Klima- und naturschutzgerechter Waldumbau müssen angesichts zunehmender Witterungsextreme oberste Priorität haben

„Wir müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, daß sich die Wälder von selbst stabilisieren können.“

Die prekäre Lage der Wälder, bezeichnenderweise muß man ja von Forsten sprechen, hat tiefer liegende Ursachen: Eine Überfrachtung der Wälder mit Schadstoffen aus den Bereichen Verkehr und Landwirtschaft, Überdüngung, auch durch Stickstoffverbindungen ( z. B. Ammoniak), weiterhin Monokulturen und Trophäenjagd.

(Der Beitrag von Karl Josef Knoppik ist auch als Leserbrief an den Sauerlandkurier versandt worden.)

Einem ganzen Cocktail von Umwelteinflüssen ist unsere „grüne Lunge“ ausgesetzt. Man macht es sich aber zu einfach, die Schäden bzw. Ausfallerscheinungen in unseren Wäldern allein dem Klimawandel zuzuschreiben. Dessen Auswirkungen sind infolge der genannten massiven Eingriffe (direkt oder indirekt) natürlich umso schlimmer.

Nun rächt sich eine über Jahre und Jahrzehnte hinweg praktizierte naturwidrige Waldbehandlung durch eine am Renditedenken orientierte Forstwirtschaft.

Zwar sind auch Schäden in Laubholzbeständen zu beklagen. Diese sind jedoch darauf zurückzuführen, daß auch solche Wälder mit ihrer einheitlichen, undifferenzierten Struktur, etwa monokulturelle Eichenplantagen, häufig nicht als naturnah oder gar naturgemäß anzusprechen sind. Dadurch wird es „Schädlingen“, wie z. B. dem Schwammspinner, enorm erleichtert, sich explosionsartig auszubreiten.

Ökologisch intakte, natürlichen Prinzipien entsprechende Eichenwälder, vergesellschaftet mit Hainbuchen im Unterstand, die den Boden beschatten, entziehen den „Schädlingen von morgen“ ihre Lebensmöglichkeiten. Unentbehrlich sind auch Begleitbaumarten, wie Birke, Espe, Salweide oder Vogelbeere.

Als erstes müssen naturferne Fichten- und Kiefernforste unverzüglich in naturnahe Laubmischwälder umgewandelt werden. „Vorhandene Erfolge wie in den Wäldern um Berlin, dem brandenburgischen Stadtwald Treuenbrietzen oder dem Nürnberger Stadtwald zeigen lt. BUND, daß solche Waldumbaumaßnahmen die Waldbrandgefahr verringern.“ Damit der Umbau gelingt, sind die Schalenwildpopulationen (Reh- und Rotwild) auf ein für die Verjüngung des Waldes erforderliches Maß zu reduzieren.

Nadelbäume sollten nur noch in Beimischung oder gruppenweise angepflanzt werden, wobei die schattentolerante Weißtanne, die im Vergleich zur Fichte Wetterextremen, wie Stürmen, Trockenheit und Hitze weitaus mehr entgegenzusetzen hat, besonders zu fördern ist.

Wir müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, daß sich die Wälder von selbst stabilisieren können. Deshalb heißt das Gebot der Stunde: Ökologisch verträgliche Bewirtschaftung. Sie ist auch deshalb nötig, weil so mehr Feuchtigkeit im Wald verbleiben kann. Entwässerungen müssen ab sofort tabu sein. Dichtes Unterholz schützt den Waldboden vor dem Austrocknen.

Ein Wald kann nur dann viel Wasser speichern, wenn tief wurzelnde Bäume und Bodenlebewesen ein weit verzweigtes Hohlraumsystem schaffen, das dem Waldboden die Eigenschaften eines Schwamms verleiht. Er kann Wasser aufsaugen und gefiltert wieder abgeben.

Außerdem muß der bei der Holzernte viel rücksichtsvoller vorgegangen werden. Insbesondere große Erntemaschinen, wie Harvester, welche den empfindlichen Waldböden enorm zusetzen und zu Verdichtungserscheinungen führen, die das Bodenleben verarmen lassen und eine Infiltration des Waldbodens verhindern, dürfen nicht mehr zum Einsatz kommen. Im Interesse einer bodenschonenden Bewirtschaftung, die angesichts der dramatischen Situation in unseren Wäldern dringend erforderlich ist, sollten in verstärktem Maße auch so genannte Rückepferde diese Aufgabe übernehmen. Eine entsprechende finanzielle Förderung durch die Länder ist unabdingbar.

Parallel dazu ist auch mehr qualifiziertes Personal bereitzustellen, was allerdings voraussetzt, daß die infolge der Zusammenlegung bzw. Ausweitung der Forstreviere entstanden ineffizienten Strukturen rückgängig gemacht und wieder in kleinere, überschaubare Einheiten überführt werden.

Von der Forst- und Holzlobby wird quasi als Wunderwaffe gegen die zunehmenden Witterungsextreme die Einbringung exotischer, vermeintlich klimaresistenter Baumarten (Douglasie, Roteiche, Schwarzkiefer usw.) angepriesen. Das wäre aber aus Naturschutzgründen nicht zu verantworten und würde der ohnehin stark gefährdeten Biodiversität in unseren Wäldern endgültig den Garaus machen.

Karl Josef Knoppik, Meschede

Der Naturgarten: Kleinod der biologischen Vielfalt – Refugium für die heimische Tier- und Pflanzenwelt

Der Ökogarten von Norden aus gesehen. In der Bildmitte ist der Feldahorn zu sehen; er eignet sich für kleinere Gärten. (sämtliche Fotos in diesem Beitrag: Karl-Josef Knoppik)

Durch konsequent ökologische Gartengestaltung können trotz oftmals beschränkter Größe wahre Refugien für heimische Tier- und Pflanzenarten entstehen.

In unserer zunehmend homogenisierten Landschaft entstehen hier mit ein wenig Ideen wichtige Trittsteinbiotope. Letztgenannte sind inselartige, mehr oder weniger regelmäßig verteilte Biotope, denen die Aufgabe zukommt, die durch Zerstörung bzw. Entwertung naturnaher Habitate verlorengegangenen Verbindungsstrukturen zwischen noch weitgehend intakten Kern-Lebensräumen zu ersetzen.

Solche Trittsteinbiotope leisten sowohl einen Beitrag zur Arterhaltung als auch zur Neubesiedelung von Tier- und Pflanzenarten. Darüber hinaus sorgen sie dafür, daß der genetische Austausch zwischen den Tierpopulationen möglichst aufrechterhalten wird.

Gast im Naturgarten und nicht selten zu beobachten: Der Buntspecht

Je mehr Fläche ein Naturgarten aufweist und je vielfältiger das Angebot an naturnahen Lebensraumtypen ist, desto günstiger stehen die Aussichten, daß sich eine artenreiche Fauna und Flora einstellt. Der alles entscheidende Faktor ist also die Bereitstellung von geeigneten Habitaten für die heimische Tier- und Pflanzenwelt.


Amphibien wie der Grasfrosch bevorzugen Teich und Wiese in unmittelbarer Nachbarschaft.

Ausdrücklich gewarnt werden muß vor dem Aussetzen von Tierarten, seien es Fische, Kriechtiere oder Amphibien, von Exoten ganz zu schweigen, um auf diese Weise eine schnelle Besiedelung des Gartens zu ermöglichen. Das würde zu bösen Überraschungen führen. Die Fischfauna liefert dafür ein abschreckendes Beispiel: Würde man davon bestimmte Arten in einen Gartenteich einsetzen, machten die sich, solange der Vorrat an kleinen Beutetieren reicht, z. B. über die darin lebenden Molche her, bis die Nahrungsbasis schließlich aufgezehrt ist. Zudem belasten die Exkremente der Fische das stehende Gewässer mit Nährstoffen, so daß diese Organismen irgendwann selbst mangels Nahrung zugrunde gehen.

Feuchtbiotop im Frühjahr

Also bleibt folgendes festzuhalten: Entscheidend ist, daß die Lebensvoraussetzungen stimmen. Ist das gewährleistet, wandern diverse Tierarten je nach Biotopansprüchen schon ganz von selber ein. Für die meisten Arten, z. B. Vögel, dient der Ökogarten als Rast- und Nahrungshabitat. Nicht wenige anpassungsfähige, doch auch seltenere Arten, soweit man sie in der näheren oder weiteren Umgebung erwarten kann, nutzen das Biotop vor der eigenen Haustür manchmal sogar zum Brüten.

Hatten bis vor wenigen Jahrzehnten viele Arten in einer biologisch intakten Kulturlandschaft ein sicheres Zuhause, so finden sie heute keinen Lebensraum mehr. Angesichts dieser besorgniserregenden Entwicklung halte ich es für dringendst erforderlich, ohne Wenn und Aber mindestens 10 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Areale als ökologische Vorrangflächen für den Naturschutz auszuweisen, in denen sowohl jeder Chemieeinsatz als auch die Beseitigung naturnaher Landschaftselemente zu unterbleiben hat. Solange aber daraus nichts wird und infolge des Strukturwandels im ländlichen Raum die biologische Vielfalt immer stärker unter Druck gerät (Hecken, Feldgehölze, Kleingewässer, blütenreiche Wegränder, extensiv bewirtschaftetes Grünland), gewinnen Ökogärten als Oasen für Tiere und Pflanzen ständig mehr an Bedeutung!

Korbiniansapfel, alte Sorte, knackig, saftig, süß-säuerlich, wenig schorfanfällig

Dabei genügt es nicht Wildobst bzw. beerentragende Sträucher und Bäume anzupflanzen. Ökologisch bewußte Gärten sollten auch eine Vielzahl an Wildkräutern („Unkräutern“) aufweisen, deren energiereiche Samen als Nahrung dienen. Blühende Wildpflanzen oder am Boden belassenes Laub locken Insekten an, was wiederum für die Aufzucht von Jungvögeln unentbehrlich ist. Denn von Früchten und Beeren allein können Vogelarten nicht existieren. Sie brauchen für eine gedeihliche Entwicklung auch Nähr- und Aufbaustoffe, die früher in der kleinparzellierten Agrarlandschaft en masse vertreten waren.

Manche Experten empfehlen aufgrund des Nahrungsmangels in der Stadt und auf dem Land eine ganzjährige Fütterung. Ich meine, daß man unseren gefiederten Freunden am besten dadurch hilft, wenn man vor der eigenen Haustür aktiven Naturschutz betreibt und die entsprechenden Lebensbedingungen schafft.

Herbstliche Farbenpracht mit Haselnußstrauch, Felsenbirne (Bildmitte) und Kornelkirsche (rechts). Sie stellt eine erste wichtige Bienennahrung dar und darf in keinem Naturgarten fehlen!

Übrigens empfiehlt es sich mehr einheimische Heckensträucher und weniger Bäume anzusiedeln, da eine nicht allzu hohe Hecke aus Büschen und Sträuchern mehr Brutmöglichkeiten für Vögel bietet. In unserem Garten findet man eine ganze Palette aus heimischen Sträuchern, wie Schlehe, Weiß- und Sauerdorn, Haselnuß, Wildrosen (Hagebutte), Quitte, Gemeiner Schneeball Mirabelle und Felsenbirne. Baumartige Sträucher, wie Kornelkirsche und Salweide stellen neben anderen eine wichtige Bienennahrung dar.

Zum Baumarteninventar zählt natürlich die Eberesche (Vogelbeere), weiterhin die nahverwandte, aber seltene, Trockenheit ertragende Elsbeere, außerdem der Feldahorn und die Hainbuche.

Bedauerlicherweise prägen zu Tode gepflegte Grünanlagen mit hochgezüchteten Blumen und exotischem Gesträuch nach wie vor die bundesdeutsche Gartenlandschaft. Immer mehr Hausgärten werden in kurzgeschorene Rasenflächen umgewandelt, wo selbst Gänseblümchen das Überleben schwerfällt. Und auch dieses monotone Einheitsgrün wird zunehmend in „pflegeleichte“, aber lebensfeindliche Stein- und Geröllwüsten umgewandelt.

Quadratisch und steril sollen diese Gärten sein, mit möglichst wenig Arbeit verbunden. In Wirklichkeit rückt man akribisch jedem natürlichen Aufwuchs mit einem Instrumentarium an Gerätschaften und Chemie zu Leibe und verwendet unendlich viel Mühe darauf, alle nicht erwünschten standortgemäßen Blütenpflanzen und Kräuter vom Grundstück fernzuhalten.

Solche genormten Gärten wie aus der Retorte sind ein Spiegelbild unseres technokratischen Lebensstils und des Deutschen Vorstellung von Gründlichkeit, gerade so als handelte es sich um eine Wohnungseinrichtung. Mittlerweile sind lt. NABU die pflegeleichten Splitt- und Steingärten geradezu eine Plage geworden. „Gärten des Grauens“ werden sie auch vom Naturschutzbund Deutschland genannt.

Es besteht eine Diskrepanz zwischen dem Naturverständnis, das den Betrachter im Urlaub beim Anblick von Wildnis und Wildwuchs ins Schwärmen geraten läßt und dem ökologisch nicht konformen Verhalten im eigenen Garten, in dem der naturwidrige Ordnungssinn tonangebend ist. Die Folgen für die Natur sind überall sichtbar. Exotische Gehölze, kahle Betonmauern in regelmäßiger Langweiligkeit, schnurgerade Wege (gepflastert), öde Koniferenanpflanzungen und – wie bereits erwähnt – kurz gehaltene Rasenflächen, die selbst einem herrschaftlichen Golfplatz noch alle Ehre machen, sind unverändert die Regel, wenngleich gesagt werden muß, daß auch ein Trend zu naturnäheren Formen der Gartengestaltung zu beobachten ist. Hier hält die Natur natürlich Ordnung. Wer weder Garten noch Balkon hat, kann unserer bedrohten Tierwelt (Vögeln, Insekten usw.) dadurch helfen, indem er die biologische Landwirtschaft unterstützt, denn auf ökologisch bewirtschafteten Flächen leben weitaus mehr Tierarten der Feldflur als auf konventionellen.

Ökogärten sind das Gegenteil von durchgestylten Kunstgebilden, wie man sie auch heute noch überall „bewundern“ kann, die nur dem eigenen Hang zum Perfektionismus dienen. Sie tragen entscheidend dazu bei, die Lebensqualität des Wohnumfeldes zu erhöhen und schärfen das Interesse und das Bewußtsein für die Zusammenhänge in der Natur. Sie sind aber nicht allein Studienobjekt, sondern auch Ort der Besinnung, der Ruhe und Erholung.

Balkongarten u.a. mit Schlangen- und Gewürzgurken, Tomaten, Paprika, Winterheckenzwiebeln, Basilikum u.v.a. Wer nicht über den notwendigen Platz verfügt, kann sich einen Balkongarten einrichten. Ein Dutzend Pflanzen gedeihen prachtvoll hier in Töpfen, dem Schneckenfraß entzogen. Nur Saatgut aus Ökolandbau verwenden!

Was macht Artenvielfalt eigentlich so wertvoll? Leben braucht Vielfalt. Der Reichtum an Lebensformen garantiert, daß sich das Leben an eine sich ändernde Umwelt anpassen kann. Davon profitieren Tiere, Pflanzen und Menschen gleichermaßen.

Exotische Pflanzenarten aus fernen Ländern haben im heimischen Ökoparadies grundsätzlich nichts zu suchen. Sie lassen die einheimische Flora und Fauna nur weiter verarmen und führen ebenso zu einem Verlust an genetischer Vielfalt. Einheimische Pflanzen sind robust gegenüber Witterungsextremen, wie Trockenheit und Frösten. Mehrmaliger Standortwechsel je nach Art und Bodenbeschaffenheit erhöht die Widerstandskraft. So genannte „Schädlinge“ wie „Nützlinge“ haben im Naturgarten ihre volle Berechtigung. Die Natur kontrolliert Ökosysteme, indem sie sie durch Artenvielfalt stabilisiert. Eingriffe erweisen sich so als überflüssig. Man vertraut am besten den natürlichen Regulationsmechanismen und kann nebenbei auch noch viel Geld für allerlei Hilfsmittel sparen, an denen sich nur die Gartenbaufirmen mehrere „goldene Nasen“ verdienen – mit dem „Erfolg“, daß die Natur vor der eigenen Haustür mit einem ganzen Cocktail giftiger Substanzen ausgerottet wird.

„ Betriebsunfälle“, sprich Vitalitätseinbußen, die bis zum Totalverlust einer Pflanze reichen können, etwa Mehltau und andere Krankheiten, gibt es auch im Ökogarten. Doch bitte nicht nervös werden; Geduld und Gelassenheit sind gefragt. Unsere heimische Pflanzenwelt erholt bzw. regeneriert sich schneller als manch einer denkt. Wichtig ist, daß man folgendes beachtet: Befallene Exemplare, ich denke z. B. an die Himbeerrutenkrankheit, dürfen nicht auf den Kompost, sondern gehören in die Mülltonne.

Was versteht man nun unter heimischen Pflanzen? Als solche gelten jene, die in Mitteleuropa bis zur Entdeckung Amerikas im Jahre 1492 bei uns zu Hause waren oder nach der letzten Eiszeit einwanderten. Sie sind optimal an die hier herrschenden klimatischen Verhältnisse angepaßt. Sie führen zu einer lebendigen Vielfalt, die nicht nur Amseln und Honigbienen in den Garten locken, sondern auch spezialisierten Insekten und Vogelarten eine Heimat bieten. Im Naturgarten wird durch ein umfassendes Pflegekonzept die Lebensgrundlage für viele heimische Tiere wiederhergestellt. Als Erweiterung zu einheimischen Pflanzen bieten spezielle Gärtnereien, die sich dem Anbau von Wildstauden und Wildgehölzen verschrieben haben, ein Sortiment von Sorten an. Diese Sorten unterscheiden sich gegenüber den Wildarten durch Blütenfarbe, Blattfärbung oder Blattform, Wuchsverhalten und Fruchtgröße und –farbe.

