neu-Mitgliedern im Ortsverband Winterberg auf dem offenen Stammtisch die roten Parteibücher übergeben werden, reißt der Genosse Gabriel die Partei von oben in die Tiefe.

Wäre ich SPD-Mitglied und mir vor Ort den Ar… abrackern – ich würde heulen.

Pausenbilder und Spaziergänge: Hallenberg – Eder – Rennertehausen

Blick auf Hallenberg am eher trüben Montag dieser Woche. (foto: zoom)

Am Montag hatte ich mit Sonne gerechnet, aber es wurde dann leider ein bedeckter Tag mit blauen Himmelsflecken.

In Hallenberg habe ich einen Standpunkt gesucht, um in die Ortsmitte hinein zu fotografieren. Auf die Schnelle nicht so einfach, auch wenn Hallenberg von vielen Hügeln umgeben ist.

Mein Ziel war die Eder zwischen Allendorf, Rennertehausen und dem Bauernhof an der Straße nach Birkenbringhausen.

Wer meinen Radtouren von Siedlinghausen nach Marburg folgt, weiß, dass hier der Ederradweg verläuft. Zu Fuß – im Winter – eine entspannte Alternative.

An Baum und Aussichtsplattform habe ich schon häufiger mit dem Rad gerastet. (foto: zoom)

Vom Turm herab bieten sich auch bei schlechtem Wetter interessante Perspektiven.

Blickrichtung Frankenberg: Turm, Entwässerungsgraben, Radweg und Wiesen bei Rennertehausen. (foto: zoom)

Ein Spaziergang durch Nord-Holland: Danzig, Mutter, Graffiti und der Mord an Halit Yozgat

Ich werde in meinem Leben nicht mehr durch diese Tür gehen. (foto: zoom)

Als ich vor der Tür zur Kneipe „Mutter“ im Kasseler Stadtteil Nord-Holland stand, wusste ich, dass ich in meinem Leben nicht mehr durch diese Tür gehen werde. Das Alter der Schamlosigkeit ist vorbei.

Die unmittelbare Assoziation war Danzig und ihr brachialer Song „Mother“. Ob das alles zusammenhängt, weiß ich nicht, denn ich gehe nicht durch diese Tür und so stelle ich mir vor, dass allabendlich in der Bunsenstraße das Lied vor grölenden, Schnaps-trunkenen männlichen Spätpubertanten aus scheppernden Lautsprechern ertönt – als Ritual um 4 Uhr morgens.

https://www.youtube.com/watch?v=Q7KLdET1lBM
 
 
Wie dem auch sei, das sozial-schwache Viertel zwischen der Universität am Hopla und dem Hauptfriedhof wird in den nächsten Jahren geduldig auf seine Gentrifizierung warten.

Graffiti sind die Vorboten. Cool?

Graffiti am Nordstadtpark. (foto: zoom)

Auf dem Rückweg wurde ich an Halit Yozgat (* 1985 in Kassel; † 6. April 2006 ebenda) erinnert. Er war das neunte und letzte Todesopfer der Mordserie, die in den Jahren 2000 bis 2006 in deutschen Großstädten durch die rechtsextreme Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) verübt wurde.

Initiativen fordern: Holländische Straße zu Halitstraße umbenennen! (foto: zoom)

Halit Yozgat wurde in seinem Internetcafé im Kasseler Stadtteil Nord-Holland durch zwei gezielte Pistolenschüsse in den Kopf ermordet.

Zur Tatzeit war Andreas Temme, ein Mitarbeiter des hessischen Landesamtes für Verfassungsschutz, anwesend, der zeitweise als Mordverdächtiger galt und festgenommen wurde. Sein Telefon wurde von der Polizei überwacht. Abgehörte Gespräche wurden erst ab 2015 öffentlich bekannt, die Ermittlungen führten bis zur Aufdeckung des NSU im November 2011 ins Leere.

Trotz der weiteren Ermittlungen gegen Temme, mehrfacher Vernehmungen von ihm als Zeugen im Münchener NSU-Prozess und in verschiedenen parlamentarischen Untersuchungsausschüssen, dem Eintreffen von Yozgats Vater kurz nach der Tat und der sekundengenauen Rekonstruktion des Tathergangs durch die Polizei ist der Anschlag bis heute nicht geklärt.

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Halit_Yozgat

Wie weit ist der Weg vom Mord an Halit Yozgat 2006 zum Mord an Walter Lübcke 2019?