Wie entstehen solche Pflanzen?

Durch natürliche Mutation in der Natur kommt es zu spontanen Veränderungen in der Erbanlage. Diese Erscheinungen können dann durch den Gärtner und somit für die Gartengestaltung erhalten werden. Die Nachkommen dieser Pflanzen schlagen i. d. R. wieder in die reine Wildart zurück. Aber auch durch gärtnerische Auslese, z. B. bei der Aussaat von Pflanzen, findet man immer wieder Arten, die sich von der ursprünglichen Art durch Blütenfarbe und Wuchshöhe unterscheiden. Selektiert man diese Arten über einen längeren Zeitraum aus, entstehen Sorten, die dann samenecht fallen. (www.gaertnerei-strickler.de)

Lavendel, es gibt von ihm 50 Arten; enthält wie der Salbei ätherische Öle; gedeiht auf steinigen Böden unter starker Sonneneinstrahlung, zieht viele Insekten an; analog dem Oregano (wilder Majoran) sehr bienenfreundlich. Auch Salbei, Rosmarin und andere Gewürzpflanzen besitzen eine magische Anziehungskraft auf zahlreiche Insekten inklusive Schmetterlinge!

In den letzten 20 Jahren stellte sich zunehmend heraus (und das gilt erst recht für die kommenden Jahrzehnte), daß Trockenspezialisten unter den Blütenpflanzen infolge des fortschreitenden Klimawandels immer bessere Bedingungen vorfinden, auch im einst so regenreichen Sauerland. Solche Spezialisten der mageren Standorte sind z. B. Ästige Graslilie, Frühlings-Adonisröschen, Küchenschelle, Steinkraut, Heide- und Kartäusernelke, Natternkopf oder verschiedene Malven (Wegmalve, Moschusmalve, Sigmarskraut), Golddistel, Goldhaaraster, Diptam usw. welche durch Intensivlandwirtschaft oder Überdüngung bzw. Stickstoffzufuhr aus der Luft immer stärker in Bedrängnis kommen.

Frühlings-Schlüsselblume (Primelgewächse)

Aber nicht nur die freie Landschaft ächzt unter zuviel Stickstoffeinwirkung aus der Luft. Auch im Hausgarten wird sehr häufig gesündigt. Man schätzt, daß die meisten Vorgärten hoffnungslos überdüngt sind. Zum Einsatz gelangen allerlei chemische Dünger, wie etwa das sog. „Blaukorn“ u.a., die aufgrund ihres Salzgehaltes für zahlreiche Bodenlebewesen tödlich sind. Mineralischer Stickstoff und ein Zuviel an künstlich zugeführten Nährstoffen (Eutrophierung) macht die Pflanzen jedoch anfällig für Krankheiten, ist stark wasserziehend und bringt wenig schmackhaftes Gemüse hervor. Aus diesen und allgemeinen Umweltschutzgründen sollten diese Stoffe auf keinen Fall im Garten eingesetzt werden.

Ein erfreulicher Anblick: Maikäfer im Naturgarten (Das Foto entstand zu Beginn der 2000er Jahre)

Es gibt allerdings auch Arten, z. B. unter den Schmetterlingen, wie Kleiner Fuchs, Tagpfauenauge oder Admiral, die vom Überangebot an Nährstoffen profitieren. Sie sind eine Art Krisengewinner, da ihre Raupen auf Brennnesseln als Futterpflanze angewiesen sind. Ihnen geht es auf den stickstoffreichen, nährstoffgesättigten Böden prächtig. Das gilt z. B. auch für Weg- und Kratzdistel, die dem Distelfalter als Nahrungsquelle dient und einem alten Wildgemüse, dem Guten Heinrich, oder Dorfgänsefuß genannt, welcher früheren Generationen eine wohlschmeckende Mahlzeit bescherte. Jeder Gartenbesitzer sollte deshalb in seiner Grünanlage unbedingt mehrere Bereiche einplanen, in denen sich Wildwuchs ohne die „ordnende Hand“ des Gärtners ausbreiten kann. Läßt sich für die anpassungsfähigen Schmetterlingsarten aus heutiger Sicht noch eine relativ gute Zukunft vorhersagen, sehen Fachleute andere, ohnehin seltene Schmetterlinge, wie Schwalbenschwanz, Waldbrettspiel oder Brombeerzipfelfalter weiter auf dem Rückzug. Deren Lebensräume, artenreiche Magerwiesen, Trockenrasen, Feuchtwiesen, Moore und Kiesbänke fallen immer öfter der Zerstörung anheim; oder der Klimawandel zwingt sie dazu in höhere Regionen auszuweichen (Dukatenfalter).

Bei jeder Gartenplanung ist grundsätzlich folgendes zu beachten:

Nie ausschließlich Mutterboden als Substrat verwenden. Dieser ist viel zu nährstoffreich. „Unkräuter“, die zunächst einmal unerwünscht sind, können nämlich in Massen durchstarten. Der Mutterboden muß deshalb frei sein von keimfähigen Unkrautsamen. Optimal ist eine Mischung aus Kies und sterilem Kompost. Sinnvoll ist auch die Beimischung eines gewissen Anteils von Sand. Das ermöglicht und begünstigt den Aufwuchs derjenigen Pflanzen, die nur wenig Nährstoffe (und Wasser!) benötigen. Da die Bedingungen im Garten aber nicht den natürlichen Verhältnissen entsprechen, benötigen auch trockenheitsliebende bzw. trockenheitsresistente Pflanzen in der Anwuchsphase eine bestimmte Menge an Substrat.

Derartige auf magere Standorte spezialisierte „Hungerkünstler“ sind auf sonnige Standorte angewiesen; sie verfügen über ein ausgedehntes und tiefreichendes Wurzelwerk. Ihre Blattoberfläche ist klein. Außerdem haben sie dicke Zellwände und Stützgewebe: Die sorgen dafür, daß nicht viel Wasser verdunstet.

Für alle übrigen Arten gilt:

In Zeiten der fortschreitenden Klimaveränderungen wird es immer wichtiger auf trockenresistente Pflanzen zurückzugreifen, mithin solche Arten, die den extremen Witterungsverhältnissen der Zukunft besser angepaßt sind. Das heißt natürlich nicht, daß nun Exoten zum Zuge kommen müssen; die sind für unsere heimische Tierwelt ohnehin wertlos. Unsere heimische Flora hält eine große Palette an Pflanzenarten bereit, die den hier lebenden Insekten auch bis weit in den Herbst ausreichend Nahrung bieten. In wenigen Fällen trifft das allerdings auch auf Arten zu, die im Mittelmeerraum heimisch sind. Diese können dann eventuell vorhandene Lücken im Artenspektrum schließen und die hier etablierten Arten sinnvoll ergänzen und durchaus eine Bereicherung der vorhandenen Blütenpracht darstellen.

Übrigens nehmen Wildstauden für ein optimales Gedeihen von Nutzpflanzen eine bedeutende Funktion ein: Sie erschließen nämlich mit ihren Wurzeln tiefere Bodenschichten und machen die dort befindlichen Spurenelemente und Mineralien für jene verfügbar.

Bei Trockenstreß nimmt eine Pflanze nicht so viel Wasser auf wie sie verdunstet. Die Störung des Gleichgewichts führt dazu, daß sich kleinere Blätter bilden, Triebe vertrocknen, Blätter oder Nadeln vergilben und abfallen. Damit erreicht die Pflanze, daß sie nicht mehr so viel Feuchtigkeit verdunstet.

Bei lange andauernder Trockenheit besteht die Möglichkeit, das Erdreich im Garten mit Bentonit anzureichern. Diese Substanz enthält spezielle Tonmineralien. Sie verklumpen mit Humusstoffen zu Krümeln und bilden eine Wasser bindende Struktur. Eine intakte Humusschicht, gebildet aus Mulch und Kompost mit richtiger, standortgemäßer Bepflanzung, puffert Klimaextreme ab und kann so helfen, mit Dürre oder Starkregen besser fertig zu werden. Und: Beim Humusaufbau wird der Atmosphäre viel CO² entzogen!

Beim Gießen werden lt. der bayerischen Baumschule Brenninger in Steinkirchen bei Erding (wird biologisch bewirtschaftet) die meisten Fehler gemacht. Man meint es zu gut und gießt viel zu viel. In der Folge davon verschlämmt, ja versauert der Boden, stockt die Wurzelbildung.

Viele Baumschulen können aus Erfahrung sagen, daß mindestens 8 von 10 nicht angewachsenen Pflanzen durch Bodenverdichtung und zu viel Wässern eingegangen sind. Die wichtigen Sauerstoffbakterien sterben ab. Und die ohne Sauerstoff lebenden Fäulnisbakterien vernichten in kurzer Zeit die Faserwurzeln der Pflanzen. Das beste Wachstum erhält man bei normaler Erdfeuchte.

Niemals in einen verdichteten Boden pflanzen. In einem durch schwere Baumaschinen verdichteten Boden kann eine Pflanze nur schlecht anwachsen. Luft und Wärme ist für die Wurzeln und das Bodenleben ebenso wichtig wie Wasser und Nährstoffe. Der Boden sollte jedes Frühjahr aufgelockert werden, niemals graben! Die natürliche Bodenschichtung muß beibehalten werden. Die Bodenlebewesen benötigen Dunkelheit, Feuchtigkeit und organisches Material.

Die Pflanzgrube muß groß genug sein. Wenn die Pflanze mit ihrem Wurzelwerk gerade Platz hat, ist die Pflanzgrube zu klein. Sie muß so breit und tief sein, daß die sich neu bildenden Wurzeln überall lockeres Erdreich vorfinden. Stoßen sie nämlich auf hartes, nicht gelockertes Erdreich, so führt das unweigerlich zu Wachstumsstockungen. Die Sohle der Pflanzgrube bitte lockern! Auf vernässten Standorten kann es von Vorteil sein auf die Sohle eine Schicht Kies einzubringen.

Den Bodenlebewesen hilft man, indem man die Pflanzfläche gut mit der Grabgabel lüftet und somit Sauerstoff und Wärme in den Boden bringt. Häufiges Gießen bewirkt oberflächliche Wurzelbildung, während der Verzicht aufs Gießen die Pflanzen abhärtet. Die Wurzeln wachsen dem Wasser entgegen, suchen sich das kostbare Nass.


Feuchtbiotop mit Kuckuckslichtnelken und Trollblumen

Ein Feuchtbiotop sollte in keinem Ökogartengarten fehlen. Ideal ist – je nach vorhandenem Platz – ein Naturteich, der mindestens 90 cm, besser 1 m tief sein sollte. So kann das Wasser nicht bis zum Grund durchfrieren. Bei abnehmender Tiefe zieht sich das Wasser zusammen, verringert also sein Volumen, bis es 4 Grad C erreicht hat. Bei dieser Temperatur ist die größte Dichte des Wassers erreicht. Bei weiter sinkender Temperatur dehnt es sich weiter aus. Es gefriert zuerst an der Oberfläche, dehnt sich somit dort aus, während es sich in tieferen Schichten des Teiches zusammenzieht. Auf diese Weise entsteht ein Luftpolster zwischen der Eisdecke und dem Wasser darunter. Das wirkt isolierend.

Eine Flachwasserzone ist natürlich ebenso einzuplanen, damit Amphibien, wie z. B. Erdkröten und Grasfrösche einwandern bzw. ablaichen können. Auch anderen Teichbewohnern kommt die unterschiedliche Wassertiefe zugute. Besonnte und beschattete Bereiche sorgen dafür, daß sich das Wasser nicht zu stark erwärmt und durch zuviel Algenbewuchs mit Nährstoffen überfrachtet wird. Sinnvoll ist es in unmittelbarer Nachbarschaft zum Feuchtbiotop eine (Mager)-wiese anzulegen, in die sich Frösche und Kröten zurückziehen können.

Blumenwiese in den 90er Jahren (Mai)

Ein solche Wiese sollte nur 2-mal pro Jahr gemäht werden. Nachdem die Samen ins sorgfältig vorbereitete bzw. „unkrautfrei“ gemachte Erdreich eingestreut wurden, ist nach einer gewissen Zeit ein so genannter Schröpfschnitt erforderlich, um hoch wachsende, nährstoffreiche Pflanzen kurz zu halten – bis zu deren Verschwinden. Erst danach kann sich die Vielfalt an nährstoffarmen Pflanzenarten durchsetzen. Manche Arten benötigen zudem Frost, um im Frühjahr darauf die Keimsperre durchbrechen zu können. Soviel hierzu.

Das Mähgut erst 1 bis 2 Tage nach dem Mähvorgang abtransportieren, damit sich die Samen verbreiten können. Darüber hinaus bereichern Holzstapel bzw. Reisig- und Steinhaufen die Biotopvielfalt. Hier verkriechen sich gerne Teich- und Fadenmolch. In der Trockenmauer finden solitär lebende Wildbienen Unterschlupf. So genannte Insektenhotels können die oben erwähnten, natürlicherweise vorkommenden bzw. zu schaffenden Biotopstrukturen ergänzen. Wenn der Garten naturnah gestaltet wird, finden wirbellose Tierarten, zu denen bspw. auch Hornissen zählen, ausreichend Lebensmöglichkeiten.

Gewöhnlicher Natternkopf, ein echter Trockenspezialist, beansprucht sonnige Lagen, besiedelt auch Steinbrüche und Kiesgruben

Fazit: Im Ökogarten auf die natürlichen Regulationsmechanismen vertrauen. Das ist zugleich die beste Prävention gegenüber so genannten „Schädlingen“ und diversen Krankheiten und spart darüber hinaus viel Geld. Eingriffe beschränken sich auf unumgängliche Maßnahmen, wie Rückschnitt von Gehölzen oder das Entfernen von übermäßigem Algenwuchs im Teich. Werden die Schnecken zu zahlreich, woran der Klimawandel ebenso seinen Anteil hat, ist auch hier Gelassenheit vonnöten. Es gibt ein Bündel von Abwehrmaßnahmen, die mittlerweile jedem Naturgartenbesitzer hinreichend bekannt sind. Als letztes und wirksamstes Mittel hat sich jedoch das Absammeln der „Plagegeister“ bewährt. Die großen Gehäuseschnecken stehen übrigens unter Naturschutz!

Kommentar: Schülerdemonstrationen gegen die Klimapolitik und Merkels Heuchelei

In der „Heute“-Sendung vom 2. März wurden A. Merkels jüngste Äußerungen zu den Schülerdemonstrationen gegen die Klimapolitik der Regierung zitiert. Frau Merkel begrüßte und lobte in ihrer Erklärung ausdrücklich diese Demonstrationen. Was sagt man dazu? Nichts als pure Heuchelei!

Denn: Noch Mitte Februar hatte die Regierungschefin lt. der Bürgerbewegung „Campact“ die streikenden Schülerinnen und Schüler sogar verunglimpft, indem sie suggerierte, diese wären von russischen Kräften gesteuert! Und kein einziger Journalist verliert ein Wörtchen dazu, niemand konfrontiert sie mit ihren Widersprüchen; ja man muß unterstellen, daß auch gar kein Wille vorhanden ist, diese unglaubwürdige, Merkel-typische Kehrtwende öffentlich zu geißeln.

Wir wissen ja seit langem nur allzu gut, daß die Opportunistin Merkel ihr Fähnchen immer nach dem Winde dreht. Sobald sie nämlich spürt, daß Initiativen von NGO`s, Umweltverbänden oder Bürgerbewegungen bei der Mehrheit der Bevölkerung auf ein positives Echo stoßen, wird sie plötzlich selbst aktiv, kommt quasi wie der Geist aus der Flasche und springt auf deren Zug auf, ohne mit dem Uranliegen der Protestierenden auch nur etwas im Sinn zu haben. Plötzlich findet Frau Merkel das alles ganz toll.

Mittlerweile beurteile ich diese einst „mächtigste Frau der Welt“ sogar noch negativer als es in meinen bisher veröffentlichten Internetbeiträgen zum Ausdruck kommt.

Nichts hat sich an meiner Auffassung geändert, daß diese Kanzlerin von Politikern, Journalisten oder auch so genannten Prominenten aus Sport und Gesellschaft nach wie vor maßlos überschätzt wird. Dennoch wird sie von ca. 90 Prozent der Medien unterstützt. Kaum ein Journalist besitzt die Courage an Merkel und ihrer Politik, die überreichlich Angriffsfläche bietet, massive Kritik zu üben. Was aus dem Kanzleramt an Nachrichten durchsickert, wird von den Medienvertretern meist in Reinform übernommen, bleibt unkommentiert, anstatt diese Meldungen, dort wo es angebracht ist, herber Kritik zu unterziehen. Z. B. was die sachfremden und unqualifizierten Aussagen der Kanzlerin zum Dieselskandal betrifft. Aber genau diese Kritik scheuen die Journalisten womöglich aus Angst um ihren Arbeitsplatz, wenn sie sich zu weit aus dem Fenster lehnen.

Groko 3.0: Kein Aufbruch in die Zukunft – Welches Land hinterlassen Union und SPD künftigen Generationen?

Die Würfel sind gefallen: 2/3 Zustimmung der SPD-Basis zum Koalitionsvertrag. Doch was viel höher zu bewerten ist: 1/3, nämlich ca. 120.000 Genossen, sprachen sich dagegen aus. Und über 100.000 Mitglieder nahmen – vermutlich aus Frust und Zorn – erst gar nicht an der Abstimmung teil.

Positiv zu bewerten ist die prompte Ankündigung der Jusos, daß der Widerstand gegen die Groko aufrechterhalten wird. Und die SPD-Spitze wird es sich kaum leisten können, daß sie denjenigen, die bei der Mitgliederbefragung mit NEIN gestimmt hatten, in Zukunft keine Beachtung mehr schenkt und sämtliche Kritik an sich abprallen läßt, getreu dem Motto: Wir sitzen fest im Regierungssattel; uns kann nichts mehr passieren. Aus gutem Grund initiierten die Jungsozialisten unmittelbar nach der Abstimmungsniederlage die Gründung eines Linksbündnisses mit dem Ziel, ein starkes Gegengewicht zu der kontinuierlich nach „rechts“ rückenden Parteienlandschaft anzustreben. Unzufriedenen Genossen und auch Grünen soll damit eine neue Heimat geboten werden.

Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine hatten vor geraumer Zeit ebenfalls die Gründung einer linken Sammlungsbewegung ins Spiel gebracht, um jenseits des „rechten Lagers“ eine neue Machtperspektive zu schaffen, von der man sich erhofft, daß sie eines Tages mehrheitsfähig wird. Doch es würde vermutlich noch sehr lange dauern, bis ein solches Projekt eventuell von Erfolg gekrönt ist.

Das Regierungsmodell SPD, Grüne, Linkspartei hat für einen überschaubaren Zeitraum sowieso keine Chance auf Regierungsübernahme; es wurde von Seiten der Linken bereits „für tot“ erklärt. Und betrachtet man die ins Ministeramt berufenen SPD-Politiker, so ist zu befürchten, daß sie entgegen ihrer Ankündigung, dem Koalitionspartner CDU/CSU das Leben, sprich das Regieren schwerer zu machen, doch wieder in den alten Trott verfallen und jeden Kritiker, der es wagt aufzumucken, daran erinnern werden, daß schließlich 66 Prozent der Basis für eine Fortsetzung von Schwarz-Rot votiert haben.

Es scheint so, als wäre diese Partei mit ihrem überwiegend aufgebrauchten Personal einfach unfähig, aus Fehlern zu lernen. Deshalb kann man von diesen Leuten auch gar nicht erwarten, daß sie große Reformen auf den Weg bringen.

Es geht ein tiefer Riss durch die ehemalige linke Volkspartei SPD. Geschwächt und gespalten, also unter sehr ungünstigen Voraussetzungen, flüchtet sie sich erneut in eine Große Koalition – und gibt sich damit selber auf. Sie hat kein Ehrgefühl. Ihr fehlt es nach wie vor an dem nötigen Selbstbewußtsein. Sie ist von sich selbst nicht überzeugt. Sie hat das getan, was die Union von ihr erwartet, nämlich für eine Neuauflage der Groko einzutreten, nur damit Frau Merkel im Amt bleiben kann – und nennt dies „Staatspolitische Verantwortung“. In Wirklichkeit verhält es sich doch so, daß kein SPD-Mandatsträger oder Minister (ehemaliger oder zukünftiger) seinen Posten verlieren bzw. auf sein Amt verzichten will. Und die Partei liegt derzeit in Umfragen doch nicht deshalb bei nur 18 – 19 Prozent, weil Gegner der Koalitionsvereinbarung den Marsch in die Opposition empfohlen hatten.

Das Attribut „Anwalt der kleinen Leute“ ist bei der SPD längst zur Makulatur geworden. Wo bleibt die alte Forderung der Genossen nach Wiedereinführung der Vermögensteuer oder einer Sonderabgabe für Reiche, wie es die Linkspartei postuliert? Wie will die Partei angesichts des rapide schwindenden Rückhalts in der Bevölkerung ihre Kernforderungen durchsetzen; wie will sie sich profilieren? Andrea Nahles als Vertreterin der „alten Garde“ und vermutlich zukünftige SPD- Vorsitzende wird vom Rednerpult auf Kanzlerin Merkel und deren CDU und CSU schimpfen nach allen Regeln der Kunst, während ihr Parteifreund, Finanzminister Scholz, gleichzeitig die hervorragende Zusammenarbeit mit Frau Merkel anpreist.

Bei Scholz rechne ich damit, daß er durch seinen Minister Heiko Maas noch mehr Geld ins Ausland transferiert und bereitwillig großzügige finanzielle Geschenke verteilt – an EU-Staaten oder solche, die noch auf der Warteliste stehen, die aber für den Zusammenhalt und die politische Stabilität der Gemeinschaft ohne jeden praktischen Nutzen sind. Und das würde passieren, obwohl die Ausgaben der EU durch den Wegfall Großbritanniens (Brexit) eher gesunken sind, auch wenn man berücksichtigt, daß Großbritannien einer der größten Nettozahler innerhalb der EU war.

Es ist bestimmt kein Zufall, daß der französische Staatspräsident Macron und EU-Kommissar Juncker sich bereits bei den laufenden „Jamaika“-Sondierungsgesprächen“ eingemischt hatten und nachdrücklich auf die Bildung einer Großen Koalition drängten, da sie genau wußten: Man kann sich auf die Zahlungsfreudigkeit der Sozialdemokraten, aber auch auf die der Unionisten verlassen. Eine solche, allzu freizügige Ausgabenpolitik, wäre mit Regierungsbeteiligung der Europa kritischen FDP und besonders der stärksten Oppositionspartei AfD nie möglich. So aber wird man davon ausgehen können, daß sich der Bundesfinanzminister für eine Vergemeinschaftung der Schulden innerhalb der EU ausspricht, wobei allerdings sehr zu bezweifeln ist, ob es auch hier ein „Weiter so“ geben kann.

Der schwarz-rote Koalitionsvertrag erweist sich bei genauer Lektüre als riesige Geldverteilungsmaschine. Frau Merkel und ihre Minister glauben immer noch mit Geld ließe sich alles regeln, man könne sämtliche Bevölkerungsschichten zufriedenstellen, wenn nur alle vom Kuchen ein großes Stück serviert bekommen. Die Koalitionäre haben jedoch noch immer nicht erkannt, daß für die Leute mittlerweile Geld nicht mehr alles ist und die vielzitierten Werte wieder stärker in den Vordergrund rücken.

In ihrer Regierungserklärung vom 21.3. 18 war die CDU-Chefin eifrig darum bemüht, den politischen Stillstand und die Versäumnisse der vergangenen Jahrzehnte unter ihrer Kanzlerschaft auszublenden und mit wortgewaltiger Rhetorik vergessen zu machen. Was der interessierte Zuschauer aus ihrem Munde hörte, war ein Füllhorn von Versprechungen. Das ist nicht nur zutiefst unseriös, sondern beweist auch, daß in den 12 Jahren Merkel kein Projekt in die Tat umgesetzt bzw. erfolgreich zum Abschluß gebracht wurde.

Und auch für die nächsten 3 ½ Jahre kann davon ausgegangen werden, daß die alte und neue Kanzlerin ihren gewohnten Regierungsstil beibehält: Unangenehmes aussitzen, in Ruhe abwarten, aus sicherer Distanz die Geschehnisse beobachten und nur dann sich öffentlichkeitswirksam zu Wort melden, wenn es gerade opportun erscheint und man sein eigenes Image aufpolieren kann. Nur wird auch Merkel begreifen müssen, daß die Politik der „ruhigen Hand“ der Vergangenheit angehört.

Das Regieren dürfte viel schwieriger werden, schon allein deshalb, weil sich schon bei der Kanzlerwahl am 14. März im Deutschen Bundestag gezeigt hat, daß eine unerwartet große Zahl von Abgeordneten aus den Reihen von Union und SPD, nämlich 35 von 399 Stimmberechtigten der Koalition Merkel die Gefolgschaft verweigerten. Auch das ist eine schwere Bürde und somit schlechtes Signal für den Start der Merkel-Administration. Vielleicht haben einige gestandene Sozialdemokraten auch noch nicht vergessen, was die die CDU-Chefin kurz vor der BTW lauthals ertönen ließ, daß nämlich die SPD „auf absehbare Zeit nicht regierungsfähig sei.“

Den Befürwortern einer Groko wird es noch sehr leidtun, daß sie sich von der Führungsriege der SPD haben überrumpeln lassen. Viele Mitglieder haben meiner Ansicht nach deshalb mit Ja gestimmt, weil von der Parteispitze gezielt Ängste vor Neuwahlen geschürt wurden, die im Fall der Ablehnung der Koalitionsvereinbarung fällig geworden wären. Wenn man jedoch Neuwahlen von vornherein so kategorisch ausschließt und auch eine Minderheitsregierung angeblich keine Option sein darf, dann leben wir doch im falschen System. In einer funktionierenden parlamentarischen Demokratie müssen sowohl das eine wie auch das andere immer möglich sein.

Eine Minderheitsregierung ist ein Modell, das auf wechselnden Mehrheiten basiert. Aber diese Möglichkeit wurde von der Kanzlerin nie in Betracht gezogen, wohlweislich nicht, weil sie dann gezwungen wäre sich auch mal abzurackern. Sie wäre, was ein Novum darstellt, zum ersten Mal richtig gefordert. Die Arbeit ginge ihr nicht mehr so leicht von der Hand. Sie müßte sich also ihre Mehrheiten suchen, um diverse Gesetzesvorhaben über die parlamentarische Hürde zu bringen. Da ist es für eine Kanzlerin mit Showtalent doch weitaus bequemer, zusammen mit einer unterwürfigen und wankelmütigen SPD zu regieren.

Letztere muß sich zu Recht vorwerfen lassen zu keinem Zeitpunkt ein Bündnis mit Linkspartei und Grünen auch nur in Erwägung gezogen zu haben. Stattdessen wählt man den einfachsten Weg und macht sich erneut zum Steigbügelhalter einer unionsgeführten Regierungschefin. Zu allem Überfluß überläßt man der AfD auch noch die Oppositionsführerschaft im Bundestag. Der unwiderstehliche Drang, Ämter anzupeilen oder bereits besetzte Posten zu behalten, wiegt in jedem Fall stärker als der zwar lange und beschwerliche, aber letztendlich erfolgversprechendere Kurs eines Wiedererstarkens der SPD in der Opposition. Ein Absturz in die Bedeutungslosigkeit bliebe ihr vermutlich dadurch erspart.

Die Partei von Brandt, Wehner und Eppler hat unter ihrer neuen Vertretung einen großen Teil an Wählern und Mitgliedern verloren; und sie hat gegenüber früheren Jahrzehnten ihren Stimmenanteil mehr als halbiert. Eine Vielzahl von Neueintritten binnen relativ kurzer Zeit hat nicht dazu geführt, daß die SPD davon in den Umfragen profitiert hätte.

Mir ist schleierhaft, wie der vielbeschworene Erneuerungsprozeß innerhalb der Sozialdemokratischen Partei vonstatten gehen soll – unter der Knute einer Kanzlerin, die nach meiner Einschätzung sämtliche Erfolge oder besser gesagt Scheinerfolge der Regierungsarbeit für sich und ihre CDU reklamieren wird. Eine programmatische Erneuerung, die zugleich mit einem völlig verjüngten Personal einhergehen muß, kann – wie gesagt – nur in der Opposition gelingen.

Betrachtet man sich jedoch die dem neuen Kabinett angehörenden Minister der SPD, so handelt es sich ganz überwiegend um Vertreter der alten Garde, von denen m. E. nach niemand für einen wirklichen Neuanfang steht. Zweifel an der fachlichen Kompetenz sind mehr als berechtigt. K. Barley, promovierte Rechtswissenschaftlerin, zuständig für Justiz und Verbraucherschutz, bildet da schon eine Ausnahme. Fragt sich nur, ob sie sich gegen einen Innenminister Seehofer wird durchsetzen können.

Die allermeisten Personalentscheidungen sind Fehlbesetzungen. Abgesehen von ein paar neuen Köpfen (Kramp-Karrenbauer als Generalsekretärin, Jens Spahn oder Julia Klöckner) bleibt alles beim Alten. Die Kanzlerin hat ihr treu ergebene Weggefährten in wichtige Ämter berufen und mit Spahn einen – wie ich glaube – vermeintlichen Merkel- Kritiker in die Parteidisziplin eingebunden. Dieser hatte sich aber schon vor Amtsübernahme durch seine unseligen Äußerungen über „Hartz IV“ als Minister disqualifiziert. Hier zeigt sich wieder, daß es nicht in erster Linie darauf ankommt, ob jemand für einen Ministerposten geeignet ist, sondern wer die besten Beziehungen hat. Die Postenvergabe ist zumal bei Frau Merkel rein taktischer Natur.

Von einem Ressort ins andere springen, – wie es heute üblich ist -, das können nämlich nur Ungelernte. Was bislang so über die neuen Köpfe durchgedrungen ist, läßt nichts Gutes ahnen: Julia Klöckner stammt zwar aus einer Winzerfamilie und war bereits einmal Staatssekretärin im Landwirtschaftsministerium, hat sich aber ebenfalls nicht mit Ruhm bekleckert, nimmt man eine ihrer Aussagen als Beispiel. „ Man muß Ökobauern in schlechten Phasen den Einsatz konventioneller Pflanzenschutzmittel erlauben können“. Wer so etwas sagt, erfüllt eben nicht die Voraussetzungen für ein Regierungsamt in Berlin oder anderswo und ist schon durchgefallen, bevor es losgeht. Julia Klöckner als Ressortchefin des Agrarministeriums ist somit eine totale Fehlbesetzung.

Das betrifft auch den Bereich Natur und Umwelt, das erneut an die Sozialdemokraten gegangen ist. Zwar liest man gerne, daß die neue Ressortchefin Mitglied bei Nabu und Slowfood ist; gleichzeitig gehört sie aber auch der Gewerkschaft IG Bergbau und Energie an, einer Gewerkschaft also, die natürlich eine große Nähe zur Kohlelobby aufweist. Letztere wird möglicherweise nichts unversucht lassen Einfluß auf das SPD-geführte Umweltressort zu nehmen. Da müßte man die Wirtschaftslobby doch schlecht kennen. Noch jeder frisch gebackene Umweltminister hat zu Beginn seiner Amtszeit betont, daß Ökologie und Ökonomie miteinander versöhnt werden müßten. Was das aber in Wirklichkeit bedeutet, kann sich jeder eingefleischte Öko-Aktivist an fünf Fingern abzählen: Den Interessen der Industrie sollen noch etliche Hintertürchen offen gehalten werden.

Und noch eine schlechte Nachricht: Das Umweltministerium wurde im Rahmen der Koalitionsverhandlungen deutlich verkleinert, obwohl die Aufgaben in diesem Bereich ständig größer werden. Enorm wichtige und zukunftsträchtige, von starken Lobbyverbänden dominierte Ressorts, wie z. B. Verkehr, Energie, Land- oder Bauwirtschaft fallen paradoxerweise nicht in die Kompetenz des Umweltministeriums. Das verwundert umso mehr als diese Ressorts ein erhebliches ökologisches Konfliktpotenzial aufweisen, sprich einen bekanntermaßen höchst negativen Einfluß auf die noch vorhandenen Naturschätze unseres Landes haben. Unvereinbare Gegensätze prallen also aufeinander: Auf der einen Seite der nutzungsorientierte Wirtschaftslobbyismus und deren wachstumsgetriebener Expansionsdrang, von dem auf der anderen Seite äußerst sensible Bereiche wie Natur- und Biodiversitätsschutz überrollt zu werden drohen.

Die Vergabe des Finanz-, Umwelt-, Justiz-, Arbeits-, Außen- und Familienministeriums an die SPD kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Koalitionspartner CDU und CSU wichtige Schlüsselressorts bekam. Die Union – machen wir uns nichts vor – sitzt am längeren Hebel. Deren Fachressorts kommt insofern entscheidende Bedeutung zu als hier die Weichen für die Zukunft gestellt werden.

In Gestalt von Horst Seehofer haben die Sozialdemokraten zudem einen Politiker vor sich, der in der Asyl-, Migrations- und Flüchtlingsfrage eine ganz andere Auffassung vertritt und somit auf Konfrontationskurs zum Koalitionspartner geht. Nehmen wir einmal an, die CDU/CSU startete im Bundestag gegen den ausdrücklichen Willen der SPD eine Gesetzesinitiative zu diesem Thema und holte sich dafür, um das Gesetz über die parlamentarische Hürde zu bringen, die Unterstützung der AfD. Oder was wäre, wenn im umgekehrten Fall die AfD einen Antrag einbrächte, der mit Unterstützung der Unionsparteien in Gesetzesform gegossen würde. Damit wäre eine ernste Situation entstanden, die von den Sozialdemokraten eigentlich nicht hingenommen werden könnte.

CDU/CSU und SPD, obgleich am 24.9. vom Wähler abgestraft und faktisch ohne Regierungsauftrag, eint der ungebrochene Wille zur Macht. Nicht weil man partout miteinander regieren möchte. Aber die SPD hat nur die Wahl zwischen Pest und Cholera: Auch wenn es ihr nochmals gelungen ist sich in eine Groko zu retten, kann sie ihrem Schicksal nicht entrinnen. Die Quittung wird ohnehin erteilt, spätestens bei den im kommenden Jahr in Ostdeutschland stattfindenden Landtagswahlen. Aber auch schon dieses Jahr dürfte es für die Genossen in Bayern und Hessen ein Desaster geben. Was nützen 50.000 Neueintritte, wenn der Rückhalt in der Bevölkerung schwindet? Der Mitgliederzuwachs kann sich auch rasch wieder ins Gegenteil verkehren.

Fakt ist, daß dieser unter Zeitdruck zusammengeschusterte Koalitionsvertrag nach eingehender Prüfung von parteiinternen Kritikern keine ausreichende Grundlage für 4 Jahre gemeinsamen Regierems bietet. Weil die Zeit drängte, und die Koalitionsverhandlungen möglichst schnell zum Abschluss gebracht werden sollten, wurden Streitigkeiten erst mal ausgeklammert. Die sind damit allerdings nicht vom Tisch, sondern werden offen ausbrechen, wenn man erst einmal gemeinsam regiert. Und siehe da: Schon fühlt man sich bestätigt: Die von Seehofer angestoßene Islam-Debatte sorgte bereits für erhebliche Unruhe. Diese Koalition steht – wie keine andere zuvor – unter hohem Erwartungsdruck. Die Wähler verlangen Antworten, wollen Taten sehen. Den Menschen muß endlich das Gefühl gegeben werden, daß man ernsthaft gewillt ist sich ihrer Interessen anzunehmen. Aber danach sieht es bisher nicht aus. Im Gegenteil: Jüngsten Äußerungen von Vertretern verschiedener Ministerien zufolge wird es ein Weiter so der bisherigen, an mächtigen Lobby-Verbänden orientierten Politik geben.