Walter Lübcke (* 22. August 1953 in Bad Wildungen; † 2. Juni 2019 in Wolfhagen-Istha) war ein deutscher Politiker. Er gehörte der hessischen CDU an, war Abgeordneter des Hessischen Landtags und von 2009 bis zu seinem Tod Regierungspräsident im Regierungsbezirk Kassel. 2015 wurde er durch sein Engagement für Flüchtlinge und seinen Widerspruch gegen Pegida-Anhänger deutschlandweit bekannt.

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Walter_L%C3%BCbcke

Die Nazi-Netzwerke in Kassel wären ein weiteres Thema. Die Stadt beunruhigt mich.

Nachtrag: „Heaven can wait“ – Kondolenzbuch für Jan Fedder in der Davidwache

„Heaven can wait“ – Schlange vor der Davidwache: Eintrag ins Kondolenzbuch für Jan Fedder. (foto: zoom)

Manchmal habe ich meine „Forrest Gump Momente“. Am 5. Januar gingen wir zufälligerweise an der Davidwache in Hamburg St. Pauli vorbei. Es war Sonntag und die Menschen warteten ruhig in einer langen Schlange.

Ein Polizist in Uniform ließ immer nur ein oder zwei Leute gleichzeitig ein.

Im Nachhinein bin ich schlauer, aber vor zwei Wochen habe ich im ersten Moment gedacht, dass irgendeine überfüllte „Polizei-Crime-St. Pauli-Ausstellung“ stattfände.

Ich bin halt kein Fernsehmensch.

„Ist hier irgendwas Besonderes?“, habe ich den Polizisten an der Tür gefragt.

„Das Kondolenzbuch für Jan Fedder liegt aus!“, trocken und ernst die Antwort des Uniformierten.

„Oh, danke!“, mehr fiel mir nicht ein, und in diesem einen Moment wünschte ich mir, dass ich beim Fernsehgucken besser aufgepasst hätte, denn es dämmerte mir.

Die Tür zur Wache ging auf, ein älteres Paar kam heraus und zwei jüngere Leute wurden hinein gelassen.

R.I.P. Jan Fedder

Winterberg: heute mit Schnee

Heute Nachmittag oberhalb des Schmantel-Rundwegs (foto: zoom)

Heute Nachmittag hat es in Winterberg geschneit. Nicht viel, aber es reichte für ein leidlich winterliches Ambiente.

Morgen soll es dann mit wenigen Flocken weiter gehen, und ab Montag zeigt mir der Wetterbericht Sonne und Kälte, also Schneekanonen-Wetter.

Die schattigen Pisten werden es wahrscheinlich bis zum nächsten Wochenende schaffen, ihre Schneedecke zu stabilisieren.

Ob es vorher noch einmal Naturschnee geben wird? K.A.

Naturschnee auf dem Weide-Pfosten – da geht noch was (foto: zoom)

Auch ohne Schnee: die ersten Schneeglöckchen blühen bei uns im Hochsauerland

Ein Schneeglöckchen von Vieren, die heute in unserem Vorgarten blühen. (foto: zoom)

Ich muss zugeben, dass ich nicht der erste war, der heute die blühenden Schneeglöckchen in unserem Vorgarten entdeckt hat. Ehre wem Ehre gebührt.

Schneeglöckchen gehören zu den ersten Blütenpflanzen des Vorfrühlings.

Gemessen am Gebietsmittel der Schneeglöckchenblüte für Deutschland dürfte Galanthus, so der Gattungsname, nicht vor Februar mit seinem langen Blütenschaft und der weißen Einzelblüte erscheinen.

Das Klima ändert sich. Auch die Schneeglöckchenblüte beginnt immer früher. (grafik[1]: dwd)
Die Zeiten haben sich geändert. Das lineare Gebietsmittel ist von ca. 67 Tagen nach Jahresbeginn (März) auf ca. 49 Tage (Februar) gesunken, wobei die Einzelwerte je nach Saison heftig ausschlagen.

Der 16. Januar liegt jedenfalls weit unterhalb der Kurve, was mich angesichts des bislang schneearmen und milden Winters nicht wundert.

Jetzt bin ich gespannt, welche Frühblüher als nächstes erscheinen.

Winterlinge? Buschwindröschen? Scharbockskraut?

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[1] Quelle der Grafik:

https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/384/bilder/dateien/6_abb_schneegloeckchenbluete_2019-11-27.pdf

Winterberg: Bewerber um CDU-Bürgermeisterkandidatur stellen sich in öffentlichen Regionalkonferenzen vor

Tourismusdirektor Michael Beckmann (2. v.l.) im Mai 2019 auf einem SPD-Workshop in Silbach. (foto: zoom)

Der CDU Stadtverband Winterberg hatte im Dezember 2019 beschlossen, die Nominierung für die CDU-Bürgermeisterkandidatur in Winterberg in einem offenen und transparenten Ausschreibungsverfahren durchzuführen.