Der Inhalt der Koalitionsvereinbarung ist bei sorgfältiger Lektüre ein Sammelsurium von vage formulierten Absichtserklärungen; er ist schwammig, ziemlich unkonkret und läßt viele Fragen offen. Es fehlen auch diesmal ein Gesamtkonzept für die Bewältigung all jener großen Herausforderungen und ein zeitlicher Rahmen, innerhalb dessen die vielen anspruchsvollen Aufgaben erledigt werden müssen. Erneut werden wichtige Entscheidungen in eine unbestimmte Zukunft verlagert. Die aus Sicht der SPD wesentlichen Unterschiede zur Union könnten nur in einer ganz anderen Regierungskonstellation zur Geltung kommen und herausgearbeitet werden. In einem Zweckbündnis mit 2 völlig ungleichen Partnern ist man jedoch in seinen Entfaltungsmöglichkeiten von vornherein sehr eingegrenzt.

Es besteht ein nur sehr enger Handlungsspielraum für die Durchsetzung der eigenen Positionen, welche man – so befürchte ich – notfalls lieber kampflos aufgibt als einen Dauerstreit zu riskieren, der aber ohnehin vorprogrammiert ist und die Regierungsarbeit überlagern wird. Man ist dazu gezwungen, an den eigenen Inhalten, den Alleinstellungsmerkmalen, die jede Parteiprogrammatik auszeichnet und die nicht zur Disposition stehen sollte, zu viele Abstriche zu machen. Wie soll die SPD ihre Eigenständigkeit herauskehren, wenn sie auf Gedeih und Verderb in die Koalitionsräson eingebunden ist? Über einen Minimalkonsens wird man wahrscheinlich nicht hinauskommen. Es wird ein Kuhhandel des Gebens und Nehmens.

Der ökologisch-sozialen Herausforderung wird im Koalitionsvertrag erneut längst nicht jene Bedeutung zugemessen, die ihr gebührt. Bisherige Fortschritte bei wichtigen Zukunftsthemen sind allein dem öffentlichen Druck und dem unermüdlichen Einsatz von Naturschutzverbänden, Bürgerinitiativen und sonstigen außerparlamentarisch aktiven Organisationen zu verdanken, keinesfalls der Merkel-Regierung. Die Anhänger der Groko werden früher oder später einsehen, daß sie bei der Abstimmung im März falsch entschieden haben, wenn sich erst einmal herausstellt, daß ihre Amtsträger wenig bis nichts erreichen konnten – entgegen den vollmundigen Versprechungen.

Das Profil der Sozialdemokraten wird nach Ablauf der Legislaturperiode einem völlig abgenutzten Autoreifen entsprechen, welcher dringend der Auswechslung bedarf. Die Sozis scheinen immer noch nicht begriffen zu haben, daß es einer machtbewußten Kanzlerin Merkel und der CDU allein darum ging, den wankelmütigen Juniorpartner für ihre Interessen einzuspannen, nützlich allein als Mehrheitsbeschaffer.

Nun rühmen sich die Genossen damit, daß viele Forderungen der Partei im neuen Koalitionsvertrag verankert sind. Wollen wir doch mal einige Punkte herausgreifen und diese kritisch beleuchten.

Da wäre eine Erhöhung des Kindergeldes, wie es übrigens vor jeder Wahl versprochen wurde. Dieses erreicht aber nicht die Schwächsten in unserer Gesellschaft. Es wird nämlich bei Hartz IV-Beziehern auf den Regelsatz angerechnet. D. h. daß derjenige Betrag, um den das Kindergeld steigt, von Hartz IV wieder abgezogen wird. Fazit: Der Effekt ist gleich Null. Außerdem gibt es nach wie vor etliche Arbeitnehmer, die mit Hartz IV aufstocken müssen, um ihren Lebensunterhalt überhaupt bestreiten zu können. Nach derzeitigem Stand existieren in Deutschland 18 Mio.(!) Hartz IV-Bezieher, eine erschreckend hohe Zahl.

Immer mehr Menschen sind darauf angewiesen zur Tafel zu gehen, um genug zu essen zu haben, was sonst eben nicht der Fall wäre. Es gibt aber immer noch Politiker, die eben genau dies bestreiten. Allein in Hamburg leben derzeit ca. 15.000 Menschen von der Tafel. In ganz Deutschland gibt es nach derzeitigem Stand mehr als 800.000 Obdachlose. Kein Bundespolitiker hat bis heute gefordert, daß auch für diese Menschen Wohnungen gebaut oder bereitgestellt werden müssen.

Andererseits haben wir es mit Menschen zu tun, die zwar in Arbeit sind, sich aber keine Wohnung leisten können (Stichwort: bezahlbare Wohnungen). Die von der Groko 2013 auf Initiative der SPD beschlossene Mietpreisbremse erwies sich als Schlag ins Wasser.

Zweiter Punkt: Die Absenkung des Solidaritätszuschlags. Der nutzt aber sozial schwachen Bürgern auch nichts. Vielmehr kommen nur solche Menschen in den Genuß dieser Maßnahme, die auch Steuern zahlen. Und das sind wieder nur besser Betuchte.

Dritter Punkt: Der paritätisch (also von Arbeitgebern und Arbeitnehmern) zu entrichtende Anteil zur Krankenversicherung hatte die SPD seinerzeit zugunsten der AG aufgekündigt; den Arbeitgeber also von dieser lange Gültigkeit besitzenden Regelung befreit. Nun wollen die Sozialdemokraten diese Gerechtigkeitslücke wieder schließen. Ob sie das mit ihrem Koalitionspartner durchsetzen können, ist aber keineswegs sicher. Die SPD-Führungsriege preist das m. E. zu Unrecht als großen Erfolg. Ein sozialdemokratisches „Leuchtturmprojekt“ ist es wahrlich nicht.

Vierter Punkt: Im Bereich Pflege sollen lt. Übereinkunft zwischen den Partnern 8.000 Pflegekräfte zusätzlich bereitgestellt werden. In Deutschland gibt es etwas mehr als 13.000 Seniorenheime. Somit entfiele auf jede Unterkunft nicht mal eine Pflegekraft. Es ist auch keine Rede davon, wie der bestehende Pflegenotstand durch eine deutliche bessere Bezahlung und Qualifikation überwunden werden soll. Damit so wenig Menschen wie möglich vorzeitig im Pflegeheim landen, müßte zuallererst dafür gesorgt werden, daß sich die Leute lange selbst helfen können.

Fünfter Punkt: Lt. ARD-Magazin PANORAMA will die neue Bundesregierung bei Zeitungszustellern die Rentenbeiträge für Arbeitgeber kürzen (von 15 % auf 5 %), und zwar nachweislich nicht nur mit Zustimmung der CDU/CSU, sondern auch jener der Sozialdemokraten, die das natürlich zunächst bestritten haben. Kritiker befürchten dadurch eine Aushöhlung des Mindestlohns. Weniger Rente für Niedriglöhne: Das muß man sich mal vorstellen! Momentan bekommen Zeitungszusteller, die als Minijobber unter schlechten Arbeitsbedingungen mitten in der Nacht bei Wind und Wetter stundenlang unterwegs sind, 8,84 € Mindestlohn pro Stunde. Das ist menschenunwürdig und eine Schande für eine Kulturnation.

Und wie sieht es mit der Generationengerechtigkeit in Deutschland aus? Das Rentenpaket ist nicht generationengerecht. Es enthält keinen Mut zur Zukunft. Die beitragsbezogene Rente hat m. E. ausgedient. An ihr festzuhalten, wäre daher ein Riesen-Fehler. Sie müßte nämlich von der jungen Generation aufgebracht werden. Notwendig wäre deshalb eine aus Steuermitteln finanzierte Alterssicherung. Rente und Gesundheit sind schließlich ein Gemeinschaftsprojekt für alle Generationen.

Aber dafür schafft man aus Willfährigkeit gegenüber der Airline- und Flugverkehrslobby die Luftverkehrssteuer ab, obwohl sie niemandem wehtut. Sie hätte eine ökologische Lenkungswirkung, da sie als zusätzliche Steuer auf Tickets erhoben wird. Folgerichtig müssten ja auch lt. Bündnis 90/Die Grünen endlich die großen Dienstwagen erheblich teurer werden. Eine auch schon uralte Forderung. Doch an dieses heiße Eisen traut man sich bis heute nicht heran. Dafür sind die selbst ernannten „Volksvertreter“, die schwören, „Schaden vom deutschen Volk abzuwenden“, zu sehr von Lobbyisten abhängig. Es fehlt der Mut, es fehlt die Courage.

Das Rentenkonzept ist unausgegoren bzw. absolut ungeeignet, die Probleme in den Griff zu bekommen, da nicht gegenfinanziert. Ein seriöses Finanzkonzept fehlt. Mütter werden gegen ihre eigenen Kinder ausgespielt.

Noch ein unrühmliches Beispiel ist die so genannte Bodenwertsteuer. Damit sollen Spekulanten stärker belastet werden (Siehe ARD-Sendung Monitor vom 22.2. 18); doch die Politik mauert, so Georg Restle, Leiter der Redaktion. „Wie schafft man Gerechtigkeit in einem Land, in dem die 45 reichsten Haushalte so viel besitzen wie die gesamte ärmere Hälfte der Bevölkerung? Auch darüber hätte man gerne etwas im Koalitionsvertrag gelesen. Z. B. wenn es um Eigentum an Grund und Boden geht. Dazu finden sich allerdings nur vage Absichtserklärungen, so MONITOR.

Es wird meiner Einschätzung nach auch in den nächsten 3 ½ Jahren (falls die Koalition – wie gesagt – überhaupt so lange besteht), nur wieder Kompromisse auf kleinstem gemeinsamen Nenner geben. In der Sache rechne ich auf keinem politischen Terrain mit substanziellen Fortschritten, die dieses Land ein großes Stück nach vorne bringen würden. Von Politikerseite ist aber nur immer nur zu hören, was in diesem Lande nicht geht.

Stattdessen wird sich – so ist zu befürchten – die Kluft zwischen Arm und Reich weiter vertiefen, weil niemand ein Interesse daran hat, an den Ursachen der Systemkrise Grundsätzliches zu ändern.

Daß dieser Koalitionsvertrag in großen Teilen wieder die Handschrift der Lobbyisten trägt, dafür ist auch die Umwelt- und Klimapolitik ein Paradefall. Was Union und SPD ausgehandelt haben, ist ein einziges Desaster. Es grenzt schon an Wahnsinn, daß die bereits erwähnte Luftverkehrssteuer gestrichen wurde. Hieraus folgt eine weitere Schwächung der Konkurrenzfähigkeit der Bahn als umweltfreundlichstes Massentransportmittel. Und das Klimaabkommen von Paris, ein völkerrechtlicher Vertrag mit dem Ziel, bis 2020 die CO²-Emissionen deutlich herunterzufahren, wird faktisch außer Kraft gesetzt. Der Kohleausstieg wurde dank dem neuen Wirtschaftsminister Altmaier und NRW-Ministerpräsident Laschet erneut auf den St. Nimmerleinstag verschoben. Und der extrem umwelt- und klimaschädliche Luftverkehr wird weiterhin in Milliardenhöhe subventioniert. Das betrifft sowohl Flughäfen als auch Flugbetrieb. Letzterer ist paradoxerweise von der Kerosinsteuer befreit, bei internationalen Flügen auch von der Mehrwertsteuer. Diese Maßnahmen treffen natürlich all jene, die in sozialer Hinsicht am schlechtesten dran sind. Denn die finanziellen Mittel, die jetzt nicht bereitgestellt werden, fehlen z. B. zur wirksamen Bekämpfung der Kinderarmut. Auch in diesem Punkt lautet also die Devise: Mit Volldampf in den Untergang!

Mein Fazit ist: Angela Merkel wird dieses Land in 4 Jahren mit Karacho an die Wand gefahren haben. Wir sind auch nach 12 Jahren Schwarz-roter und Schwarz-gelber Führung Lichtjahre davon entfernt ein Land zu sein, „in dem wir gut und gerne leben“ (Merkel), sondern eines, das in keinem Bereich für die Zukunft gerüstet ist. Dazu zählt übrigens auch der in jeder Hinsicht miserable Zustand der Bundeswehr, den eine Ursula von der Leyen zu verantworten hat, auch wenn man berücksichtigen muß, daß ihre Amtsvorgänger an diesem erbärmlichen Zustand einen nicht unbeträchtlichen Anteil haben.

Karl Josef Knoppik, 03. April 2018

Vor zwei Wochen bewertet: die Sondierungsgespräche zwischen Union, FDP und Grünen

Das unwürdige Gefeilsche bei den Sondierungsgesprächen zwischen Union, FDP und Grünen läßt folgenden Schluß zu: Frau Merkel will unbedingt weiter regieren. Mit wem und mit welchen Inhalten, spielt keine Rolle! Wegen der Unvereinbarkeit der sehr gegensätzlichen Standpunkte fehlte einer möglichen „Jamaika“-Koalition von vornherein ein tragfähiges Fundament.

(Der Text ist in ähnlicher Form am 25.11.2017 als Leserbrief im Sauerlandkurier Meschede erschienen.)

Und den Sozialdemokraten gebührt ausnahmsweise Respekt, da sie (bis jetzt!) standhaft geblieben sind gegenüber allen Versuchen seitens der CDU, ihr mehrfach bekräftigtes NEIN zu einer Neuauflage von Rot-Schwarz aufzugeben. Es ist schon grotesk: Noch vor wenigen Monaten bezeichnete Merkel die SPD als „nicht regierungsfähig“ und ereiferte sich darüber, daß ihr Partner nichts gegen CDU und CSU habe durchsetzen können. Und nun braucht sie die Sozis plötzlich als Rettungsanker, um ihre Machtbasis zu zementieren?!

Fakt ist weiterhin: Die Kanzlerin hat es nicht fertiggebracht, eine funktionsfähige Regierung auf die Beine zu stellen. Die Schwerstarbeit, das gegenseitige Beharken, überließ sie den jeweiligen Unterhändlern der Verhandlungspartner, während sich ihre „Aktivitäten“ auf das Allernötigste beschränkten. Ein paar unkonkrete Aussagen zwischendurch, mit denen niemand etwas anzufangen wußte. Ansonsten Schweigen, Abwarten und ein bisschen Moderieren. So ist man es von Frau Dr. Merkel gewohnt.

Das unrühmliche Verhalten der FDP erschien nur auf den ersten Blick konsequent. Ich glaube, diese Partei schwebte schon immer „auf Wolke 7“, schon zu jener Zeit, als sie noch mit der 5 %-Hürde kämpfte. Wichtigtuerei und/oder verletzte Eitelkeit, so meine Einschätzung, könnte eine Erklärung für das Vorgehen der Liberalen sein. Dabei gibt es zwischen Union und FDP lt. der Kanzlerin nach wie vor einen nicht unbeträchtlichen Vorrat an Gemeinsamkeiten, trotz mancher Differenzen.

Und die Grünen? Sie wollten um jeden Preis an die Macht. Dafür verbogen sie sich fast bis zur Selbstverleugnung! Die ihnen entgegen gebrachten Schmeicheleien aus dem Lager von Union und FDP mögen ihren Anteil daran haben. Wer jedoch seine Überzeugungen um des Regierens willen über Bord wirft, nur um den jeweils anderen Partner zufriedenzustellen, erweist sich selbst und der Sache einen Bärendienst und verliert das letzte Quäntchen an Glaubwürdigkeit.

Eine Partei wie Bündnis 90/Die Grünen kann es sich gegenüber Partnern, die in erster Linie dem wachstumsorientierten Wirtschaftslobbyismus verpflichtet sind, jedoch am allerwenigsten leisten, substanzielle Zugeständnisse zu machen. Sie würde riskieren, daß ihr „Tafelsilber“ von den anderen als merkantiler Gegenstand mißbraucht, sprich unter den Kesseln der Konjunktur verheizt wird.

Sowohl in der Energie-, Agrar- Verkehrs- und Klimapolitik, als auch beim Natur- und Tierschutz sind wir doch von der so dringend benötigten Wende Lichtjahre entfernt. Bei diesen so eminent wichtigen Zukunftsthemen tat sich nichts Weltbewegendes. Der erhoffte Durchbruch hin zu einem echten Politikwechsel blieb aus.

Andere ebenfalls sehr bedeutsame Zukunftsfragen wurden erst gar nicht angesprochen, etwa die grassierende Armut in Deutschland, besonders die Kinderarmut, ferner die Renten, bezahlbarer Wohnraum und erschwingliche Mietpreise, die oft skandalösen Zustände in Altenheimen, Ärztemangel auf dem Land, das Schicksal der Langzeitarbeitslosen und Obdachlosen, der Niedriglohnsektor, gerechte Bezahlung für alle, des Weiteren die zunehmende Kriminalität, das No go Areas-Problem, die Migrations- und Flüchtlingsfrage in all ihren Erscheinungsformen usw.

Statt sich die Sorgen und Nöte der Bevölkerung in diesem Staat zu eigen zu machen, war sich Schwarz-gelb-grün schnell einig, daß die Wirtschaft nicht belastet werden dürfe. Ferner tauchte eine alte CDU/FDP – Forderung wieder auf, nämlich die Notwendigkeit der Entbürokratisierung. Was das für die C- und F-Parteien bedeutet, wissen wir seit langem: Abbau bzw. Abschwächung von Sozial- und Umweltstandards, die Demontage des Naturschutzes, mithin alles, was dem Expansionsdrang der Industrie im Wege steht.

Fazit: Die ohnehin Benachteiligten und „Abgehängten“ in unserer Gesellschaft würden weiter in die Röhre gucken!

Angesichts dieser verfahrenen Situation, so wie sie sich derzeit darstellt, halte ich Neuwahlen für die sauberste und ehrlichste Lösung. Mit einer Minderheitsregierung, noch dazu angeführt von einer jetzt schon völlig überforderten Kanzlerin Merkel, würden keine stabilen Verhältnisse geschaffen, sondern nur neue Probleme entstehen. Und eine personell und programmatisch neu aufgestellte SPD sollte die nächsten 4 Jahre dazu nutzen, konstruktive, aber knallharte Oppositionsarbeit zu leisten und zusammen mit Grünen und Linkspartei beharrlich auf eine Regierungsübernahme in Berlin hinwirken.

Long read: Verloren – und nichts falsch gemacht? Eine selbstgerechte Kanzlerin Merkel bleibt sich treu – Die Volksparteien CDU/CSU und SPD scheitern kläglich!

Verrückt – Martin Schulz. Diese beiden Plakate hingen vor der Wahl in Siedlinghausen an den Laternen. (foto: zoom)

Ein ermüdender und langweiliger Wahlkampf liegt hinter uns. Kaum Infostände. Stattdessen gähnende Leere. An Wahlflyern erhielten wir nur einen von der SPD. Offenbar haben die Parteien Angst davor sich dem Wähler zu stellen! Ein Wachrütteln könnte ihn ja aufschrecken und die gewaltigen Handlungsdefizite der Parteien schlagartig ins Bewusstsein rufen.

Die Einschätzung von Politikwissenschaftlern, daß der Wähler im Zweifelsfall lieber Angela Merkel und ihrer CDU seine Stimme gibt, weil die Regierungspartei in unsicheren Zeiten als „Stabilitätsfaktor“ zu betrachten ist, erwies sich als Irrtum. Obgleich die Wahlresultate der Altparteien nicht den geringsten Anlaß zur Zufriedenheit boten, war aus den ersten Stellungnahmen keine Spur von Einsicht, Demut oder Selbstkritik zu erkennen.

Der Wahlsonntag liegt gerade einmal 5 Tage hinter uns, schon dreht sich bei den Wahlverlierern SPD und CDU das Personalkarussel. Dabei hat besonders die SPD allen Grund, erstmal ihr desaströses Wahlergebnis aufzuarbeiten und sich die Frage zu stellen, wo Fehler gemacht worden sind. Und wer erwartet hatte, daß Martin Schulz persönlich die Verantwortung für das Debakel übernimmt, sah sich getäuscht. Nach so einem Wahlergebnis hätte zu damaliger Zeit jeder gescheiterte Kanzlerkandidat seinen Rücktritt erklärt.

Doch Schulz ignoriert nicht nur die Wahlniederlage seiner SPD. Er tritt die Flucht nach vorn an, träumt bereits jetzt von einer Kanzlerschaft in vier Jahren und sieht die SPD bis dahin bei 40 Prozent Stimmenanteil!

Ich frage mich: Wie soll der Vorsitzende einer SPD, der solche Utopien anstelle von begründeter Zuversicht verbreitet, die am Boden liegenden Partei in eine bessere Zukunft führen? Allgemein läßt sich sagen, daß es den Parteistrategen von heute an der Ernsthaftigkeit fehlt, die Probleme, mit denen sie konfrontiert werden, überhaupt richtig zu erfassen und daraus die notwendigen Schlussfolgerungen zu ziehen.

Zu damaliger Zeit ging es in Bundestagswahlkämpfen äußerst turbulent zu. Amtsinhaber und Herausforderer lieferten sich scharfe Wortgefechte (z. B. die Kanzler Schmidt und Kohl). Da schenkte man sich nichts.

Heute dagegen sind die Wahlkämpfe meist von gegenseitiger Rücksichtnahme bestimmt. Man könnte ja noch aufeinander angewiesen sein. Diesen Eindruck hatte man lange Zeit von den Grünen gewonnen, denn ihre Spitzenkandidaten Göring-Eckardt und Özdemir galten stets als Befürworter einer Zusammenarbeit mit der CDU. Weil daraus aber nichts wird und nun mit dem sogenannten „Jamaika“-Bündnis eine echte Machtoption im Raum steht, werden die „Ökos“ alles daransetzen, um diese für ihre Partei letzte Chance wahrzunehmen, in Berlin mitzuregieren.

Damit aber gehen die beiden Spitzenkandidaten und ihre Freunde ein sehr hohes Risiko ein. Denn die Werte, die die Grünen auf ihre Fahnen schreiben, müßten ihnen so viel bedeuten, ja so heilig sein, daß sie sie für unveräußerlich erklären. Von daher bleibt der einst prinzipientreuen „Ökopartei“ für Kompromisse so gut wie kein Spielraum.

Der Preis, den sie für das Zustandekommen einer schwarz-gelb-grünen Koalition zu zahlen hätten, um diese möglich zu machen, wäre unvertretbar hoch.

Das Problem ist, daß es Die Grünen hier mit zwei dem wirtschaftlichen Wachstum verschriebenen Parteien zu tun haben, die völlig konträre Ziele verfolgen.

Nach meiner Einschätzung wäre ein solches Dreierbündnis aus Union, FDP und „Ökopartei“, sofern es überhaupt zustande kommt, was ich stark bezweifele, nicht regierungsfähig. Leider ist aber nicht auszuschließen, daß sich die Grünen eher mit dem so genannten Machbaren zufrieden geben, als diese einmalige Gelegenheit zur Regierungsbeteiligung ungenutzt verstreichen zu lassen.

In dem Fall könnte sie allerdings dasselbe Schicksal ereilen, wie vor 4 Jahren die FDP, als diese aus dem Bundestag flog. Und auch die „Freien Demokraten“ stehen unter dem Druck sich so gut wie möglich zu verkaufen. Sie möchten ihr gutes Wahlergebnis nicht aufs Spiel setzen, nur damit A. Merkel Kanzlerin bleiben kann. Und ein stark geschwächter Horst Seehofer hat wiederum keine andere Wahl als auf seiner Forderung nach einer Obergrenze für Flüchtlinge zu beharren – und alles weitere, was mit dieser Problematik im Zusammenhang steht. Er wird nichts unversucht lassen, gerade in dem Punkt die Hürden bei möglichen Verhandlungen mit CDU, FDP und Grünen sehr hoch zu hängen, um seine Positionen durchzusetzen.

Es gab bei dieser Bundestagswahl also zwei große Verlierer, nämlich CDU/CSU und SPD. Die allgemeine Unzufriedenheit in der Bevölkerung – insbesondere mit der Flüchtlings-, Asyl- und Innenpolitik hat mehr als 12 % der Bürger zur AfD getrieben. Das ist insofern verständlich, weil es für viele Leute, die am Rand der Gesellschaft stehen, keine andere Möglichkeit gab, es den Politikern heimzuzahlen.

Im nächsten Deutschen Bundestag werden sich die Altparteien mit den Gründen, die für das Erstarken dieser Partei verantwortlich ist, auseinandersetzen müssen. Mit Verunglimpfungen und der „Hau-drauf“-Masche (S. Gabriel: „Das sind alles Nazis“) wird es jedenfalls nie gelingen, die AfD möglicherweise schon nach 4 Jahren wieder aus dem Parlament zu vertreiben. Nur mit einer konsequenten, an den Lebensinteressen der Bevölkerung orientierten Politik kann das Vertrauen der Wähler zurückgewonnen werden. Ich sehe momentan aber nicht, daß SPD, CDU/CSU oder FDP ernsthaft gewillt sind, dieses Ziel in Angriff zu nehmen.

Von allen Parteien im demokratischen Spektrum will bisher nur die Linke das Übel an der Wurzel packen und die gesellschaftlichen Mißstände ursächlich bekämpfen. Die Linkspartei hat sich im zurückliegenden Wahlkampf als einzige Partei glaubwürdig der Sorgen und Nöte der Menschen angenommen.

Jetzt ist die AfD an der Reihe. Sie muß beweisen und zeigen, was sie programmatisch noch mehr zu bieten hat, als Innere Sicherheit, die Flüchtlings-, Asyl- und Migrationsfrage, durch welche sie sich bis heute ununterbrochen Aufmerksamkeit verschaffte. Mit harten Wortgefechten in den Parlamentsdebatten ist also künftig zu rechnen.

Wie bereits im Wahlkampf des Jahres 2013 spielten auch diesmal ökologische Themen, wie Umwelt-, Natur-, Klima-, Tier- und Verbraucherschutz nirgends eine Rolle, was ich beschämend finde! Die Grünen hätten hier im Eigeninteresse den nötigen Druck erzeugen müssen, um die Medien zu zwingen diese Zukunftsthemen im Rahmen von TV-Duellen und öffentlichen Diskussionsrunden auf die Tagesordnung zu setzen, zumal die alle Talkrunden beherrschende Flüchtlingspolitik eng mit der ökologischen Überlebensfrage verflochten ist.

Stattdessen wurde Altbekanntes, nämlich Digitalisierung, Breitbandausbau, Bildung, Kitas, Infrastruktur, Pflege, Rente usw. bei jeder Gelegenheit aus der Schublade geholt, ohne daß sich auf diesen Feldern bis heute eine Verbesserung der Situation eingestellt hätte.

Nach drei vergeigten Landtagswahlen kam es für die Sozis, wie es kommen mußte: Martin Schulz ist kläglich gescheitert. Ein Kandidat ohne Programm, ohne überzeugende Strategie, ohne den nötigen Biß!

Ein schwerer Fehler war auch, daß er sich überall angebiedert hat, beim Volk, bei den Journalisten und nicht zuletzt bei der Kanzlerin in dem Fernsehduell. Es war mehr als töricht, Frau Merkel nicht bei ihren in 12 Jahren angehäuften politischen Defiziten glaubhaft zu stellen!

Wie kann man nur so instinktlos agieren; und das vor einem Millionenpublikum? Aber mehr noch als Schulz selbst hat die Partei als Ganzes diese katastrophale Niederlage zu verantworten. Der Kanzlerkandidat hatte während des letzten halben Jahres nicht die notwendige Rückendeckung seiner Genossen. Im NRW-Wahlkampf war Schulz sogar unerwünscht, um den Sieg von Hannelore Kraft nicht zu gefährden. Was ist das für eine Partei, die ihren eigenen, mit 100 Prozent gewählten Kandidaten vor den Wählern im SPD-Stammland versteckt?

Klüger wäre es gewesen, die Sozis hätten – was wohl sonst – ihren Kandidaten in den Mittelpunkt des Wahlkampfs gestellt und zugleich das Programm für den 24. September präsentiert. Allerdings konnte Martin Schulz mit diesem Bundestagswahlprogramm, das ja keinen grundlegenden Politikwechsel beinhaltet, niemanden hinter dem Ofen hervorlocken.

Der große Hoffnungsträger der Sozialdemokratie verkündete eigentlich nichts Neues; bei genauem Hinsehen nur marginale Änderungen an der bisherigen Arbeitsmarkt-, Gesundheits- und Rentenpolitik.

Hier zeigt sich wieder, wie sehr es der SPD geschadet hat, über Jahre hinweg einer Angela Merkel als Juniorpartner zu dienen. Die SPD steht mit leeren Händen da. Sie hat im Grunde nichts erreicht. Eines ihrer ehrgeizigsten Projekte, der Mindestlohn, wird von den Arbeitgebern vielfach unterlaufen. Arbeitnehmer, die den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn bekommen, werden von ihren Arbeitgebern dazu angehalten, unbezahlte Mehrarbeit zu leisten, womit der Mindestlohn faktisch ausgehöhlt wird!

Ebenso ist die Forderung nach einer Mietpreisbremse gescheitert. Hätten, ja hätten die Sozialdemokraten bereits im Jahre 2013 die Chance für ein rot-grün-rotes Bündnis genutzt, – es hätte zusammen knapp 48 Prozent erreicht -, könnte Frau Merkel längst auf den Oppositionsbänken Platz genommen haben; der Stillstand in der Politik wäre vorbei. So aber muß sich die SPD völlig neu aufstellen, personell und programmatisch. Ob jedoch Andrea Nahles als neue Fraktionschefin tatsächlich für einen Neuanfang steht, darf bezweifelt werden. Auf jeden Fall halte ich die Entscheidung der SPD, den Marsch in die Opposition anzutreten, für konsequent und richtig!

Das Positive daran ist, daß die Opposition wieder von einer großen Partei angeführt wird und damit die Gegensätze zwischen der Regierungspartei CDU/CSU einerseits und den Sozialdemokraten andererseits wieder aufeinanderprallen. Die Streitkultur, Wesensmerkmal einer Demokratie, würde erheblich an Bedeutung gewinnen. Das hatte sich die kindisch-einfältig kalkulierende „Angie“ so fein ausgedacht: Martin Schulz und seine am Boden zerstörte SPD kehren treu-brav in den Schoß von Mutti zurück. Und schon kann sozusagen im Schlaf weiterregiert werden. Noch vier Jahre Angela – und es ist zu befürchten, daß das Land weiter im „Merkel-Mehltau“ vor sich hin dämmert und es unter der Oberfläche unverändert brodelt.

Wer in Zukunft dennoch auf Aussitzen setzt und dieses Land nicht gestaltet, sondern machtbewußt und selbstgefällig verwaltet, versündigt sich an nachfolgenden Generationen. Aber Merkel tut so, als sei nichts geschehen. Sie verschwendet keinen Gedanken daran, das Wahlergebnis sorgfältig zu analysieren, nein – sie läßt jede – auch noch so leise Kritik – erst gar nicht an sich herankommen. Ihre Devise lautet: Weiter so, Deutschland. Die Frau aus der Uckermarck ist die letzte, die das schlechte Abschneiden ihrer Partei und den Erfolg der AfD verstanden hat oder nicht verstehen will. Lieber trifft sie sich mit Sportgrößen, Schauspielern, treu ergebenen Journalisten oder anderen Vertretern der gesellschaftlichen Oberklasse, die sich vom Rest der Welt längst abgekoppelt haben.

Politik findet eben nicht nur in Parlamenten und Parteizentralen statt, sondern auch auf Straßen und Plätzen. Es gilt auf die Sorgen und Nöte der Menschen einzugehen. Wo brennt es den Leuten auf den Nägeln, wo drückt sie der Schuh? Das alles ist mit reichlich Arbeit verbunden, macht Mühe. Wer sich nur in den Wochen und Monaten des Wahlkampfes blicken läßt, in schweren Luxuslimousinen von Termin zu Termin fährt und im Stillen darauf hofft, daß die Bürger alle vier Jahre schon ihr Kreuzchen machen, wird herb enttäuscht sein. Das ist die Lehre aus dieser Wahl. Allein das Wohl der Industrie im Auge haben, die eigene Bevölkerung jedoch mit ihren Problemen im Stich lassen und ihr alles aufbürden, um die Lobbyverbände zufriedenzustellen, scheitert grandios!

„Ein Land, in dem wir gut und gerne leben“: Das war der Leitspruch der CDU bzw. der Kanzlerin für diese Wahl. Von diesem Satz kann sich jedoch nur die Elite in diesem Staat angesprochen fühlen, oder Kriminelle und Rechtsbrecher, die sich hier mehr oder weniger frei bewegen können.

Doch die Kanzlerdämmerung hat mit dem Sonntagabend begonnen. In den 32,9 Prozent Stimmenanteil für die Union steckt eine gehörige Portion Merkel-Verdrossenheit. Die (Noch-) CDU-Vorsitzende ist auch in ihrer eigenen Partei längst nicht mehr unumstritten; sie ist kein Selbstläufer mehr!

Daß Angela Merkel nunmehr seit 2005 geradezu wie eine Präsidentin „regiert“, spiegelte sich auch in ihren kurz und knapp gehaltenen Worten nach Verkündigung der Wahlprognose nieder. Ihr innerparteilicher Widersacher Horst Seehofer wurde für seinen unglaubwürdigen und lächerlichen Schlingerkurs gegenüber Merkels Flüchtlingspolitik abgestraft.

Erstaunlicherweise sieht der bayerische Ministerpräsident Handlungsbedarf nur insofern, als „die rechte Flanke“ geschlossen werden muß.

Nein, Herr Seehofer, die Probleme liegen ganz woanders. Auch bei der CSU haben die katastrophalen Stimmeneinbußen handfeste gesellschaftliche Ursachen. Dennoch sieht die Kanzlerin nicht, daß sie ihre Politik auch nur in Teilen korrigieren muß. Fehler seien nicht gemacht worden. Nur bedeutet eine Fortsetzung der Merkel’schen Gelassenheit im Klartext, daß irgendwer diese Untätigkeit ausbaden muß!

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Karl Josef Knoppik, 29. September 2017

Der deutsche Wald – Ökonomische Nutzung und ökologische Nachhaltigkeit. Teil 2: Der phantastische Aufstieg der Fichte zum Brotbaum der Forstwirtschaft und ihre Entzauberung durch menschliche Ignoranz und kurzsichtiges Renditedenken

Dunkle Fichten und das helle Grün der Buchen: hier ausnahmsweise in der Mehrzahl (foto: zoom)

Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts, im Jahre 1820, hielt die forstlich attraktive Nadelbaumart Fichte bei uns im Sauerland Einzug. Dies war zugleich auch die Geburtsstunde der forstlichen Plantagenwirtschaft, die auf dem Konzept der so genannten Bodenreinertragslehre gegründet war.

(Den ersten Teil der beiden Artikel kann man hier nachlesen.)

Diese Plantagenwirtschaft hatte eine maximale Verzinsung des Bodenkapitals zum Ziel. Man wollte den Wald wie einen Acker bewirtschaften – mit Kahlschlägen und dem großflächigen Anbau nur einer einzigen Baumart. Der Altersklassenwald war entstanden.

In ihm stehen die unterschiedlich alten Bäume nicht auf einer Fläche, sondern nach Alter räumlich getrennt auf jeweils verschiedenen Flächen. Alles ganz exakt, geometrisch angeordnet und maschinell geerntet. In der Folge wurden die Flächen durch Neupflanzung wieder aufgeforstet.