(nach Informationen von der CDU-Website)

Im Rahmen dieses Ausschreibungsverfahrens stellen sich die Bewerber auf vier Regionalkonferenzen im Stadtgebiet Winterberg den Bürgerinnen und Bürgern vor.

Die Regionalkonferenzen sind öffentlich für jedermann und finden wie folgt statt:

Montag, 27.1.2020 19.30 Uhr
Niedersfeld, Hotel Niedersfeld

Dienstag, 28.1.2020 19.30 Uhr
Siedlinghausen, Gasthof Lingenauber

Mittwoch, 29.1.2020 19.30 Uhr
Züschen, Haus des Gastes

Donnerstag, 30.1.2020 19.30 Uhr
Winterberg, Schützentreff am Postteich

Der Kandidat wird dann auf der Aufstellungsversammlung am 7.2.2020 gewählt. Wahlberechtigt sind hier alle Mitglieder der CDU im Stadtgebiet Winterberg.

Der langjährige CDU-Bürgermeister Werner Eickler, wird sich dem Prozedere nicht stellen. Er sei, so Medienberichte, der Meinung, dass seine Amtsführung als Ausweis ausreiche. Medienberichten zufolge erwäge Eickler im Laufe des Jahres eine Kandidatur aus dem Amt heraus, also auch ohne Zustimmung seiner Partei.

Lange ein Gerücht, jetzt Gewissheit: Michael Beckmann, Geschäftsführer der Winterberg Touristik und Wirtschaft GmbH,  wird sich auf den Konferenzen als Bürgermeisterkandidat der CDU für Winterberg bewerben.

Sollte Beckmann die Zustimmung der CDU erhalten, würde die politische Auseinandersetzung um das Amt der Winterberger Bürgermeisterin/des Bürgermeisters auf Anja Licher-Stahlschmidt (SPD) – Michael Beckmann (CDU) plus eventuell Werner Eickler (ohne Unterstützung der eigenen Partei) hinauslaufen.

Andere CDU-Bewerber werden zur Zeit in der Öffentlichkeit nicht gehandelt. Ob es dabei bleibt, wird die erste Regionalkonferenz am Montag, den 27. Januar in Niedersfeld zeigen.

Pausenbild: die Tage werden merklich länger

Sonnenuntergang über dem Negertal (foto: zoom)

Die Tage sind merklich länger geworden – heute 8:23 Minuten in Siedlinghausen, der Fortschritt von 7:58 am 1. Januar diesen Jahres beträgt satte 25 Minuten.

Es geht bergauf.

Auch wenn heute milde Temperaturen von 11°C herrschen, und ich schon von Schneeglöckchen und Narzissen zu träumen begonnen habe, ist der Winter noch lange nicht gegessen.

Es kann noch kalt werden. Es kann noch schneien. Es kann noch stürmen. Es kann noch sehr sehr ungemütlich, aber auch sehr schön winterlich werden.

Abgerechnet wird im Mai.

Bis dahin: genießt die Wetterlagen.

Pausenbilder: der Bauzaun an den ehemaligen Esso-Häusern – Einstein nach dem anderen, und hast du gepupst?

EinStein nach dem anderen …. am Bauzaun (foto: zoom)

Als ich Anfang dieses Jahres an dem Bauzaun stand, der das Gebiet der ehemaligen Hamburger Esso-Häuser umgibt, fielen mir die vielen Besucher auf, die ihrer Begleitung erzählten, wie sie damals (2013/2014) versucht hätten, die Häuser gegen den Abriss zu verteidigen.

Sentimentale Revoluzzer im Erinnerungsmodus.

Die Männer und Frauen, die dort im ehemaligen Gefahrengebiet St. Pauli ihre heroische Vergangenheit wiederaufleben ließen, sahen dabei durch und durch bürgerlich-gesittet aus.

Fast auf den Tag genau vor sechs Jahren hatte ich die Esso-Häuser zufälligerweise fotografiert und einige wenige Informationen zusammengetragen:

Im Wortlaut: Polizei Hamburg richtet ab heute früh um 6 Uhr Gefahrengebiet ein

Jetzt sind sie schon lange weg, die Esso-Häuser und am Bauzaun heißt es lapidar: „Hast du gepupst?“

Reeperbahn. Hast du gepupst? Ja! (foto: zoom)

Konzerthaus Dortmund: Von Igor Levit zu Hamlet

Der Saal füllt sich. Ich warte auf Igor Levit … (foto: zoom)

Donnerstag Abend habe ich den Klavierabend von Igor Levit im Dortmunder Konzerthaus besucht. Es war harte Arbeit.