Schon Heinrich Heine spottete über die Akkuratesse der Deutschen: Zitat: „In jeder Bewegung ein rechter Winkel.“

Nadelholzmonokulturen – wie vom Reißbrett – sind auch nach dem Orkan Kyrill unverändert dominant. Wieder nichts gelernt? (Foto: K. J. Knoppik)

Mit der Zeit häuften sich jedoch die Schäden durch Schnee- und Eisbruch, Sturm und Insektenfraß. Zudem verursacht der sich aus dem Altersklassenwald ergebende Kahlschlagbetrieb radikale Eingriffe in die Lebensgemeinschaften des Waldes.

Die Orkane „Vivien“ und „Wibke“, „Lothar“ und „Kyrill“ sowie verheerende Stürme in Niedersachsen bereits zu Anfang der 1970er Jahre belegen eindeutig und überall sichtbar dieses gescheiterte Waldbaukonzept. Und immer sind die Schäden dort am größten, wo die Waldbestände am wenigsten der Natur entsprechen.

Kurzsichtiges, auf schnellen Profit gerichtetes Denken zahlte sich noch nie aus. Und die Kosten für die Schäden in den labilen Kunstforsten, sog. Kalamitäten, wurden nicht etwa dem Verursacher, sondern dem Steuerzahler aufgebürdet.

Willst Du einen Wald vernichten, pflanze Fichten, Fichten, Fichten … (Foto: K. J. Knoppik)

Vom 18. Auf den 19.1. 2007 knickte der Orkan Kyrill auf einer Fläche von 27.300 ha den Wald in Südwestfalen um. Das entspricht 9 % der Waldfläche der Region, 49 % davon lagen im Hochsauerlandkreis. In ganz NRW betrug der Schaden etwa 15,7 Mio. Festmeter. Das entspricht dem Dreifachen des durchschnittlichen Jahreseinschlags im Land.

Der Privatwald war mit 72 % am stärksten betroffen. Kyrill hat vor allem die Fichte, neben der Waldkiefer der Brotbaum Nr. 1 der Forstleute und Waldbauern, auf riesigen Flächen wie Streichhölzer umgeworfen. Solche „Katastrophen“ haben ihren Ursprung in nicht standortangepaßten – dem kulturellen Prinzip der Nachhaltigkeit widersprechenden – Anbaumethoden.

Dabei lassen sich solche naturwidrigen Nadelholzplantagen mit relativ einfachen und kostengünstigen Maßnahmen in ökologisch hochwertige und stabile Wälder überführen. Gleichaltrige Fichtenbestände mit Wald gleichzusetzen, entbehrt jeder Grundlage, sind sie doch öde Holzproduktionsstätten, die unter dem Einfluß der globalen Erwärmung allgemein immer mehr an Boden verlieren. Das, was aus forstlicher Sicht lange Zeit als richtig erschien, muß also angesichts neuer Herausforderungen komplett neu überdacht werden. Unterdessen nimmt der Druck auf das grüne Drittel unserer Republik zu.

Der begehrte Rohstoff Holz wird knapper – und die Nutzung intensiviert. Dabei hat der Wald zahlreiche Gemeinwohlfunktionen zu erfüllen. Er dient der Bewahrung der heimischen Artenvielfalt; und gleichzeitig muß er auch gegen die Auswirkungen der globalen Erwärmung gerüstet sein. Denn nur vitale Ökosysteme sind in der Lage, den Auswirkungen der hauptsächlich vom Menschen verursachten Klimaveränderung einiges entgegenzusetzen.

Dennoch halten viele Waldbesitzer hier in NRW trotz aller Warnungen und noch so starker finanzieller Anreize zugunsten naturnaher Mischwälder an der Fichte fest. Es zeigt sich, daß man nicht einmal aus dem Orkanereignis Kyrill, geschweige denn aus den Fehlern vergangener Jahrzehnte, viel dazugelernt hat.

Die Häufung extremer Wetterlagen, wie Stürme, Trocken- und Hitzeperioden, ausbleibende Winter und Insektenkalamitäten haben im Sauerland bis heute nach meinem Eindruck zu keinem grundlegenden Umdenken geführt. Eine echte Abkehr vom Nadelholz, das sich auch in entsprechenden Zahlen widerspiegeln würde, ist nicht zu erkennen.

Im Gegenteil: Weihnachtsbaumkulturen breiten sich auf ehemaligen Kyrill-Flächen aus. Diese im Wald angesiedelten Kulturen dürfen noch bis 2028 betrieben werden, sofern sie vor 2013 angepflanzt wurden. Allerdings ist es dem seinerzeit zuständigen grünen Umweltminister Remmel zu „verdanken“, daß Weihnachtsbaumanbieter, die schon heute umweltverträglich produzieren, auch nach dem Jahr 2028 unverändert Nadelholzplantagen in Wäldern anlegen dürfen!

Hier ist Johannes Remmel nach seiner Bauchlandung mit dem NRW-Klimaschutzplan erneut als Umfaller in Erscheinung getreten. Zur Information sei noch erwähnt, daß unser häufigster Weihnachtsbaum, die Nordmanntanne in ihrem Ursprungsgebiet, den höheren Lagen des Kaukasus, durch massiven Holzeinschlag gefährdet ist!

Weihnachtsbaumkulturen haben mit naturnaher Waldwirtschaft nichts zu tun … (Foto: Knoppik)

Und zu allem Überfluß hat man festgestellt, daß im Sauerland Buchenwälder einfach in Fichtenbestände überführt werden, vermutlich immer noch. Überhöhte Reh- und Rotwildpopulationen verschärfen das Problem, indem diese mit ihrem selektiven Verbiß besonders der Edellaubhölzer eine erfolgreiche Begründung von naturnahen Wäldern verhindern. Es gibt in Deutschland zwar ungefähr 90 Milliarden Bäume. Eine Zahl von astronomischer Dimension! Bedenkt man jedoch, welche schädlichen und zerstörerischen Kräfte inclusive Umweltfaktoren auf das Waldökosystem einwirken, geht es dem Wald schnell an die Substanz und gewaltige Ausfallerscheinungen sind die Folge!

Bis heute haben trotz Förderprogrammen des Landes NRW nur wenige Waldbauern bzw. Waldbesitzer die Auswirkungen des Orkans Kyrill als Chance begriffen, eine zukunftsfähige, ökologisch notwendige und zugleich den wirtschaftlichen Erfordernissen Rechnung tragende Waldnutzung in Angriff zu nehmen, oder die betreffenden Flächen sinnvollerweise gleich der Natur zu überlassen. Das wäre die einzig richtige Antwort auf die Herausforderungen der Zukunft, nämlich Klimaerwärmung und Erhalt der Biodiversität.

Denn auch im Privatwald muß – ebenso wie in den öffentlichen Wäldern – langfristig das 10 Prozent-Ziel gelten. Privatwaldbesitzer, die sich z. B. freiwillig für die Bewahrung alter Bäume mit Höhlen für Fledermäuse, Vögel und Käfer in ihren Wäldern engagieren, sind für ihren Einsatz angemessen zu entlohnen. Im Privatwald sind also Gemeinwohlleistungen, die über die Sozialpflichtigkeit des Eigentums hinausgehen, finanziell auszugleichen, und zwar durch Bund und Land. Zusätzlich ist ein Waldnaturschutzfonds einzurichten.

Es gilt die gute fachliche Praxis. Sie muß als Mindeststandard definiert und in sämtlichen Waldgesetzen verbindlich festgeschrieben werden. Das bedeutet: Verbot von Kahlschlägen, Biozid- bzw. Pestizideinsatz oder Einsatz gentechnisch veränderten Organismen. Lt. Richtlinien muß „die gute fachliche Praxis“ die Grundlage und Mindestanforderung für Planung, Durchführung und Bewertung von Waldnutzungsmaßnahmen bilden. Dazu zählen auch Anreize zur Umstellung auf naturnahe Waldwirtschaft, etwa durch ökologisch anspruchsvolle Zertifizierungen (FSC, Naturland).

Nadelholzplantagen breiten sich im Wald aus. Hauptsache: Sie kosten wenig und bringen viel. Aber die Rechnung geht nicht auf. (Foto: Karl J. Knoppik)

 

Naturnaher Mischwald in der Umgebung des Königssees (Foto: Karl Josef Knoppik)

Waldbauwissenschaftler und Vegetationskundler empfehlen seit langem aus ökologischen und ökonomischen Gründen als auch im Hinblick auf den Klimawandel die Nutzung sämtlicher standortheimischer Baumarten. Dabei sollte, was die Nadelhölzer betrifft, selektiv vorgegangen werden und keinesfalls wieder auf Exoten, wie die zur Invasivität neigende Douglasie zurückgegriffen werden.

Sie gedeiht sehr gut auf bodensauren, lichten und trockenwarmen Waldstandorten. Diese sind zwar forstwirtschaftlich von geringer Bedeutung, zeichnen sich aber durch einen hohen naturschutzfachlichen Wert aus. Lt. Bundesamt für Naturschutz (BfA) verjüngt sich die D. im Vergleich zu den meisten anderen heimischen Baumarten natürlich und dunkelt die oft hochspezialisierten Tier- und Pflanzenarten aus. Das ist der auf diesen Standorten höheren Konkurrenzkraft der Douglasie geschuldet, die dazu führt, daß indigene Pflanzen und darauf angewiesene Tierarten verdrängt werden, da sie in ihrer Anpassungsfähigkeit schlichtweg überfordert sind. Ganze Lebensgemeinschaften verändern sich auf diese Weise!

Aber auch Roteiche, Japanische Lärche, Küstentanne oder Schwarzkiefer bieten unserer heimischen Tierwelt keinen Lebensraum und weisen anbau- und krankheitsbedingte Risiken auf. Interessant ist, was sogar eine vom Hessen-Forst selbst angestellte Untersuchung gezeigt hat, daß nämlich die Douglasie für viele unserer heimischen Vogelarten wertlos ist.

Am Beispiel unserer größten Spechtart, dem Schwarzspecht, läßt sich eindrucksvoll belegen: Diese Vögel sind Schlüsselfiguren im Buchenwald, denn sie zimmern Bruthöhlen, die später von Nachmietern, u.a. Rauhfußkauz, Dohle oder Hohltaube bezogen werden.

Abgesehen davon, daß der Schwarzspecht fast immer Buchen anfliegt, erkannte der Autor der Studie: „Bemerkenswert ist, daß kein Nachweis der Nahrungssuche des Schwarzspechts in den auch im Untersuchungsgebiet vorhandenen Douglasienbeständen gelang.“

Hackspuren vom Schwarzspecht (Quelle: Naturfoto Heinz Tuschl)

Auch für andere Spechtarten ist nach den Erfahrungen des Verfassers Michael Hoffmann die Douglas-Tanne eine „zur Höhlenanlage äußerst unattraktive Baumart.“

Hinzu kommt, daß rindenbrütende „Schadinsekten“ in zunehmendem Maße auf dieser fremdländischen Baumart gesichtet werden und damit dieselben Probleme auftreten, die wir schon seit Jahrzehnten von der Fichte kennen.

Auch die immer ins Feld geführte Klimatoleranz der Douglasie, die ursprünglich an der Westküste der USA beheimatet ist, wird weit überschätzt. In Wirklichkeit geht es der Forst- und Holzlobby allein darum noch mehr Rendite aus dem Wald herauszuholen.

Nordamerikanische Douglasien und andere fremdländische Nadelbaumarten bergen erhebliche ökologische Risiken (Foto: Karl Josef Knoppik).

Nach Meinung von Experten des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) wie auch nach meiner eigenen Auffassung sind die standortheimischen Laubbaumarten selbst bei steigenden Temperaturen in der Lage stabile Wälder zu bilden. Sie lassen sich auch wirtschaftlich nutzen.

Bezüglich der in Frage kommenden Nadelhölzer kann die schnell wachsende Weißtanne eine entscheidende Rolle im Wald von morgen spielen. Sie ist die von Natur aus am weitesten verbreitete, ökologisch und ökonomisch wertvollste heimische Nadelbaumart. Im Wesentlichen auf Süddeutschland beschränkt, erstreckt sich ihr Vorkommen bis hinauf zum Thüringer Wald. Die Tanne wäre sehr gut für ein wärmeres Klima geeignet. Sie gedeiht auf basischen Böden ebenso wie auf sauren und verjüngt sich auf den unterschiedlichsten Humusformen – vom Mull bis zum Rohhumus. Ihre flachen, gescheitelten Nadeln enthalten mehr Blattgrün als die der Buche und 6 mal so viele Reservestoffe wie jene der Fichte.

Außerdem verträgt die Weißtanne (auch Edeltanne genannt) in ihrer Jugend anhaltende Beschattung, mehr als alle anderen Wirtschaftsbaumarten. Deshalb ist sie geradezu prädestiniert für den Aufbau ungleichaltriger, stufiger Dauerwaldstrukturen. Zudem verjüngen sich Tannen von Natur nach Ausfall von Einzelbäumen oder Trupps – also keine flächigen Katastrophen durch Sturm, Insektengradation oder Feuer. Dank ihrer großen Sturmfestigkeit konnte sie – eingebunden in ungleichaltrige Buchenumgebung – damals selbst jenem über dem Schwarzwald tobenden Orkan „Lothar“ (1999) in dessen Zentrum widerstehen.

Rückkehrer auf leisen Sohlen: Der Luchs ist in einigen Waldgebieten Deutschlands wieder heimisch geworden. Die Kehrseiten dieser erfreulichen Entwicklung: Zerschneidung seiner Lebensräume. Außerdem werden immer wieder Tiere illegal getötet oder werden Opfer des Straßenverkehrs. Effekte, die große Beutegreifer, wie Luchs oder Wolf, auf das Schalenwild, oder auch kleinere Beutegreifer ausüben, können durch Jagd nicht von Menschen ersetzt werden (Foto: Heinz Tuschl).

 

Jungtannen sind besonders verbißgefährdet (Foto: K. J. Knoppik)

Vor einigen Jahrzehnten fand man im Bayerischen und Böhmerwald Tannenexemplare bis zu einer Höhe von 60 Metern und darüber und einem Stammumfang von 3 – 5 Metern am Stock.


Weißtannen sind die mächtigsten Bäume Europas. Sie erreichen eine Höhe von bis zu 65 m. (Foto: K. J. Knoppik)

Wegen ihrer überragenden ökologischen und auch ökonomischen Bedeutung plädieren Wissenschaftler schon seit vielen Jahren dafür, den Baum des Jahres 2004 außerhalb der Tannenverbreitungsgrenze überall dort in vergleichbaren Anteilen zu beteiligen, wo nach wie vor die Fichte oder Douglasie geplant sind.

Die Wiederbegründung tannenreicher Wälder macht jedoch nur dann Sinn, wenn zuvor die Schalenwildpopulationen in einem Maße reduziert werden, daß der Tannennachwuchs verbißfrei aufwachsen kann. Hier steht die mächtige Lobby der „Grünröcke“ in der Pflicht, ihre Verantwortung für gesunde und artenreiche Wälder von hoher Ästhetik endlich wahrzunehmen.

Der Rotwildbestand muß auf ein waldverträgliches Niveau abgesenkt werden. Nur dann können artenreiche Mischwälder ungehindert aufwachsen (Foto: H. Tuschl)

Entgegen anderslautender Darstellung scheitert der Aufbau naturnaher Wälder hierzulande bis auf wenige Ausnahmen an der uneinsichtigen, auf puren Eigennutz bedachten Blockadehaltung der Jäger. Dabei wäre nach Dr. Georg Meister, einem bedeutenden Vordenker des naturnahen Waldbaus, dieses Ziel mit einfachen und relativ kostengünstigen Maßnahmen bequem zu erreichen.

Sündhaft teure Abzäunungen und weitere katastrophale Einbußen durch selektiven Wildverbiß sowie Schälschäden können wir uns nicht länger leisten. Immer noch besteht ein Großteil der bundesweit vorhandenen Waldflächen aus öden Fichten- und Kiefern-Monokulturen, die in erster Linie einer irrationalen Jagdleidenschaft geschuldet sind.

Offenbar ist von Seiten der Jäger bis heute kein echter Wille vorhanden, gemäß dem Grundsatz Wald vor Wild als unabdingbare Voraussetzung für naturnahe Wälder einen ökologisch motivierten Strategiewechsel zu vollziehen.

Festzustellen ist aber auch, daß es mittlerweile Jäger gibt, die sich ihrer Verantwortung für stabile Wälder mit reicher Artenvielfalt bewußt sind und mit der Anpassung der Schalenwildpopulationen an die Waldvegetation durch eine rigide Bejagung Ernst machen.

Das selten gewordene Haselhuhn ist auf strukturreiche Laub- und Mischwälder mit reichlich Unterholz angewiesen. Mittlerweile ist es in großen Teilen seines früheren Verbreitungsgebietes verschwunden. Verbreitungsschwerpunkt sind die Alpen, Bayerischer und Böhmerwald. (Foto: Heinz Tuschl)

 


Für Reh- und Rotwild sind die kostbaren, nährstoffreichen, wohlschmeckenden und weichen Nadeln der Tanne eine Delikatesse. (Foto: Karl Josef Knoppik)

Die Vorteile der heimischen Weißtanne als Alternative zur Fichte liegen auf der Hand. Sie kommt – ähnlich wie die Stieleiche – mit nassen, schweren Böden sehr gut zurecht und ist im Gegensatz zur Fichte nicht von Rotfäule, z. B. auf staunassen Standorten oder nach Schälschäden, betroffen. Sie gilt neben der breiten Palette einheimischer Laubholzarten als wichtiger Indikator für intakte naturnahe und natürliche Waldökosysteme und ist zudem mit ihrem tiefreichenden Herz-Pfahlwurzelsystem ein unverzichtbarer Stabilitätsfaktor in unseren Wirtschaftswäldern.

Das „Tannensterben“ Ende der 70er Jahre, das aber schon seit Beginn der Industrialisierung örtlich durch Rauchschäden auftrat, sowie spätere Kalamitäten durch Lausbefall, Tannenborkenkäfer usw. wurden gerne als Anlaß hochgespielt, um von den eigentlichen Ursachen des dramatischen landesweiten Tannenrückgangs abzulenken, nämlich Wildverbiß.

Unter dem fadenscheinigen Vorwand, die Tanne sei wegen ihrer Empfindlichkeit gegenüber Umwelteinflüssen und Gefährdung durch viel zu hohe Reh- und Rotwildbestände eine „Mimose“, setzte sich der Alterklassenwald immer mehr durch, ganz im Sinne der mächtigen und einflußreichen Holz- und Jagdlobby. Denn die Fichte mit ihren spitzen, stacheligen Nadeln schmeckt dem Schalenwild nicht. Nur notgedrungen macht es sich einmal über diese Baumart her.

Weißtanne im Nordschwarzwald: Eine heimische Baumart mit guten Zukunftsaussichten in einem wärmeren Klima (Foto: Knoppik)

Doch auch der Baum des Jahres, die Fichte, hat ihre unbestreitbaren ökonomischen und ökologischen Vorzüge. Und zwar dann, wenn man sie nicht in widernatürlichen Monokulturen anpflanzt, sondern mit Augenmaß im Rahmen der naturgemäßen Waldwirtschaft, wo man vornehmlich die Naturkräfte für sich arbeiten läßt und auf standortgerechte Naturverjüngung, naturnahe Baumartenmischungen und eine schonende Aufzucht junger Bäume im Halbschatten des alten Waldes setzt. Entnommen werden nur einzelne Bäume zur optimalen Ausnutzung des Wertzuwachses alter Exemplare.

Bergfichte im Nationalpark Berchtesgaden (Foto: Karl J. Knoppik)

Daß Fichte nicht gleich Fichte ist, haben die bitteren Erfahrungen der letzten Jahrzehnte gezeigt. Dort, wo sie nämlich zum extremen Flachwurzler wird, also auf verdichteten oder staunassen Böden, fällt sie quadratkilometerweise Stürmen zum Opfer. Nicht so auf ihren natürlichen Standorten, wie im oberen Waldgürtel der Alpen oder in den Kammlagen des Bayerischen Waldes.

Hier erweist sich der „Brotbaum“ der Forstwirtschaft extremen Witterungseinflüssen gegenüber als außerordentlich stabil. Und das ist gerade dort der Fall, wo es sich um besonders sturmexponierte Lagen handelt. Die Fichte kann dort ihr Senkerwurzelsystem voll ausbilden, sie kann sich mit langen Haltewurzeln an Blöcken anbinden und in Klüften verankern. Auch haben solche stattlichen Baumindividuen, um Schneebruch so gut wie auszuschließen, spezielle Anpassungen an die rauhen Bedingungen des Hochgebirges vollzogen.

Dazu hat die Natur in einem über viele Jahrhunderte währenden Ausleseprozeß alle nicht standortgemäßen breitkronigen Fichten, die im Rahmen früherer forstlicher Nutzung eingebracht wurden, ausgemerzt, so daß daraus im Ergebnis schmalkronige Exemplare entstanden. Diese spitzkronigen Fichten, die auch am Polarkreis zu bewundern sind, bieten dem Schnee kaum eine Auflagemöglichkeit. Äste und Zweige liegen dem Stamm relativ eng an.

Solche ehrwürdigen Fichten, oder Rottannen, wie sie in der Schweiz genannt werden, gewachsen nach den Gesetzen der Natur, haben im Laufe der Zeit eine statisch belastbare, mehr kegelförmige Stammform entwickelt. Oft sind die Bäume völlig vom Schnee eingehüllt ohne zu brechen.

Darüber hinaus bietet die schmale Kronenform dem Wind nur eine geringe Angriffsfläche, wodurch auch die Windwurfgefahr deutlich herabgesetzt ist. Solche wunderbaren Baumindividuen flößen dem Betrachter Respekt ein und lassen ihn in Ehrfurcht erstarren – im Gegensatz zu den Fichtenexemplaren der Monokulturen, die – gezogen wie Zündhölzer – „meistens aus Bretterreihen bestehen, die oben mit Grün verputzt sind“, so der österreichische Schriftsteller Robert Musil.

Der deutsche Wald: ökonomische Nutzung und ökologische Nachhaltigkeit – Eine Reise durch die wechselvolle Geschichte des grünen Drittels unserer Republik – Teil 1

Natürlicher Bergfichtenwald im Nationalpark Bayerischer Wald, Aufnahme vom Oktober 1978 (Foto: Karl Josef Knoppik)

„Wald ist mehr als die Summe seiner Bäume. Mehr noch als die Atemluft, die er uns kühlt und säubert, das Wasser, das er uns filtert und bewahrt, die Stille, die er schafft, und den Boden, den er festhält, brauchen wir seine geistigen Wohlfahrtswirkungen: den Wald nämlich nicht nur als grüne Menschenfreude, sondern als den Ort, an dem das uns verlorengegangene Naturmaß bewahrt wird“.

So anschaulich und zutreffend formulierte es Horst Stern in seinem 1979 erschienenen umfangreichen und aufklärerischen Sachbuch über unsere „grüne Lunge“ oder – anders gesagt – das grüne Drittel unserer Republik, welches damals nicht nur in den Medien große Aufmerksamkeit erzeugte, sondern auch eine sehr lebhafte Diskussion in Politik und Gesellschaft hervorrief.

Die Deutschen haben von alters her eine traditionell innige Beziehung zum Wald, so hat es jedenfalls den Anschein. Das kann man vielen überlieferten Schriften und Publikationen entnehmen. Aber stimmt das so – auf die Gegenwart bezogen – wirklich?

In früherer Zeit hatte diese Aussage zweifellos ihre Berechtigung. Doch heute wird beinahe jeder Nutzungsverzicht auch im Wald mit Freiheitsentzug gleichgesetzt. So stößt etwa die Forderung nach Ausweisung neuer Nationalparks bei Teilen der Bevölkerung, der Holz- und Forstlobby, auf heftige Ablehnung und ruft wütende Reaktionen hervor. Ein engagierter Befürworter des heiß umkämpften Nationalparks Steigerwald etwa mußte vor Jahren im Anschluß an eine öffentliche Diskussionsveranstaltung unter Polizeischutz durch den Notausgang in Sicherheit gebracht werden.

Das ist – wie ich glaube – einer Industrienation, die sich damit brüstet, zu den angeblich wohlhabendsten Ländern der Welt zu gehören, in höchstem Maße unwürdig – und zeigt außerdem, auf welch geistigem Niveau diese Republik inzwischen angekommen ist, wo offenbar  Egoisten zunehmend die Oberhand gewinnen. Diese haben keineswegs den nachhaltigen, monetär nicht zu beziffernden Wert von aus der Nutzung genommenen Waldflächen im Blick. Solchen Leuten sei einmal dringend dazu geraten, andere Länder, z. B. im überseeischen Raum, ins Visier zu nehmen, die weitaus ärmer sind als wir. Dort leistet man sich zur Erhaltung der Biodiversität unter oft schwierigen Umständen viel mehr und großräumigere Nationalparks, wobei Verstöße gegen bestehende Schutzvorschriften auch noch härter geahndet werden.

Etliche Heimatdichter, Maler und Schriftsteller erlagen der Faszination des Waldes und ließen sich von seiner natürlichen Schönheit inspirieren. Adalbert Stifter, Ludwig Uhland, Caspar David Friedrich, Hermann Löns oder Joseph Freiherr von Eichendorff, von dem das Gedicht bzw. Lied stammt: „Wer hat Dich, du schöner Wald aufgebaut, so hoch da droben“, zählen zu den bekanntesten Persönlichkeiten jener Zeit.

„Vor 300 Jahren formulierte der deutsche Kammerrat und Berghauptmann Hans Carl von Carlowitz das Prinzip der Nachhaltigkeit. Nur so viel Holz kann entnommen werden, wie tatsächlich nachwachsen kann. Kurz nach der Entdeckung Amerikas durch Chr. Kolumbus und dem Beginn des Raubbaus vieler wertvoller Rohstoffe in Europa um 1500 wurde durch einen „Waldmeister“ im bayerischen Bad Reichenhall der Begriff des Ewigen Waldes geprägt. Er sollte klarstellen, daß man immer nur so viel Wald wegschlagen kann, wie an anderer Stelle nachwächst.

Daraus hat sich der forstliche Begriff der Nachhaltigkeit entwickelt, der besagt, daß man einem Wald nur so viel an Rohstoffen entnehmen darf, daß auch künftige Generationen mindestens gleichviel und gleichwertige Güter nutzen können. Die Forstwirtschaft bemüht sich seit dem 19. Jahrhundert überall um N. Dabei handelt es sich nicht nur um Holz. Einem Wasserschutzwald muß nachhaltig mindestens dieselbe Menge und dieselbe Qualität an Wasser entnommen werden können; ein Lawinenschutzwald in den Alpen muß nachhaltig denselben Schutz vor Lawinen bieten wie der Wald zuvor. So stand es bereits 1984 in dem GEO-Sachbuch „Die Lage des Waldes“.

Zeugen längst vergangener Zeit: Meiler zur Holzkohlegewinnung. Die Köhlerei wurde bei uns noch bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts im Rahmen der Niederwaldbewirtschaftung praktiziert. (Die Aufnahme entstand nahe Föckinghausen bei Bestwig-Velmede) (Foto: Karl Josef Knoppik)

Zu Beginn der industriellen Revolution wurde die erneuerbare Ressource Holz nur dadurch vor der endgültigen Vernichtung bewahrt, die nachhaltige Nutzung des Waldes also nur dadurch möglich, daß Stein- und Braunkohle die Holzkohle ersetzten. Hieraus folgt die Erkenntnis, daß derjenige, der im Wald wirtschaftlichen Erfolg anstrebt, zunächst einmal den übergeordneten Aspekt der ökologischen Nachhaltigkeit respektieren muß. Denn ökonomische Nutzung kann nur im Einklang mit den ökologischen Waldbauzielen erfolgversprechend sein.

Sündhaft teure wildabweisende Zäune garantieren dem schießfreudigen Jagdpächter kontinuierlich hohe Reh- und Rotwildbestände. Nur hinter dem Zaun kann sich eine paradiesische Vielfalt an Pionierpflanzen und Mischbaumarten breitmachen. (Foto: Karl Josef Knoppik)

Es gab im Laufe der langen Waldgeschichte immer wieder hoffnungsvolle Ansätze und Bestrebungen in Richtung einer naturgemäßen Waldwirtschaft. Diese scheiterten jedoch wiederholt an den Interessen der Holz- und Jagdlobby. Fortschrittliche Waldbaupioniere, wie Carl Gayer (Waldbauprofessor aus Wien) oder Alfred Möller (Begründer der Idee des Dauerwaldes und Vordenker einer ökologischen Wende in der deutschen Waldwirtschaft), konnten die Fehlentwicklungen aber nicht aufhalten. Die Waldwende fand nicht statt. Die „moderne“ Forstwirtschaft betrachtete sich ausschließlich als Holz- und Rohstoffversorger.

Weihnachtsbaumplantagen mit Nordmanntannen, Blaufichten und anderen Exoten prägen nach wie vor maßgeblich die Landschaft. (Foto: Karl Josef Knoppik)

Heute nutzen immer mehr Menschen dieses Großökosystem, das für etliche Tier- und Pflanzenarten Heimstätte und Rückzugsraum ist, zur Erholung und für Freizeitaktivitäten. Sie überziehen ihn – oft mehr als er verkraften kann – mit immer neuen Forderungen und Ansprüchen.

Und entgegen der offiziellen Verlautbarung ist der Zustand des Waldes nach wie vor höchst beklagenswert. Er stirbt vor sich hin, heimlich, still und leise, und zwar in seiner Gesamtheit, wenn auch je nach Baumart mehr oder weniger schnell. Mehr als 2/3 der Bäume in deutschen Wäldern sind nach der neuesten Waldinventur geschädigt, bei den Buchen sind es sogar 90 Prozent.

Eine der Hauptursachen für die katastrophale Situation bilden die den Stickstoffverbindungen zugehörigen Ammoniak-Emissionen aus der industriellen Landwirtschaft, Stichwort Gülle!

Geballte Schadstoff-Cocktails aus Ammoniak, das mit 65 % für den weitaus größten Anteil der Nährstoffüberfrachtung unserer Wälder verantwortlich ist, und den übrigen Stickstoffquellen aus den Bereichen Straßenverkehr und Kraftwerken nebst Feuerungsanlagen setzen das Ökosystem unter Dauerstreß und nehmen ihm sprichwörtlich die Luft zum Atmen.

Doch von der Politik kommt zu all dem nichts. Man verharmlost die Situation in gewohnter Manier und stellt – wie der zuständige Agrarminister Minister Schmidt von der CSU – den Waldschadensbericht lediglich auf seine Homepage. Eine Bundespressekonferenz wurde erst gar nicht mehr anberaumt und somit die Tradition seiner Vorgänger abrupt beendet. Offenbar scheut man davor zurück, unangenehme Wahrheiten an die große Glocke zu hängen. Dabei müßten Herrn Schmidt gerade die besorgniserregend hohen Ammoniak-Emissionen aus der Landwirtschaft zutiefst beunruhigen und ihn schnell zur Tat schreiten lassen. Aber es tut sich nichts.

Dabei sind nur ¼ der Eichen und nur jede 10. Buche gesund. Doch gerade Buchenwälder sind als Lebensraum für Tiere und Pflanzen sowie für die Stabilisierung des Klimas von unschätzbarem Wert! Das Ökosystem Wald mit seinen lebenswichtigen Funktionen, seiner ihm innewohnenden Vielfalt an Beziehungen und Abhängigkeiten untereinander ist durch allerlei Umwelteinflüsse devitalisiert. Von einer durchgreifenden Besserung kann bis heute also nicht die Rede sein. Im Boden tickt eine Zeitbombe. Es liegt an uns Menschen hier entschieden gegenzusteuern.

Steht für Wildnis und Urnatur: Canis lupus. Langsam breitet sich die Art in Mitteleuropa wieder aus. Aber der Wolf hat nur dann eine gesicherte Zukunft, wenn ihn die Menschen im Grundsatz akzeptieren und geeignete Lebensräume nicht noch weiter zerstört werden. Gegenüber ausgerotteten Tierarten, wie dem Wolf, der durch die Berner Artenschutzkonvention streng geschützt ist, haben wir eine moralische Pflicht zur Wiedergutmachung. (Foto: Tuschl)

Früher bestand der allergrößte Teil Deutschlands aus Wäldern. Rodungen für Siedlungsbau, Landwirtschaft und Holznutzung drängten die „grüne Lunge“ auf heute nur noch 1/3 der Landesfläche zurück. Urwälder – völlig unbeeinflußt vom Menschen – sind so gut wie nicht mehr vorhanden. Nur in Niederösterreich (Rothwald – ein seit der Bronzezeit nicht mehr genutzter Wald im Privatbesitz) und im Schweizer Wallis (Derborence) findet man noch Relikte. Kleine Bestände gibt es auch noch in Tschechien (Boubin/Kubany),der Slowakei, Rußland, der Ukraine und vor allem in den Karpaten.

Das Auerwild ist ursprünglich ein Vogel der Taiga und ähnlicher Waldformen. Gleichaltrige, undifferenzierte und aufgeräumte Wälder ohne Unterholz, Jungwuchs und Beerenkräutern machen ihm den Garaus, deshalb im Sauerland längst ausgestorben. Wiedereinbürgerungsversuche in den 80er Jahren scheiterten. (Foto: Heinz Tuschl)

Letztgenanntes Hochgebirge weist bis heute die größten Flächen an Urwäldern auf. Noch lassen sich dort unbeeinflußte Waldstrukturen beobachten und studieren, außerdem im nördlichen Iran sowie in Japan. Leider sind aber auch diese noch verbliebenen Urwälder oder urwaldähnlichen Bestände akut von der Zerstörung bedroht oder sind bereits Opfer des Raubbaus durch illegalen Holzeinschlag geworden. Etwa in Rumänien, wo in den letzten 20 Jahren ca. 400.000 ha unersetzliche, als Nationalparks geschützte Waldareale der Motorsäge zum Opfer fielen, darunter Urwälder. Gleiches ist in den Nationalparken bzw. Wildnisgebieten der Ukraine zu beobachten.

Vergraste, eintönige Fichtenforste: Von einer „Waldwende“ kann bisher nicht die Rede sein. (Foto: Karl Josef Knoppik)

Wie so oft sind Korruption und ein eklatantes Vollzugsdefizit bei der Einhaltung der Schutzvorschriften für dieses Massaker verantwortlich. Aber zum Glück wächst auch der Widerstand gegen den skrupellosen Kahlschlag durch multinational operierende Holzkonzerne – und zwar sowohl auf Seiten heimischer Umweltaktivisten als auch von befreundeten Umweltorganisationen aus den westlichen Nachbarländern. Z. B. unterstützen die Stiftung Europäisches Naturerbe (Euronatur) sowie die Zoologische Gesellschaft Frankfurt die Nationalparks dabei, ihre ökologisch hoch bewerteten Wälder zu erhalten. Worin unterscheiden sich nun Urwälder von Naturwäldern?

Der Begriff Urwald bezieht sich auf ausgedehnte Waldkomplexe, deren Standorte, Vegetation, Baumartenmischung und Aufbau seit jeher durch natürliche Standortfaktoren bestimmt wurden. Er besteht somit aus einem in jeder Hinsicht natürlichen Waldbeziehungsgefüge.

Neben einer nach Arten und Anzahl natürlichen Pflanzen- und Tierwelt ist eine derart große Flächenausdehnung erforderlich, daß sich die Einflüsse der durch den Menschen geprägten Umwelt im Innern des Waldes verlieren.