Das Programm für Kenner*innen:

Zum Verücktwerden
Johann Sebastian Bach, Chaconne aus Partita für Violine solo Nr, 2 d-moll BWV 1004
„Brahms transponierte Bachs Violinstimme eine Oktave tiefer und nahm einige Notenänderungen und Richtungswechsel vor, um die Musik ganz für das Klavier einzurichten. Es ist ihm unglaublich gut gelungen.“

Vier Episoden
Frederic Rzewski, „Dreams II“
„Vor ein paar Jahren sah Rzewski den Film „Dreams“ von Akira Kurosawa, für den der japanische Regisseur seine eigenen Träume in kurze filmische Episoden verwandelt hatte, die zusammen ein ganzes Menschenleben erzählen.“

Barocke Variationslust
Johann Kaspar Kerli, Passacaglia
„Nicht weniger als 40 Variationen in knappen sieben Minuten hält die monumentale Passacaglia von Johann Kaspar Kerli am Anfang der zweiten Konzerthälfte bereit.“

Zukünftige Musik von gestern
Ferruccio Busoni, Fantasia contrappuntistica
„1909 brach Ferruccio Busoni zu einer großen Amerika-Tournee auf, im Gepäck auch die ‚Kunst der Fuge‘ von Johann Sebastian Bach.“

Ich bin kein Kenner, sondern lediglich Musikkonsument. Und so hat mich das fast 40 Minuten lange Stück von Rzewski sehr angestrengt. Das ging nicht runter wie die Klaviersonaten von Beethoven, deren Einspielung von Igor Levit ich seit Oktober letzten Jahres hoch und runter gehört habe.

Rzewski hatte ich im November beim Konzert von Sergei Babayan kennengelernt, aber das Rondo war kürzer und verdaulicher.

Igor Levit ist ein „Fan“ von Frederic Rzewski und sein Vortag war leidenschaftlich virtuos, wie auch bei den drei anderen Stücken des Abends.

Damit ihr euch vorstellen könnt, was ich mit „harte Arbeit“ meine, hier die komplette Einspielung von „Dreams“ vom Meister persönlich:

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Video-Link: https://www.youtube.com/watch?v=DkhbGeHj_n8

 
Der Musikabend mit Igor Levit hat mich sehr bewegt, gerade weil es keine HeiaPopeia-Für-Elise-Musik zu hören gab. Mein etwas älterer Sitznachbar auf dem Balkon bemerkte: „Klasse, aber da muss ich noch eine Menge zu Hause nacharbeiten und recherchieren.“ Das sei keine Musik, die er gemütlich auf dem Sofa hören könne. Ich schlug vor, das ganze beim Kochen in der Küche zu goutieren, was er aber nicht nachvollziehen konnte.

Überhaupt – die Sitznachbarn und die Pausengespräche bildeten einen zweiten Hintergrund, ein Stück im Stück.

Schnitt … Pause

Ich sitze auf einem der Kunstleder-Quader vor dem Saal, blättere im Programm, ein älterer Herr: „Entschuldigen Sie, aber wissen Sie, welches Stück gerade gespielt wurde? Ich war zu spät. Stau.“

Rzeweski, sage ich. Nein, ich murmele etwas mir R und W, völlig falsch.

Ah, „Schewski„, das slawische RZ … bemerkt mein neu gewonnener Pausen-Gesprächspartner. Das Stück wäre ihm schwer gefallen, denn er käme eigentlich eher vom Theater.

Und dann ging irgendwie die Post ab. Wir kamen von der Überwindung des deutschen Idealismus zum Höderlinjahr 2020 und der Pop-Geschichte von Diedrich Diederichsen.

„Lesen sie die Adorno-Vorlesungen. Suhrkamp. Lesen Sie Diederichsen.“

Diederichsen habe seit einigen Jahren eine Professur in Wien, ja … und seine Frau …

Ich lasse einige Wendungen des Gesprächs aus, aber auf jeden Fall müsse ich die Hamlet-Inszenierung am Bochumer Schauspielhaus sehen. Mit Johan Simons sei das Theater aus einer Krise heraus gekommen.

Und was die Philosophie anginge, die er an der Ruhruniversität gelehrt habe, ich müsse Christoph Menke lesen.

Es gongte zum zweiten Teil des Konzerts und wir verabschiedeten uns in Hochstimmung. Er ein emeritierter 80-jähriger Professor und ehemaliger Dramaturg, ich ein kleines Licht mit vielen neuen Aufgaben:

Diederichsen lesen

Hamlet im Schauspielhaus sehen

Christoph Menke lesen.

Wird gemacht. Tickets für Hamlet sind gebucht. Jetzt noch der Rest.