Bergurwald – Wir brauchen in Deutschland und Mitteleuropa unbedingt mehr Wildnisgebiete. Regulierende Eingriffe, wie Jagd, finden dort nicht statt (Foto: Heinz Tuschl).

Urwälder, die all jene Voraussetzungen erfüllen, gibt es in Mitteleuropa nicht mehr. Im Urwald wirken Kräfte der Reorganisation und Regeneration. Diese, wie auch die unterschiedlichen Lebensraumansprüche der verschiedenen Baumarten führen eine ungeheure Strukturvielfalt und deren ständigen Wechsel herbei. Zahlreiche seltene, z. T. vom Aussterben bedrohte Tierarten sind an diese Strukturen angepaßt. Am so genannten Totholz lebt in den einzelnen Entwicklungsstadien eine große Fülle von Insekten, Käfern und Pilzen. Allein in Urwäldern läßt sich feststellen, wie das Ökosystem Wald ohne menschliche Eingriffe funktioniert.

Im Gegensatz dazu steht der Begriff des Naturwaldes. Das sind Wälder, die nach Aufgabe der forstwirtschaftlichen Nutzung der natürlichen Entwicklung überlassen bleiben. So ein Wald ist ausschließlich aus einer rein natürlichen Vegetationsfolge hervorgegangen, der zumeist noch Merkmale früherer menschlicher Einwirkung erkennen läßt, oder der auf Neuland, Brachland oder nicht mehr genutzten Flächen entstanden ist (Prozeßschutz, Klimaxwald, d.h. womit ein bestimmter Endzustand angestrebt wird.

Der Hirschkäfer ist stark gefährdet (Kategorie 2). Er besiedelt alte Eichenwälder. Seine Larven benötigen durch Pilzbefall zermürbtes Totholz, besonders von Eichen. (Foto: Heinz Tuschl)

Gerade die vom Menschen unbeeinflußten Wälder sind es ja, in denen der Artenreichtum am größten ist. Solche Waldkomplexe machen gerade einmal 2 Prozent der Waldfläche aus (Nationalparke, Bannwälder, Naturreservate, Naturdenkmäler). Weniger als 1 Prozent des Waldes ist derzeit in Deutschland gesetzlich geschützt. Ein beschämendes Zeugnis, wie ich meine. Im internationalen Vergleich bilden wir damit als eines der reichsten Länder das Schlußlicht bei den sich selbst überlassenen Waldarealen. Das ist auch der Grund dafür, daß so unscheinbare Lebewesen, wie Pilze, holzbewohnende Käfer, Moose und Flechten stark gefährdet oder gar vom Aussterben bedroht sind.

Baum- oder Edelmarder: Je urwüchsiger der Wald, desto wohler fühlt er sich und je zahlreicher sein Vorkommen. (Foto: Heinz Tuschl)

Für den Schutz der biologischen Vielfalt benötigen wir deshalb auf mindestens 10 Prozent der öffentlichen Waldflächen Naturwälder (die Urwälder von morgen), wie bereits im Jahre 2007 von der Bundesregierung beschlossen. Mindestens die Hälfte davon müßte bis 2020 ausgewiesen werden. Der Wert des Waldes, nicht der des Holzes, muß also weitaus stärker in den Fokus gerückt werden. Leider sieht es z. Zt. aber nicht danach aus, als würde genug unternommen, um das von der Bundesregierung angestrebte Ziel zur nationalen Biodiversitätsstrategie zu erreichen, nämlich 5 Prozent der gesamten Waldfläche bis 2020 für natürliche Waldentwicklung bereitzustellen. Im Gegenteil: Nach Erkenntnissen des BUND werde dieses (ohnehin nicht sehr anspruchsvolle) Ziel auch mit dem neuen Naturschutzgesetz verfehlt.

Der giftigen Rote Fingerhut gedeiht in Massen: Er wird vom Schalenwild verschmäht. (Foto: Karl Josef Knoppik)

Der Landesbetrieb Wald und Holz, Forstbehörden und staatliche Forstverwaltungen machen permanent Front gegen die Ausweisung neuer Wildnisgebiete, Nationalparks und anderer aus der Nutzung genommener Areale. Dabei wird völlig ignoriert, daß der Eigenwert der Natur längst im Grundgesetz festgeschrieben ist.

Die Natur ist der beste Baumeister schöner und zugleich stabiler Wälder. (Foto: Karl Josef Knoppik)

Darüber hinaus wurde der wissenschaftliche Beweis erbracht, daß Naturwälder, läßt man sie wachsen, mindestens doppelt so viele Holzvorräte anreichern als Wirtschaftsforste. In Naturwäldern werden die Bäume 400 bis 600 Jahre alt. Das Durchschnittsalter in deutschen Wäldern liegt bei 77 Jahren. Borkenkäfern und Stürmen erliegt die Hälfte der Kunstforste. „Würde auf 5 Prozent der Fläche keine Nutzung stattfinden, so der langjährige Leiter der Nationalparkverwaltung Bayerischer Wald, Dr. H. Bibelriether, ergäbe das eine viel höhere CO²-Bindung als in Wirtschaftsforsten“. Von der überreichen Arten- und Strukturvielfalt ganz zu schweigen.

Nirgendwo läßt sich der ewige Kreislauf der Natur so gut beobachten wie einem Nationalpark. Fremd und mystisch wirkt die Landschaft. Wind und Wetter zeigen immer neue stimmungsvolle Bilder. Aus dem ständigen Wechselspiel von Licht und Schatten, aus Wachstum, Altern und Zusammenbruch und dem Nebeneinander von Lichtung, Jungwald und Altbestand entsteht die Vielfalt des Naturwaldes. Je artenreicher und damit naturnäher ein Wald ist, desto stabiler erweist er sich gegenüber „Schädlingen“ und Umwelteinflüssen.

Mischbestand im Hochsauerland mit Waldkiefern und Rotbuchen. (Foto: Karl Josef Knoppik)

Von Natur aus würde im Nadelholz dominierten Sauerland – wie anderswo auch – die Rotbuche auf großen Flächen das Waldbild prägen, entweder im Reinbestand oder mit anderen Laubhölzern vergesellschaftet. Unsere ehemals waldreiche Landschaft, bestehend aus dichten Urwäldern (um 800 v. Chr.) wurde durch den Einfluß des Menschen zu Moor und Heide umgewandelt, während ein wesentlich größerer Teil als Niederwald bewirtschaftet wurde. Diese historische Nutzung der Waldbewirtschaftung diente vorwiegend der Brennholzgewinnung, aber auch der Rindennutzung sowie der Produktion von Getreide. Sie war somit eine klassische Kombination von Wald- und Feldbau. Im Siegerland war die Niederwaldwirtschaft mit der daran gekoppelten Holzkohlegewinnung unter dem Begriff „Haubergwirtschaft“ bekannt.

Verschneiter Fichtenforst im Vogelsanggebiet bei Meschede in den 80er Jahren. Durch reichlich anfallenden Naßschnee infolge der Klimaerwärmung sind heute auch die Hochlagen des Sauerlandes vermehrt von Schneebruch betroffen. (Foto: Knoppik)

Wo Eichen u.a. Baumarten vertreten waren, die nicht zu viel Schatten erzeugen, sprach man von Mittelwald. Sie wuchsen zu Bauholz heran und lieferten Eicheln für die Viehmast (Schweine). Ferner wurde auch Eichenrinde produziert, die als Gerbmittel für die Lederverarbeitung Verwendung fand, vor allem in den Kreisen Olpe und Siegen-Wittgenstein.

Bevor sich mit einer drastischen Klimaverschlechterung vor etwa 7.000 Jahren die Rotbuche bei uns durchsetzen konnte, dominierten in der nacheiszeitlichen Warmzeit Eichenmischwälder. Die erwähnte Haubergwirtschaft gab es noch bis ca. um das Jahr 1920. Danach entstand der aus Samen hervorgehende Hochwald – im Wesentlichen mit der forstlich interessanten, vielseitig verwendbaren Fichte bestockt. Hier bei uns hielt diese begehrte Nadelholzart erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts Einzug. Sie wurde im Jahre 1820 – aus Skandinavien eingebracht – im Sauerland heimisch.

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Teil 2 folgt hier.

Als wäre Borniertheit eine Tugend: Angela Merkels und ihrer Regierung trotziges „Weiter so“ endet in der Sackgasse und verhindert den lange überfälligen Politikwechsel.

Angela Merkel befindet sich permanent im Umfragehoch. Und das schon seit Jahren. Mal werden ihr bessere, mal etwas schlechtere Noten vergeben. Aber sie kann sich stets beruhigt zurücklehnen, war sie doch ihrem Hauptkonkurrenten, dem früheren SPD-Chef Gabriel, um Lichtjahre voraus.

(Dies ist der 2. Teil der Auseinandersetzung von Karl Josef Knoppik mit der Politik Angela Merkels. Als Herausgeber teile ich nicht alle Positionen des Verfassers, hoffe aber, dass sowohl Zustimmung als auch Ablehnung sachlich argumentierend in den Kommentaren vorgetragen werden. Der erste Teil der kleinen Merkel-Reihe ist hier zu finden.)

Angesichts solcher Zustimmungswerte stellt sich unweigerlich die Frage, was die Kanzlerin denn konkret vorzuweisen hat. Diese Frage richtet sich an all diejenigen, die mehrheitlich der Auffassung sind, Frau Merkel habe ihre Sache im Großen und Ganzen gut gemacht und die sich daher für eine zweite Amtszeit aussprechen. So verriet es uns der ARD-Deutschlandtrend im Dezember.

Es wurde allerdings mit keinem Wort darauf eingegangen, welche Leistungen die Kanzlerin denn konkret erbracht hat bzw. worin ihre Verdienste bestehen. Hört man sich nämlich einmal in unserem Lande um, sei es hier in NRW oder in anderen Bundesländern, ergibt sich ein völlig anderes Stimmungsbild als jenes, was die Medien verbreiten. Oder die Leute neigen dazu das Unangenehme zu verdrängen, weil ja alles möglichst ungestört weiterlaufen muß. Es mangelt aber auch offenbar an dem Willen und an der Fähigkeit über den Tellerrand hinauszublicken – sowie an der erforderlichen Intelligenz, um sich mit fundierter Sachkenntnis ein starkes und differenziertes Urteil zu bilden, das alle Faktoren einbezieht! Noch einfacher macht es sich in einer solchen Situation CDU-Generalsekretär Tauber, der all die Wähler, die Frau Merkel ihr Votum verweigern, als „Arschloch“ verunglimpft haben soll. Das ist Demokratie pur. So hält man sich Kritiker vom Leibe und untergräbt die grundgesetzlich garantierte Meinungsfreiheit.

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Angela Merkel: eine Kanzlerin ohne Mut und Visionen, ohne Weitblick und Führungsqualität – oder: Wie man es mit Opportunismus, Schweigen und Nichtstun fertigbringt, zur mächtigsten Frau der Welt aufzusteigen.

Merkel20160904Ob es die Flüchtlings- und Asylfrage, die Außen- und Europapolitik oder verschiedene Bereiche der Innenpolitik betrifft, wo ein totaler Kurswechsel seit langem überfällig ist, etwa Landwirtschaft, Energie, Verkehr, Umwelt und Soziales: Die Kanzlerin und ihre schwarz-rote Regierung versagen auf ganzer Linie.

Merkels Regierungsstil ist nicht durch Tatendrang und selbstbewußtes, entschlossenes Handeln geprägt, sondern durch eine auf Außendarstellung abzielende Gefälligkeitspolitik – nach dem Motto: Wie gelingt es mir in der Beliebtheitsskala ohne große Anstrengung den Spitzenplatz zu besetzen und meine Wiederwahl zu sichern?

Von der Kanzlerin ist man es ja gewohnt, daß sie sich immer dann zu Wort meldet, wenn die Sterne für sie günstig stehen, und daß sie abtaucht, im Nichtstun verharrt, sobald sie Gegenwind verspürt. Alles hängt immer davon ab, wie sich die Dinge entwickeln. Punkten kann Frau Merkel nur dann, wenn sie denen aus der Seele spricht, die bei uns die Richtlinien der Politik bestimmen. Und das sind immer noch, – jeder weiß das – Wirtschaftsverbände, Reiche und Wohlhabende. Diese erdreisten sich bestehende Gesetze notfalls zu ignorieren und vermeintlich gewinnabträgliche Innovationen zu blockieren.

Notwendige Veränderungen, die unser Land ein großes Stück nach vorne bringen könnten, scheuen Frau Merkel und ihre CDU wie der Teufel das Weihwasser. Man vermißt auf sämtlichen Politikfeldern eine klare Strategie, einen konkreten Plan mit richtungsweisenden Beschlüssen, die sich an den Notwendigkeiten der Zukunft orientieren. Die Kanzlerin und ihre Gefolgsleute haben kein festes Ziel vor Augen, auf das beharrlich hingearbeitet würde, um diese Republik zukunftsfähig und lebenswert zu machen. Daran muß sich aber jede Regierung messen lassen.

Der Politik der Bundeskanzlerin fehlt die notwendige Ernsthaftigkeit; ihre Regierungskunst beschränkt sich auf Symbolik; Substanz ist keine vorhanden. Probleme werden verdrängt oder auf die lange Bank geschoben, damit die Spaßgesellschaft ja nicht darunter leidet. Angela Merkel rührt in allen Töpfen; als politisch interessierter Bürger möchte man aber gern einmal erfahren, was aus all den Ankündigungen zwischenzeitlich geworden ist und welche Intentionen damit verfolgt werden.

Beispiele sind die untragbaren Zustände in der Türkei, die Visa-Freiheit für türkische Staatsbürger und der geplante EU-Beitritt, die sog. Minsk-Vereinbarung, das Maghreb-Abkommen mit Tunesien, Algerien und Marokko im Zusammenhang mit den „sicheren Herkunftsländern“, Syrien; außerdem die bis heute nicht aufgearbeitete NSA-Affäre und – last not least – die so genannten „Panama-Papers“.

Seit langem wissen wir: Deutschland selbst ist eine Steueroase. Das ist der eigentliche Skandal an diesen Papers. Mit den Enthüllungen im Rücken können wir die Minister Maas und Schäuble auf Maßnahmen gegen Geldwäsche in Deutschland verpflichten – Ausgang ungewiss.

Obwohl es sich ja um ein äußerst schwerwiegendes Ereignis von weltumspannender Dimension handelt, das auch Firmen und Einzelpersonen von hohem Rang in unserem Staat einschließt, hört man auch zu diesem Fall kein Wort von führenden Repräsentanten in Berlin.

Und dann wäre da noch die Sache mit VW. Kaum daß damals erste Details bekannt geworden waren, fiel unserer industriehörigen Kanzlerin nichts Besseres ein als in wilder Hast sich schützend vor den mächtigen Autokonzern zu stellen. Mittlerweile verdichten sich die Hinweise, daß die Bundesregierung schon Jahre früher über die kriminellen Praktiken des Autokonzerns informiert war.

Doch nicht nur innenpolitisch, auch in der Außenpolitik sucht sich Merkel die falschen Verbündeten.

Das Regime Erdogan führt unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung Krieg gegen die Kurden. Die Pressefreiheit wurde außer Kraft gesetzt, Oppositionelle wurden in Haft genommen und vieles mehr. Der Begriff „Demokratie“ hat nur noch insofern seine Berechtigung als sie von denen in Anspruch genommen werden kann, die sich Erdogan gegenüber loyal verhalten. Dieser regiert gerade so, wie wir es sonst nur von totalitären Staaten gewohnt sind; und sein Einfluß reicht bis nach Deutschland, wo die Sicherheit von türkischstämmigen Bürgern keineswegs garantiert werden kann.

Was tut die Kanzlerin dagegen? Für sie sind die haarsträubenden Verhältnisse in der Türkei aber noch immer kein Grund, deutliche Kritik zu üben – wohl aus Rücksichtnahme auf das Flüchtlingsabkommen. Und damit nicht genug: Merkel treibt ihre grotesk anmutende Türkei-Politik der Kniefälle geradezu auf die Spitze und denkt sogar darüber nach, die vom Bundestag beschlossene Armenien-Resolution für nichtig zu erklären. Seit heute (3.9.) wissen wir: Merkel ist gegenüber Erdogan eingeknickt. Auch wenn ein Abrücken von der vom Bundestag verabschiedeten Resolution dementiert wird: Es könnte sein, daß es einen vor der Öffentlichkeit geheim gehaltenen Deal mit der Türkei gegeben hat. Anders ist es nicht zu erklären, daß sich die Wogen zwischen beiden Staaten quasi von heute auf morgen geglättet haben. Ein derart unwürdiges Gezerre hat – soviel ich weiß – noch unter keiner Regierung stattgefunden.

Schweigen, Aussitzen und Nachgeben, sich lästige Probleme vom Halse schaffen, vergrößern das Unheil ständig. Jeder andere Bundeskanzler früherer Jahrzehnte, der mit seiner Politik so grandios gescheitert wäre, hätte lange seinen Rücktritt erklärt.

Wer so einfältig ist und vom türkischen Machthaber Entgegenkommen voraussetzt, was dessen Auffassung von Rechtsstaatlichkeit und seinen autoritären Führungsstil betrifft, kann bis zum St. Nimmerleinstag warten; er wird auf Granit beißen und Schiffbruch erleiden. Selbst wenn über eine Wiedereinführung der Todesstrafe in dem kleinasiatischen Staat bisher noch nicht entschieden ist, wäre ein Abbruch der wirtschaftlichen, wenn nicht gar der diplomatischen Beziehungen, angesichts solcher Vorfälle kein abwegiger Gedanke.

Als Reaktion darauf aber so weiterzumachen, als wäre nichts passiert, als hätte man es mit einem lupenreinen Demokraten zu tun, ist völlig inakzeptabel, moralisch verwerflich und provoziert verständlicherweise anhaltende Kritik.

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